Viktorine, eine junge adeliche Venetianerin, war von ihren Eltern gezwungen worden, ei- nen schon betagten Gemal zu ehlichen, und hielt sich für die Langweil und den Verdrus, den er ihr verursachte, zuweilen in den Umar- mungen eines jüngern Liebhabers, Syponti mit Namen, schadlos. Sie that dies mit ziemlicher Dreistigkeit; um aber noch ungebund- ner in ihren Ausschweifungen zu seyn, ward sie endlich mit ihremBuhler einig, sich des Gemals ganz zu entledigen, und Syponti sezte diesen, schon an sich schändlichen Vorsaz auf eine Art ins Werk, wo er noch vierfach schändlicher wurde.
Der gute Alte pflegte alle Abende zum Ver- gnügen in der Gondel zu fahren. Syponti lauerte ihm in der seinigen auf; sprang in jenes Schiff; stieß rasch dem Greis seinen Degen in den Leib; tödtete eben so schnell die beiden Ruderer; warf alle drei Leichname ins
I.
Viktorine, eine junge adeliche Venetianerin, war von ihren Eltern gezwungen worden, ei- nen ſchon betagten Gemal zu ehlichen, und hielt ſich fuͤr die Langweil und den Verdrus, den er ihr verurſachte, zuweilen in den Umar- mungen eines juͤngern Liebhabers, Syponti mit Namen, ſchadlos. Sie that dies mit ziemlicher Dreiſtigkeit; um aber noch ungebund- ner in ihren Ausſchweifungen zu ſeyn, ward ſie endlich mit ihremBuhler einig, ſich des Gemals ganz zu entledigen, und Syponti ſezte dieſen, ſchon an ſich ſchaͤndlichen Vorſaz auf eine Art ins Werk, wo er noch vierfach ſchaͤndlicher wurde.
Der gute Alte pflegte alle Abende zum Ver- gnuͤgen in der Gondel zu fahren. Syponti lauerte ihm in der ſeinigen auf; ſprang in jenes Schiff; ſtieß raſch dem Greis ſeinen Degen in den Leib; toͤdtete eben ſo ſchnell die beiden Ruderer; warf alle drei Leichname ins
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I.
Viktorine, eine junge adeliche Venetianerin,
war von ihren Eltern gezwungen worden, ei-
nen ſchon betagten Gemal zu ehlichen, und
hielt ſich fuͤr die Langweil und den Verdrus,
den er ihr verurſachte, zuweilen in den Umar-
mungen eines juͤngern Liebhabers, Syponti
mit Namen, ſchadlos. Sie that dies mit
ziemlicher Dreiſtigkeit; um aber noch ungebund-
ner in ihren Ausſchweifungen zu ſeyn, ward ſie
endlich mit ihremBuhler einig, ſich des Gemals
ganz zu entledigen, und Syponti ſezte dieſen,
ſchon an ſich ſchaͤndlichen Vorſaz auf eine Art
ins Werk, wo er noch vierfach ſchaͤndlicher
wurde.
Der gute Alte pflegte alle Abende zum Ver-
gnuͤgen in der Gondel zu fahren. Syponti
lauerte ihm in der ſeinigen auf; ſprang
in jenes Schiff; ſtieß raſch dem Greis ſeinen
Degen in den Leib; toͤdtete eben ſo ſchnell die
beiden Ruderer; warf alle drei Leichname ins
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Meißner, August Gottlieb: Kriminal Geschichten. Wien, 1796, S. 334. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meissner_krimi_1796/342>, abgerufen am 23.11.2024.
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