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Meißner, August Gottlieb: Kriminal Geschichten. Wien, 1796.

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Kapital seines Vermögens aufgekündigt und
im Schmelzen war.

"Lieber Junge," sprach sie dann einst, in-
dem sie freundlich mit der einen Hand seine
Wange streichelte und mit der andern sich
aus dem Auge eine Zähre wischte, die eigent-
lich gar nicht im Auge war, "ich kann dir
"nicht länger verhehlen, was mich nun schon
"um die Ruhe mancher Nacht gebracht hat.
"Alle Hofnung, meine Aeltern dir geneigt zu
"machen, ist in gegenwärtiger Lage deiner
"Glücksumstände verschwunden. Sie und alle
"meine Anverwandten sind Unmenschen, die
"kein Verdienst, als das in Goldsäcken ken-
"nen. Um uns ehlich zu verbinden, und um zu-
"gleich -- was doch freilich auch zum menschli-
"chen Leben und Glück gehört -- so viel Vermö-
"gen zu besizzen, als nöthig ist, uns ohneKum-
"mer zu nähren, seh' ich nur einen Weg noch."

"Und der ist?"

"Daß du selbst durch Handel und Fleiß
"dir, wenn auch nicht ein ansehnliches, we-

Kapital ſeines Vermoͤgens aufgekuͤndigt und
im Schmelzen war.

„Lieber Junge,“ ſprach ſie dann einſt, in-
dem ſie freundlich mit der einen Hand ſeine
Wange ſtreichelte und mit der andern ſich
aus dem Auge eine Zaͤhre wiſchte, die eigent-
lich gar nicht im Auge war, „ich kann dir
„nicht laͤnger verhehlen, was mich nun ſchon
„um die Ruhe mancher Nacht gebracht hat.
„Alle Hofnung, meine Aeltern dir geneigt zu
„machen, iſt in gegenwaͤrtiger Lage deiner
„Gluͤcksumſtaͤnde verſchwunden. Sie und alle
„meine Anverwandten ſind Unmenſchen, die
„kein Verdienſt, als das in Goldſaͤcken ken-
„nen. Um uns ehlich zu verbinden, und um zu-
„gleich -- was doch freilich auch zum menſchli-
„chen Leben und Gluͤck gehoͤrt -- ſo viel Vermoͤ-
„gen zu beſizzen, als noͤthig iſt, uns ohneKum-
„mer zu naͤhren, ſeh' ich nur einen Weg noch.“

„Und der iſt?“

„Daß du ſelbſt durch Handel und Fleiß
„dir, wenn auch nicht ein anſehnliches, we-

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[24/0032] Kapital ſeines Vermoͤgens aufgekuͤndigt und im Schmelzen war. „Lieber Junge,“ ſprach ſie dann einſt, in- dem ſie freundlich mit der einen Hand ſeine Wange ſtreichelte und mit der andern ſich aus dem Auge eine Zaͤhre wiſchte, die eigent- lich gar nicht im Auge war, „ich kann dir „nicht laͤnger verhehlen, was mich nun ſchon „um die Ruhe mancher Nacht gebracht hat. „Alle Hofnung, meine Aeltern dir geneigt zu „machen, iſt in gegenwaͤrtiger Lage deiner „Gluͤcksumſtaͤnde verſchwunden. Sie und alle „meine Anverwandten ſind Unmenſchen, die „kein Verdienſt, als das in Goldſaͤcken ken- „nen. Um uns ehlich zu verbinden, und um zu- „gleich -- was doch freilich auch zum menſchli- „chen Leben und Gluͤck gehoͤrt -- ſo viel Vermoͤ- „gen zu beſizzen, als noͤthig iſt, uns ohneKum- „mer zu naͤhren, ſeh' ich nur einen Weg noch.“ „Und der iſt?“ „Daß du ſelbſt durch Handel und Fleiß „dir, wenn auch nicht ein anſehnliches, we-

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Zitationshilfe: Meißner, August Gottlieb: Kriminal Geschichten. Wien, 1796, S. 24. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meissner_krimi_1796/32>, abgerufen am 18.12.2024.