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Meißner, August Gottlieb: Kriminal Geschichten. Wien, 1796.

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gedenke? und dann ernsthaft: ob er gar kein
eignes Vermögen besizze? Sorgfältig hatte R.
bisher seinen so schändlich erworbnen Schaz
verborgen. Auch jezt gestand er nur einen
Theil desselben. "Fünfhundert Dukaten, sagt'
er, besizze er baar; noch tausend könne er in sei-
ner Heimath heben, wann und wie er wolle."
Der Alte hatte sich wenig, oder gar nichts ver-
muthet. Mit treuherzigem Tone schmälte
er: daß R. jene Summe, die er vorwieß, so
lange ungenüzt bei sich führe; glaubt' ihm
das Uebrige aufs Wort; bot ihm förmlich die
Hand seiner Tochter und den Eintritt in seine
Handlung an. Freudig grif R. nach diesem
Erbieten. Noch den Abend war Verlobung;
vier Wochen drauf Hochzeit.

Ueber drei Jahre lebte R. in dieser Ehe;
zwei Kinder wurden ihm geboren. Ein eig-
nes Haus erkauft' er sich. Seine Frau fuhr
fort, ihn zu lieben; bei seinen Mitbürgern
stand er in Achtung; nicht ein Schatten von
Verdacht traf seinen moralischen Werth. Er
schien glücklich. Eine gewiße düstre Laune,

gedenke? und dann ernſthaft: ob er gar kein
eignes Vermoͤgen beſizze? Sorgfaͤltig hatte R.
bisher ſeinen ſo ſchaͤndlich erworbnen Schaz
verborgen. Auch jezt geſtand er nur einen
Theil deſſelben. „Fuͤnfhundert Dukaten, ſagt'
er, beſizze er baar; noch tauſend koͤnne er in ſei-
ner Heimath heben, wann und wie er wolle.“
Der Alte hatte ſich wenig, oder gar nichts ver-
muthet. Mit treuherzigem Tone ſchmaͤlte
er: daß R. jene Summe, die er vorwieß, ſo
lange ungenuͤzt bei ſich fuͤhre; glaubt' ihm
das Uebrige aufs Wort; bot ihm foͤrmlich die
Hand ſeiner Tochter und den Eintritt in ſeine
Handlung an. Freudig grif R. nach dieſem
Erbieten. Noch den Abend war Verlobung;
vier Wochen drauf Hochzeit.

Ueber drei Jahre lebte R. in dieſer Ehe;
zwei Kinder wurden ihm geboren. Ein eig-
nes Haus erkauft' er ſich. Seine Frau fuhr
fort, ihn zu lieben; bei ſeinen Mitbuͤrgern
ſtand er in Achtung; nicht ein Schatten von
Verdacht traf ſeinen moraliſchen Werth. Er
ſchien gluͤcklich. Eine gewiße duͤſtre Laune,

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[283/0291] gedenke? und dann ernſthaft: ob er gar kein eignes Vermoͤgen beſizze? Sorgfaͤltig hatte R. bisher ſeinen ſo ſchaͤndlich erworbnen Schaz verborgen. Auch jezt geſtand er nur einen Theil deſſelben. „Fuͤnfhundert Dukaten, ſagt' er, beſizze er baar; noch tauſend koͤnne er in ſei- ner Heimath heben, wann und wie er wolle.“ Der Alte hatte ſich wenig, oder gar nichts ver- muthet. Mit treuherzigem Tone ſchmaͤlte er: daß R. jene Summe, die er vorwieß, ſo lange ungenuͤzt bei ſich fuͤhre; glaubt' ihm das Uebrige aufs Wort; bot ihm foͤrmlich die Hand ſeiner Tochter und den Eintritt in ſeine Handlung an. Freudig grif R. nach dieſem Erbieten. Noch den Abend war Verlobung; vier Wochen drauf Hochzeit. Ueber drei Jahre lebte R. in dieſer Ehe; zwei Kinder wurden ihm geboren. Ein eig- nes Haus erkauft' er ſich. Seine Frau fuhr fort, ihn zu lieben; bei ſeinen Mitbuͤrgern ſtand er in Achtung; nicht ein Schatten von Verdacht traf ſeinen moraliſchen Werth. Er ſchien gluͤcklich. Eine gewiße duͤſtre Laune,

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Zitationshilfe: Meißner, August Gottlieb: Kriminal Geschichten. Wien, 1796, S. 283. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meissner_krimi_1796/291>, abgerufen am 12.05.2024.