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Meißner, August Gottlieb: Kriminal Geschichten. Wien, 1796.

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sie auch jezt ihrem Bräutigam mit bloßem Haa-
re um so lieber sich zeigte. Wenigstens nahm er
es dafür; und erbot sich ihr beim Frisiren zu
helfen; sehr gern war sie es zufrieden. Jndem
er ihr Haar flocht, schlang er es unbemerkt
um seine linke Hand. Rasch zog er das tödt-
liche Werkzeug aus der Tasche; noch rascher
riß er ihr Haupt rückwärts. Mit einem ein-
zigen starken Zuge jenes scharfen Messers war
die Gurgel ihr durchschnitten; röchelnd sank
sie in ihrem Blute nieder. Bei dieser dreifach
schändlichen That war das Einzige minder
schändliche: daß die Unglückliche von der Welt
kam -- sie wußte und fühlte selbst kaum:
wie? Mit ihren Schlüsseln öfnete er dann
den Schrank. Das bewußte Fach ward bald
gefunden und geleert. Auch jenes gepriesne
Päcktchen von Dokumenten steckt' er, gleichsam
zum Ueberflus, mit ein. Alles übrige ver-
schmähte er. Kaum zehn Minuten beschäftigte
ihn dieses Bubenstück. Sorgfältig verschloß er
dann Zimmer- und Saalthüren. Jn seiner

ſie auch jezt ihrem Braͤutigam mit bloßem Haa-
re um ſo lieber ſich zeigte. Wenigſtens nahm er
es dafuͤr; und erbot ſich ihr beim Friſiren zu
helfen; ſehr gern war ſie es zufrieden. Jndem
er ihr Haar flocht, ſchlang er es unbemerkt
um ſeine linke Hand. Raſch zog er das toͤdt-
liche Werkzeug aus der Taſche; noch raſcher
riß er ihr Haupt ruͤckwaͤrts. Mit einem ein-
zigen ſtarken Zuge jenes ſcharfen Meſſers war
die Gurgel ihr durchſchnitten; roͤchelnd ſank
ſie in ihrem Blute nieder. Bei dieſer dreifach
ſchaͤndlichen That war das Einzige minder
ſchaͤndliche: daß die Ungluͤckliche von der Welt
kam — ſie wußte und fuͤhlte ſelbſt kaum:
wie? Mit ihren Schluͤſſeln oͤfnete er dann
den Schrank. Das bewußte Fach ward bald
gefunden und geleert. Auch jenes geprieſne
Paͤcktchen von Dokumenten ſteckt' er, gleichſam
zum Ueberflus, mit ein. Alles uͤbrige ver-
ſchmaͤhte er. Kaum zehn Minuten beſchaͤftigte
ihn dieſes Bubenſtuͤck. Sorgfaͤltig verſchloß er
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[274/0282] ſie auch jezt ihrem Braͤutigam mit bloßem Haa- re um ſo lieber ſich zeigte. Wenigſtens nahm er es dafuͤr; und erbot ſich ihr beim Friſiren zu helfen; ſehr gern war ſie es zufrieden. Jndem er ihr Haar flocht, ſchlang er es unbemerkt um ſeine linke Hand. Raſch zog er das toͤdt- liche Werkzeug aus der Taſche; noch raſcher riß er ihr Haupt ruͤckwaͤrts. Mit einem ein- zigen ſtarken Zuge jenes ſcharfen Meſſers war die Gurgel ihr durchſchnitten; roͤchelnd ſank ſie in ihrem Blute nieder. Bei dieſer dreifach ſchaͤndlichen That war das Einzige minder ſchaͤndliche: daß die Ungluͤckliche von der Welt kam — ſie wußte und fuͤhlte ſelbſt kaum: wie? Mit ihren Schluͤſſeln oͤfnete er dann den Schrank. Das bewußte Fach ward bald gefunden und geleert. Auch jenes geprieſne Paͤcktchen von Dokumenten ſteckt' er, gleichſam zum Ueberflus, mit ein. Alles uͤbrige ver- ſchmaͤhte er. Kaum zehn Minuten beſchaͤftigte ihn dieſes Bubenſtuͤck. Sorgfaͤltig verſchloß er dann Zimmer- und Saalthuͤren. Jn ſeiner

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Zitationshilfe: Meißner, August Gottlieb: Kriminal Geschichten. Wien, 1796, S. 274. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meissner_krimi_1796/282>, abgerufen am 12.05.2024.