Schmuck und überreichlichen Nothpfennig in der Nähe. Gedanken, die er noch nie gehegt, Entwürfe, deren dunkles Gewühl er nicht sogleich zu ordnen vermochte, Empfindungen, wofür er keinen Namen hatte, -- alles dräng- te sich auf einmal empor. Noch mancherlei schwazte und fragte seine Verlobte; er hatte fast kein Ohr, und noch weit minder eine pas- sende Antwort dafür. Unterm Vorwand dringender Geschäfte eilte er bald wieder nach Hause.
Doch auch hier schien ihm, wo er ging und stand, eine Stimme zuzurufen: Bemächtige dich dieser Summe! Er wolte sie nicht hören; wolte sich zerstreuen, wolte arbeiten. Um- sonst! Jene Stimme blieb; sein Verlangen ward immer stärker; nur alzubald hielt er es für unwiderstehlich; und von diesem Augen- blick an reichte gleichsam ein böser Gedanke dem andern hülfliche Hand. -- Unbemerkt diesen Schaz zu entwenden, war allerdings R's erster Wunsch. Selbst ihr Geständnis:
Schmuck und uͤberreichlichen Nothpfennig in der Naͤhe. Gedanken, die er noch nie gehegt, Entwuͤrfe, deren dunkles Gewuͤhl er nicht ſogleich zu ordnen vermochte, Empfindungen, wofuͤr er keinen Namen hatte, — alles draͤng- te ſich auf einmal empor. Noch mancherlei ſchwazte und fragte ſeine Verlobte; er hatte faſt kein Ohr, und noch weit minder eine paſ- ſende Antwort dafuͤr. Unterm Vorwand dringender Geſchaͤfte eilte er bald wieder nach Hauſe.
Doch auch hier ſchien ihm, wo er ging und ſtand, eine Stimme zuzurufen: Bemaͤchtige dich dieſer Summe! Er wolte ſie nicht hoͤren; wolte ſich zerſtreuen, wolte arbeiten. Um- ſonſt! Jene Stimme blieb; ſein Verlangen ward immer ſtaͤrker; nur alzubald hielt er es fuͤr unwiderſtehlich; und von dieſem Augen- blick an reichte gleichſam ein boͤſer Gedanke dem andern huͤlfliche Hand. — Unbemerkt dieſen Schaz zu entwenden, war allerdings R's erſter Wunſch. Selbſt ihr Geſtaͤndnis:
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Schmuck und uͤberreichlichen Nothpfennig in
der Naͤhe. Gedanken, die er noch nie gehegt,
Entwuͤrfe, deren dunkles Gewuͤhl er nicht
ſogleich zu ordnen vermochte, Empfindungen,
wofuͤr er keinen Namen hatte, — alles draͤng-
te ſich auf einmal empor. Noch mancherlei
ſchwazte und fragte ſeine Verlobte; er hatte
faſt kein Ohr, und noch weit minder eine paſ-
ſende Antwort dafuͤr. Unterm Vorwand
dringender Geſchaͤfte eilte er bald wieder nach
Hauſe.
Doch auch hier ſchien ihm, wo er ging und
ſtand, eine Stimme zuzurufen: Bemaͤchtige
dich dieſer Summe! Er wolte ſie nicht hoͤren;
wolte ſich zerſtreuen, wolte arbeiten. Um-
ſonſt! Jene Stimme blieb; ſein Verlangen
ward immer ſtaͤrker; nur alzubald hielt er es
fuͤr unwiderſtehlich; und von dieſem Augen-
blick an reichte gleichſam ein boͤſer Gedanke
dem andern huͤlfliche Hand. — Unbemerkt
dieſen Schaz zu entwenden, war allerdings
R's erſter Wunſch. Selbſt ihr Geſtaͤndnis:
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Meißner, August Gottlieb: Kriminal Geschichten. Wien, 1796, S. 269. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meissner_krimi_1796/277>, abgerufen am 23.11.2024.
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