Ausflug nicht, -- wenigstens nicht gleich an- fangs, wagen. Ein Zufall erleichterte ihm den ersten Punkt. Vor wenig Monaten erst war in seiner Handlung ein Diener gestorben, Leh- man mit Namen, ein Schlesier von Geburt, mit ihm fast eines Alters. Unter andern Pa- pieren war auch sein Lehrbrief, von Breslau ausgestelt, anfangs in des ältern, dann in des jüngern R. Hände gerathen; war auf- bewahrt worden, sie wußten selbst nicht: warum? Jhn jezt in der Fremde, als den seinigen zu nüzzen, seinen Namen mit Leh- mans Namen zu vertauschen, fiel gar bald ihm ein. Sich durch Eintreibung alter Rech- nungen etwas Geld zu verschaffen war sein zweiter Plan. Er schickte herum, wo er kon- te; kleinere Posten gingen ein; nur noch auf ein paar größere wartete er ängstlich. Dann wolt' er schnell verschwinden, seinen Gläubi- gern die Handlung, seiner Braut das leere Nachsehn lassen. -- Schon mischte sich viel Un- redlichkeit in diesemVorsaz; aber noch ließ er sich
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Ausflug nicht, — wenigſtens nicht gleich an- fangs, wagen. Ein Zufall erleichterte ihm den erſten Punkt. Vor wenig Monaten erſt war in ſeiner Handlung ein Diener geſtorben, Leh- man mit Namen, ein Schleſier von Geburt, mit ihm faſt eines Alters. Unter andern Pa- pieren war auch ſein Lehrbrief, von Breslau ausgeſtelt, anfangs in des aͤltern, dann in des juͤngern R. Haͤnde gerathen; war auf- bewahrt worden, ſie wußten ſelbſt nicht: warum? Jhn jezt in der Fremde, als den ſeinigen zu nuͤzzen, ſeinen Namen mit Leh- mans Namen zu vertauſchen, fiel gar bald ihm ein. Sich durch Eintreibung alter Rech- nungen etwas Geld zu verſchaffen war ſein zweiter Plan. Er ſchickte herum, wo er kon- te; kleinere Poſten gingen ein; nur noch auf ein paar groͤßere wartete er aͤngſtlich. Dann wolt' er ſchnell verſchwinden, ſeinen Glaͤubi- gern die Handlung, ſeiner Braut das leere Nachſehn laſſen. — Schon miſchte ſich viel Un- redlichkeit in dieſemVorſaz; aber noch ließ er ſich
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Ausflug nicht, — wenigſtens nicht gleich an-
fangs, wagen. Ein Zufall erleichterte ihm den
erſten Punkt. Vor wenig Monaten erſt war
in ſeiner Handlung ein Diener geſtorben, Leh-
man mit Namen, ein Schleſier von Geburt,
mit ihm faſt eines Alters. Unter andern Pa-
pieren war auch ſein Lehrbrief, von Breslau
ausgeſtelt, anfangs in des aͤltern, dann in
des juͤngern R. Haͤnde gerathen; war auf-
bewahrt worden, ſie wußten ſelbſt nicht:
warum? Jhn jezt in der Fremde, als den
ſeinigen zu nuͤzzen, ſeinen Namen mit Leh-
mans Namen zu vertauſchen, fiel gar bald
ihm ein. Sich durch Eintreibung alter Rech-
nungen etwas Geld zu verſchaffen war ſein
zweiter Plan. Er ſchickte herum, wo er kon-
te; kleinere Poſten gingen ein; nur noch auf
ein paar groͤßere wartete er aͤngſtlich. Dann
wolt' er ſchnell verſchwinden, ſeinen Glaͤubi-
gern die Handlung, ſeiner Braut das leere
Nachſehn laſſen. — Schon miſchte ſich viel Un-
redlichkeit in dieſemVorſaz; aber noch ließ er ſich
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Meißner, August Gottlieb: Kriminal Geschichten. Wien, 1796, S. 265. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meissner_krimi_1796/273>, abgerufen am 23.11.2024.
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