sie herkam, verkauft hatte. Bei diesem An- blick stuzte sie. Unterm Vorwand, troz jenes Empfangs, ihre Waare noch einmal zu em- pfehlen, trat sie ein paar Schritt näher; sah genauer auf diesen Stuhl, und ward immer überzeugter: es waren eben dieselben! Der Mann befohl ihr abermals sich zu packen; Sie that es.
Jm Heruntergehn erkundigte sie sich bei ei- nem Kellner: Wer der Herr sei, der Numer fünfe wohne? -- "Ein Fremder, der gestern aus Steiermark angekommen!" -- Mit viel Gepäck? -- "Nein, ohne Bedienten; mit ein paar Mantelsäcken." -- Dies gab keinen Aufschlus, weder für noch darwider. Aber ein gewißer inrer Trieb ward immer stärker in ihr. -- Sie ging grade zur Polizei und zeig- te an: "Jener ausgestelte Erschlagne habe "vor einigen Wochen in dem oftbenannten Gast- "hofe gewohnt, und ein paar Strumpfbän- "der ihr abgekauft. Jezt liege in eben dem "Zimmer, eben dem Bette, ein Mensch mit "höchst verdächtigem Gesichte, und neben ihm
ſie herkam, verkauft hatte. Bei dieſem An- blick ſtuzte ſie. Unterm Vorwand, troz jenes Empfangs, ihre Waare noch einmal zu em- pfehlen, trat ſie ein paar Schritt naͤher; ſah genauer auf dieſen Stuhl, und ward immer uͤberzeugter: es waren eben dieſelben! Der Mann befohl ihr abermals ſich zu packen; Sie that es.
Jm Heruntergehn erkundigte ſie ſich bei ei- nem Kellner: Wer der Herr ſei, der Numer fuͤnfe wohne? — „Ein Fremder, der geſtern aus Steiermark angekommen!“ — Mit viel Gepaͤck? — „Nein, ohne Bedienten; mit ein paar Mantelſaͤcken.“ — Dies gab keinen Aufſchlus, weder fuͤr noch darwider. Aber ein gewißer inrer Trieb ward immer ſtaͤrker in ihr. — Sie ging grade zur Polizei und zeig- te an: „Jener ausgeſtelte Erſchlagne habe „vor einigen Wochen in dem oftbenannten Gaſt- „hofe gewohnt, und ein paar Strumpfbaͤn- „der ihr abgekauft. Jezt liege in eben dem „Zimmer, eben dem Bette, ein Menſch mit „hoͤchſt verdaͤchtigem Geſichte, und neben ihm
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ſie herkam, verkauft hatte. Bei dieſem An-
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Empfangs, ihre Waare noch einmal zu em-
pfehlen, trat ſie ein paar Schritt naͤher; ſah
genauer auf dieſen Stuhl, und ward immer
uͤberzeugter: es waren eben dieſelben! Der
Mann befohl ihr abermals ſich zu packen;
Sie that es.
Jm Heruntergehn erkundigte ſie ſich bei ei-
nem Kellner: Wer der Herr ſei, der Numer
fuͤnfe wohne? — „Ein Fremder, der geſtern
aus Steiermark angekommen!“ — Mit viel
Gepaͤck? — „Nein, ohne Bedienten; mit
ein paar Mantelſaͤcken.“ — Dies gab keinen
Aufſchlus, weder fuͤr noch darwider. Aber
ein gewißer inrer Trieb ward immer ſtaͤrker in
ihr. — Sie ging grade zur Polizei und zeig-
te an: „Jener ausgeſtelte Erſchlagne habe
„vor einigen Wochen in dem oftbenannten Gaſt-
„hofe gewohnt, und ein paar Strumpfbaͤn-
„der ihr abgekauft. Jezt liege in eben dem
„Zimmer, eben dem Bette, ein Menſch mit
„hoͤchſt verdaͤchtigem Geſichte, und neben ihm
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Meißner, August Gottlieb: Kriminal Geschichten. Wien, 1796, S. 250. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meissner_krimi_1796/258>, abgerufen am 23.11.2024.
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