suchte aber übrigens, entweder aus Mangel an Empfehlungsbriefen, oder aus eigner Schüch- ternheit, keinen Eintritt in Familien; so leicht sich solche in dem gastfreien Wien Fremden öf- nen! Als er endlich wieder wegreisen wolte, hatte er den unglücklichen Einfall in einem Zeitungsblatt anzeigen zu lassen: "Ein ein- zelner Mann suche einen Reisegefährten nach Triest oder "Venedig!" war recht froh, als sich zwei Tage drauf ein andrer Fremder, dem Vorgeben nach ein Schlesier, zur Geselschaft ihm antrug; und machte sich des andern Mit- tags -- früher hatte der Schlesier nicht aufbre- chen wollen! -- in einer leichten Postchaise auf den Weg.
Auf welchem er leider nicht weit kam! Die- ser angebliche Reisegefährte war nichts mehr und nichts minder, als ein Taugenichts, der in Geselschaft mit mehrern, die ihm glichen, bald den falschen Spieler, bald den Beutel- schneider gemacht, von unserm Fremden, den
Q 3
ſuchte aber uͤbrigens, entweder aus Mangel an Empfehlungsbriefen, oder aus eigner Schuͤch- ternheit, keinen Eintritt in Familien; ſo leicht ſich ſolche in dem gaſtfreien Wien Fremden oͤf- nen! Als er endlich wieder wegreiſen wolte, hatte er den ungluͤcklichen Einfall in einem Zeitungsblatt anzeigen zu laſſen: „Ein ein- zelner Mann ſuche einen Reiſegefaͤhrten nach Trieſt oder „Venedig!“ war recht froh, als ſich zwei Tage drauf ein andrer Fremder, dem Vorgeben nach ein Schleſier, zur Geſelſchaft ihm antrug; und machte ſich des andern Mit- tags — fruͤher hatte der Schleſier nicht aufbre- chen wollen! — in einer leichten Poſtchaiſe auf den Weg.
Auf welchem er leider nicht weit kam! Die- ſer angebliche Reiſegefaͤhrte war nichts mehr und nichts minder, als ein Taugenichts, der in Geſelſchaft mit mehrern, die ihm glichen, bald den falſchen Spieler, bald den Beutel- ſchneider gemacht, von unſerm Fremden, den
Q 3
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0253"n="245"/>ſuchte aber uͤbrigens, entweder aus Mangel an<lb/>
Empfehlungsbriefen, oder aus eigner Schuͤch-<lb/>
ternheit, keinen Eintritt in Familien; ſo leicht<lb/>ſich ſolche in dem gaſtfreien Wien Fremden oͤf-<lb/>
nen! Als er endlich wieder wegreiſen wolte,<lb/>
hatte er den ungluͤcklichen Einfall in einem<lb/>
Zeitungsblatt anzeigen zu laſſen: „Ein ein-<lb/>
zelner Mann ſuche einen Reiſegefaͤhrten nach<lb/>
Trieſt oder „Venedig!“ war recht froh, als<lb/>ſich zwei Tage drauf ein andrer Fremder, dem<lb/>
Vorgeben nach ein Schleſier, zur Geſelſchaft<lb/>
ihm antrug; und machte ſich des andern Mit-<lb/>
tags — fruͤher hatte der Schleſier nicht aufbre-<lb/>
chen wollen! — in einer leichten Poſtchaiſe auf<lb/>
den Weg.</p><lb/><p>Auf welchem er leider nicht weit kam! Die-<lb/>ſer angebliche Reiſegefaͤhrte war nichts mehr<lb/>
und nichts minder, als ein Taugenichts, der<lb/>
in Geſelſchaft mit mehrern, die ihm glichen,<lb/>
bald den falſchen Spieler, bald den Beutel-<lb/>ſchneider gemacht, von unſerm Fremden, den<lb/><fwplace="bottom"type="sig">Q 3</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[245/0253]
ſuchte aber uͤbrigens, entweder aus Mangel an
Empfehlungsbriefen, oder aus eigner Schuͤch-
ternheit, keinen Eintritt in Familien; ſo leicht
ſich ſolche in dem gaſtfreien Wien Fremden oͤf-
nen! Als er endlich wieder wegreiſen wolte,
hatte er den ungluͤcklichen Einfall in einem
Zeitungsblatt anzeigen zu laſſen: „Ein ein-
zelner Mann ſuche einen Reiſegefaͤhrten nach
Trieſt oder „Venedig!“ war recht froh, als
ſich zwei Tage drauf ein andrer Fremder, dem
Vorgeben nach ein Schleſier, zur Geſelſchaft
ihm antrug; und machte ſich des andern Mit-
tags — fruͤher hatte der Schleſier nicht aufbre-
chen wollen! — in einer leichten Poſtchaiſe auf
den Weg.
Auf welchem er leider nicht weit kam! Die-
ſer angebliche Reiſegefaͤhrte war nichts mehr
und nichts minder, als ein Taugenichts, der
in Geſelſchaft mit mehrern, die ihm glichen,
bald den falſchen Spieler, bald den Beutel-
ſchneider gemacht, von unſerm Fremden, den
Q 3
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Meißner, August Gottlieb: Kriminal Geschichten. Wien, 1796, S. 245. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meissner_krimi_1796/253>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.