Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Meißner, August Gottlieb: Kriminal Geschichten. Wien, 1796.

Bild:
<< vorherige Seite

Schlage*) war, endlich dahin, daß sie sich
wieder etwas von ihm vorerzälen ließ; daß
sie bald darauf abermals seine Briefe, und
zulezt gar seine Besuche annahm.

Als sie einst so beisammen in Gesprächen
der Liebe, und zwar wirklich unschuldigen Ge-
sprächen sassen, trat die Alte bestürzt herein,
und meldete die Ankunft des verreist gewesenen
Vaters. Jn dieser Angst war kein anderer
Rath, als den Geliebten schnell ins Bette zu
verbergen, und ihn mit einer Menge Feder-
kissen aufs beste zuzudecken. So empfing man

*) Man pflegt den Russinen schon als Kin-
dern in der Wiege eine Aufwärterinn zu ge-
ben, die nachher durch ihr ganzes Leben bei
ihnen bleibt, und mir viel Aehnlichkeit mit
jenen Ammen der Alten zu haben scheinen,
die wir im Homer, Terenz, und andern Or-
ten treffen, und die gewöhnlich ihrer Säug-
töchter Freundinnen bis zur Mannbarkeit
und selbst bis in ihr Alter blieben.

Schlage*) war, endlich dahin, daß ſie ſich
wieder etwas von ihm vorerzaͤlen ließ; daß
ſie bald darauf abermals ſeine Briefe, und
zulezt gar ſeine Beſuche annahm.

Als ſie einſt ſo beiſammen in Geſpraͤchen
der Liebe, und zwar wirklich unſchuldigen Ge-
ſpraͤchen ſaſſen, trat die Alte beſtuͤrzt herein,
und meldete die Ankunft des verreiſt geweſenen
Vaters. Jn dieſer Angſt war kein anderer
Rath, als den Geliebten ſchnell ins Bette zu
verbergen, und ihn mit einer Menge Feder-
kiſſen aufs beſte zuzudecken. So empfing man

*) Man pflegt den Ruſſinen ſchon als Kin-
dern in der Wiege eine Aufwärterinn zu ge-
ben, die nachher durch ihr ganzes Leben bei
ihnen bleibt, und mir viel Aehnlichkeit mit
jenen Ammen der Alten zu haben ſcheinen,
die wir im Homer, Terenz, und andern Or-
ten treffen, und die gewöhnlich ihrer Säug-
töchter Freundinnen bis zur Mannbarkeit
und ſelbſt bis in ihr Alter blieben.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0019" n="11"/>
Schlage<note place="foot" n="*)">Man pflegt den Ru&#x017F;&#x017F;inen &#x017F;chon als Kin-<lb/>
dern in der Wiege eine Aufwärterinn zu ge-<lb/>
ben, die nachher durch ihr ganzes Leben bei<lb/>
ihnen bleibt, und mir viel Aehnlichkeit mit<lb/>
jenen <hi rendition="#g">Ammen</hi> der Alten zu haben &#x017F;cheinen,<lb/>
die wir im Homer, Terenz, und andern Or-<lb/>
ten treffen, und die gewöhnlich ihrer Säug-<lb/>
töchter Freundinnen bis zur Mannbarkeit<lb/>
und &#x017F;elb&#x017F;t bis in ihr Alter blieben.</note> war, endlich dahin, daß &#x017F;ie &#x017F;ich<lb/>
wieder etwas von ihm vorerza&#x0364;len ließ; daß<lb/>
&#x017F;ie bald darauf abermals &#x017F;eine Briefe, und<lb/>
zulezt gar &#x017F;eine Be&#x017F;uche annahm.</p><lb/>
          <p>Als &#x017F;ie ein&#x017F;t &#x017F;o bei&#x017F;ammen in Ge&#x017F;pra&#x0364;chen<lb/>
der Liebe, und zwar wirklich un&#x017F;chuldigen Ge-<lb/>
&#x017F;pra&#x0364;chen &#x017F;a&#x017F;&#x017F;en, trat die Alte be&#x017F;tu&#x0364;rzt herein,<lb/>
und meldete die Ankunft des verrei&#x017F;t gewe&#x017F;enen<lb/>
Vaters. Jn die&#x017F;er Ang&#x017F;t war kein anderer<lb/>
Rath, als den Geliebten &#x017F;chnell ins Bette zu<lb/>
verbergen, und ihn mit einer Menge Feder-<lb/>
ki&#x017F;&#x017F;en aufs be&#x017F;te zuzudecken. So empfing man<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[11/0019] Schlage *) war, endlich dahin, daß ſie ſich wieder etwas von ihm vorerzaͤlen ließ; daß ſie bald darauf abermals ſeine Briefe, und zulezt gar ſeine Beſuche annahm. Als ſie einſt ſo beiſammen in Geſpraͤchen der Liebe, und zwar wirklich unſchuldigen Ge- ſpraͤchen ſaſſen, trat die Alte beſtuͤrzt herein, und meldete die Ankunft des verreiſt geweſenen Vaters. Jn dieſer Angſt war kein anderer Rath, als den Geliebten ſchnell ins Bette zu verbergen, und ihn mit einer Menge Feder- kiſſen aufs beſte zuzudecken. So empfing man *) Man pflegt den Ruſſinen ſchon als Kin- dern in der Wiege eine Aufwärterinn zu ge- ben, die nachher durch ihr ganzes Leben bei ihnen bleibt, und mir viel Aehnlichkeit mit jenen Ammen der Alten zu haben ſcheinen, die wir im Homer, Terenz, und andern Or- ten treffen, und die gewöhnlich ihrer Säug- töchter Freundinnen bis zur Mannbarkeit und ſelbſt bis in ihr Alter blieben.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/meissner_krimi_1796
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/meissner_krimi_1796/19
Zitationshilfe: Meißner, August Gottlieb: Kriminal Geschichten. Wien, 1796, S. 11. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meissner_krimi_1796/19>, abgerufen am 28.03.2024.