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Meißner, August Gottlieb: Kriminal Geschichten. Wien, 1796.

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wären darüber einig geworden, sich sofort zu
zerstreuen, sobald einer von ihnen, zumal ihr
Oberhaupt, eingezogen werde. -- Daß man
ihm dies nicht glauben wollte, war sehr natür-
lich. "Wohlan," sagte er, als man einst
scharf in ihn drang; "eines Namen und Woh-
"nung kenne ich allerdings; und glaube auch,
"daß man seiner habhaft werden dürfte. Die-
"ser war in allen meinen Räubereien mein
"treuster Genosse; war, so einfältig er sich
"stellt, schlauer als ich; und kann allerdings
"noch mehr gestehn, als ich selbst." -- Man
fragte nach dem Namen; und er nannte --
sollte man es glauben? -- jenen armen
Leinweber.

Daß derselbe, auf diese Angabe, sofort
geholt und hingesezt ward, erräth man leicht.
Aber keine Zunge erzält, und keine Feder be-
schreibt das Schrecken, das der Unglückliche
dabei empfand. Schon lange vorher, als er
des Hundssattlers erste Verhaftung hörte,
hatte er heimlich gefürchtet, in sein Schicksal

waͤren daruͤber einig geworden, ſich ſofort zu
zerſtreuen, ſobald einer von ihnen, zumal ihr
Oberhaupt, eingezogen werde. — Daß man
ihm dies nicht glauben wollte, war ſehr natuͤr-
lich. „Wohlan,“ ſagte er, als man einſt
ſcharf in ihn drang; „eines Namen und Woh-
„nung kenne ich allerdings; und glaube auch,
„daß man ſeiner habhaft werden duͤrfte. Die-
„ſer war in allen meinen Raͤubereien mein
„treuſter Genoſſe; war, ſo einfaͤltig er ſich
„ſtellt, ſchlauer als ich; und kann allerdings
„noch mehr geſtehn, als ich ſelbſt.“ — Man
fragte nach dem Namen; und er nannte —
ſollte man es glauben? — jenen armen
Leinweber.

Daß derſelbe, auf dieſe Angabe, ſofort
geholt und hingeſezt ward, erraͤth man leicht.
Aber keine Zunge erzaͤlt, und keine Feder be-
ſchreibt das Schrecken, das der Ungluͤckliche
dabei empfand. Schon lange vorher, als er
des Hundsſattlers erſte Verhaftung hoͤrte,
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[164/0172] waͤren daruͤber einig geworden, ſich ſofort zu zerſtreuen, ſobald einer von ihnen, zumal ihr Oberhaupt, eingezogen werde. — Daß man ihm dies nicht glauben wollte, war ſehr natuͤr- lich. „Wohlan,“ ſagte er, als man einſt ſcharf in ihn drang; „eines Namen und Woh- „nung kenne ich allerdings; und glaube auch, „daß man ſeiner habhaft werden duͤrfte. Die- „ſer war in allen meinen Raͤubereien mein „treuſter Genoſſe; war, ſo einfaͤltig er ſich „ſtellt, ſchlauer als ich; und kann allerdings „noch mehr geſtehn, als ich ſelbſt.“ — Man fragte nach dem Namen; und er nannte — ſollte man es glauben? — jenen armen Leinweber. Daß derſelbe, auf dieſe Angabe, ſofort geholt und hingeſezt ward, erraͤth man leicht. Aber keine Zunge erzaͤlt, und keine Feder be- ſchreibt das Schrecken, das der Ungluͤckliche dabei empfand. Schon lange vorher, als er des Hundsſattlers erſte Verhaftung hoͤrte, hatte er heimlich gefuͤrchtet, in ſein Schickſal

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Zitationshilfe: Meißner, August Gottlieb: Kriminal Geschichten. Wien, 1796, S. 164. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meissner_krimi_1796/172>, abgerufen am 23.11.2024.