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Meißner, August Gottlieb: Kriminal Geschichten. Wien, 1796.

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müsse die ganze Last ihrer Verdammung immer
und ewig auf demjenigen ruhen, der sie zu die-
sem Schritte gedrängt habe."

Diese lezte Drohung erschütterte ihn tief:
er hörte sie so oft und mit so ernstlichem Tone
wiederholt; spürte in seiner Gattin übrigen
Handlungen einen mit jedem Tage so sicht-
lich wachsenden Tiefsinn, daß er an der
Wahrheit ihres Entwurfs nicht zweifeln
konnte, und fühlte daher das Besorgnis
eines traurigen Endes auch täglich bei sich
gemehrt. -- Vorstellungen aus Gründen der
Religion wirken tiefer, als alle irdische; das
ist eine gewöhnliche und auch hier bestärkte
Wahrnehmung. Jhm, der bisher mit ruhi-
ger Gelassenheit sich dem Abgrund der äußer-
sten Dürftigkeit genähert hatte, war der Ge-
danke, Schuld am Verderben einer Seele,
zumal der Seele seiner Frau, zu seyn, -- war
die Vorstellung von der Anklag' in jenem Le-
ben so schrecklich, daß er alles zu thun be-
schloß, um solcher, es sey auf welche Art es

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muͤſſe die ganze Laſt ihrer Verdammung immer
und ewig auf demjenigen ruhen, der ſie zu die-
ſem Schritte gedraͤngt habe.“

Dieſe lezte Drohung erſchuͤtterte ihn tief:
er hoͤrte ſie ſo oft und mit ſo ernſtlichem Tone
wiederholt; ſpuͤrte in ſeiner Gattin uͤbrigen
Handlungen einen mit jedem Tage ſo ſicht-
lich wachſenden Tiefſinn, daß er an der
Wahrheit ihres Entwurfs nicht zweifeln
konnte, und fuͤhlte daher das Beſorgnis
eines traurigen Endes auch taͤglich bei ſich
gemehrt. — Vorſtellungen aus Gruͤnden der
Religion wirken tiefer, als alle irdiſche; das
iſt eine gewoͤhnliche und auch hier beſtaͤrkte
Wahrnehmung. Jhm, der bisher mit ruhi-
ger Gelaſſenheit ſich dem Abgrund der aͤußer-
ſten Duͤrftigkeit genaͤhert hatte, war der Ge-
danke, Schuld am Verderben einer Seele,
zumal der Seele ſeiner Frau, zu ſeyn, — war
die Vorſtellung von der Anklag' in jenem Le-
ben ſo ſchrecklich, daß er alles zu thun be-
ſchloß, um ſolcher, es ſey auf welche Art es

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[3/0011] muͤſſe die ganze Laſt ihrer Verdammung immer und ewig auf demjenigen ruhen, der ſie zu die- ſem Schritte gedraͤngt habe.“ Dieſe lezte Drohung erſchuͤtterte ihn tief: er hoͤrte ſie ſo oft und mit ſo ernſtlichem Tone wiederholt; ſpuͤrte in ſeiner Gattin uͤbrigen Handlungen einen mit jedem Tage ſo ſicht- lich wachſenden Tiefſinn, daß er an der Wahrheit ihres Entwurfs nicht zweifeln konnte, und fuͤhlte daher das Beſorgnis eines traurigen Endes auch taͤglich bei ſich gemehrt. — Vorſtellungen aus Gruͤnden der Religion wirken tiefer, als alle irdiſche; das iſt eine gewoͤhnliche und auch hier beſtaͤrkte Wahrnehmung. Jhm, der bisher mit ruhi- ger Gelaſſenheit ſich dem Abgrund der aͤußer- ſten Duͤrftigkeit genaͤhert hatte, war der Ge- danke, Schuld am Verderben einer Seele, zumal der Seele ſeiner Frau, zu ſeyn, — war die Vorſtellung von der Anklag' in jenem Le- ben ſo ſchrecklich, daß er alles zu thun be- ſchloß, um ſolcher, es ſey auf welche Art es A 2

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Zitationshilfe: Meißner, August Gottlieb: Kriminal Geschichten. Wien, 1796, S. 3. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meissner_krimi_1796/11>, abgerufen am 26.04.2024.