Dieser leztere Vorschlag schien freilich dem Dorfrichter etwas bedenklich zu seyn. Da aber nun schon drei Menschen übereinstimten; da man vorzüglich ihm bewieß, daß grade in der Ueberraschung die größte Hofnung von zu entdeckender Wahrheit liege; und da die Wirthin mit aller möglichen Beredsamkeit behauptete: es könne im schlimmsten Fall doch keine übeln Folgen haben, wenn man eine unschuldige Person zu retten, eine schul- dige auszuforschen suche; so gab der Schul- ze endlich nach, holte sofort ein paar Ge- hülfen, und eh eine Viertelstunde verlief, ward jene Magd, eben als sie aufstehn und weiter gehn wollte, verhaftet. Sie erschrack außer- ordentlich; fragte zitternd um die Ursache; und als man ihr ganz kurz zur Antwort gab: Sie mögte sich nur besinnen, was sie vor ei- nigen Monaten angestellt habe! kam eine Ohn- macht ihr nahe. Als man jene Worte endlich ihr vorhielt, wußte sie noch minder eine gehö- rige Erklärung davon zu geben; kurz ehe noch
Dieſer leztere Vorſchlag ſchien freilich dem Dorfrichter etwas bedenklich zu ſeyn. Da aber nun ſchon drei Menſchen uͤbereinſtimten; da man vorzuͤglich ihm bewieß, daß grade in der Ueberraſchung die groͤßte Hofnung von zu entdeckender Wahrheit liege; und da die Wirthin mit aller moͤglichen Beredſamkeit behauptete: es koͤnne im ſchlimmſten Fall doch keine uͤbeln Folgen haben, wenn man eine unſchuldige Perſon zu retten, eine ſchul- dige auszuforſchen ſuche; ſo gab der Schul- ze endlich nach, holte ſofort ein paar Ge- huͤlfen, und eh eine Viertelſtunde verlief, ward jene Magd, eben als ſie aufſtehn und weiter gehn wollte, verhaftet. Sie erſchrack außer- ordentlich; fragte zitternd um die Urſache; und als man ihr ganz kurz zur Antwort gab: Sie moͤgte ſich nur beſinnen, was ſie vor ei- nigen Monaten angeſtellt habe! kam eine Ohn- macht ihr nahe. Als man jene Worte endlich ihr vorhielt, wußte ſie noch minder eine gehoͤ- rige Erklaͤrung davon zu geben; kurz ehe noch
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Dieſer leztere Vorſchlag ſchien freilich dem
Dorfrichter etwas bedenklich zu ſeyn. Da
aber nun ſchon drei Menſchen uͤbereinſtimten;
da man vorzuͤglich ihm bewieß, daß grade in
der Ueberraſchung die groͤßte Hofnung von
zu entdeckender Wahrheit liege; und da die
Wirthin mit aller moͤglichen Beredſamkeit
behauptete: es koͤnne im ſchlimmſten Fall
doch keine uͤbeln Folgen haben, wenn man
eine unſchuldige Perſon zu retten, eine ſchul-
dige auszuforſchen ſuche; ſo gab der Schul-
ze endlich nach, holte ſofort ein paar Ge-
huͤlfen, und eh eine Viertelſtunde verlief, ward
jene Magd, eben als ſie aufſtehn und weiter
gehn wollte, verhaftet. Sie erſchrack außer-
ordentlich; fragte zitternd um die Urſache;
und als man ihr ganz kurz zur Antwort gab:
Sie moͤgte ſich nur beſinnen, was ſie vor ei-
nigen Monaten angeſtellt habe! kam eine Ohn-
macht ihr nahe. Als man jene Worte endlich
ihr vorhielt, wußte ſie noch minder eine gehoͤ-
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Meißner, August Gottlieb: Kriminal Geschichten. Wien, 1796, S. 96. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meissner_krimi_1796/104>, abgerufen am 05.05.2024.
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