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Meisel-Heß, Grete: Weiberhaß und Weiberverachtung. Eine Erwiderung auf die in Dr. Otto Weiningers Buche »Geschlecht und Charakter« geäußerten Anschauungen über »Die Frau und ihre Frage«. Wien, 1904.

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Geschlechtes gegenüber dem anderen Geschlechte überhaupt
nicht in Frage. Es gibt Frauen genug, die überhaupt keinen
Beruf ausüben, die vielleicht gar keine besonderen Talente
haben, und die durch ihr bloßes Dasein ihre ganze Umgebung
erheben und beglücken. (Sein und Wesen entstammen
nicht umsonst sprachlich derselben Wurzel.) Kein
Geschlecht kann "wertvoller", keines "minderwertiger" sein
als das andere, denn schon durch ihre unersetzliche unentbehrliche
Funktion der gegenseitigen Ergänzung sind beide Geschlechter
für einander gleichwertig.

Eine vergleichende Wertung gibt es nur von Mensch
zu Mensch, von Fall zu Fall, aber nicht zwischen den Typen
Mann und Weib.

Die Schnecke, die hermaphroditisch ist, repräsentiert
schon als einzelnes, ungepaartes Individuum den Typus
Schnecke. Aber erst Mann und Weib zusammen ergeben den
Genus "Mensch". Männerhaß oder Weiberverachtung sind
abnorme Erscheinungen, die ihre Hinfälligkeit im eigensten
Wesen tragen. Der Haß eines Geschlechtes gegen das andere
und seine Herabsetzung und Herabwertung war immer das
Zeichen des Verfalls, der Entartung, der Verwesung - des
einzelnen, wenn vom einzelnen geübt, ganzer Völker, wenn in
Massen um sich greifend. Die sexuellen Perversitäten, die
diese Erscheinungen in unmittelbarem Gefolge hatten, waren
stets der Ruin noch so gesunder Kräfte; Griechen und Römer
waren im Stadium des Verfalls und Niederganges, da die
Knabenliebe bei ihnen Überhand nahm, und der Orient, der das
Weib am tiefsten drückt, ist auch politisch ein lendenlahmer
"kranker Mann".

Hinter uns aber stehen nicht die ersatzbereiten Kräfte
unverbrauchter Völkerstämme, wie die Germanen hinter dem
zugrunde gehenden Altertum. An Spannkraft und Nerven
werden von einem auf die Spitze getriebenen Daseinskampf
so hohe Anforderungen gestellt, daß es Wahnsinn wäre, die

Geschlechtes gegenüber dem anderen Geschlechte überhaupt
nicht in Frage. Es gibt Frauen genug, die überhaupt keinen
Beruf ausüben, die vielleicht gar keine besonderen Talente
haben, und die durch ihr bloßes Dasein ihre ganze Umgebung
erheben und beglücken. (Sein und Wesen entstammen
nicht umsonst sprachlich derselben Wurzel.) Kein
Geschlecht kann »wertvoller«, keines »minderwertiger« sein
als das andere, denn schon durch ihre unersetzliche unentbehrliche
Funktion der gegenseitigen Ergänzung sind beide Geschlechter
für einander gleichwertig.

Eine vergleichende Wertung gibt es nur von Mensch
zu Mensch, von Fall zu Fall, aber nicht zwischen den Typen
Mann und Weib.

Die Schnecke, die hermaphroditisch ist, repräsentiert
schon als einzelnes, ungepaartes Individuum den Typus
Schnecke. Aber erst Mann und Weib zusammen ergeben den
Genus »Mensch«. Männerhaß oder Weiberverachtung sind
abnorme Erscheinungen, die ihre Hinfälligkeit im eigensten
Wesen tragen. Der Haß eines Geschlechtes gegen das andere
und seine Herabsetzung und Herabwertung war immer das
Zeichen des Verfalls, der Entartung, der Verwesung – des
einzelnen, wenn vom einzelnen geübt, ganzer Völker, wenn in
Massen um sich greifend. Die sexuellen Perversitäten, die
diese Erscheinungen in unmittelbarem Gefolge hatten, waren
stets der Ruin noch so gesunder Kräfte; Griechen und Römer
waren im Stadium des Verfalls und Niederganges, da die
Knabenliebe bei ihnen Überhand nahm, und der Orient, der das
Weib am tiefsten drückt, ist auch politisch ein lendenlahmer
»kranker Mann«.

Hinter uns aber stehen nicht die ersatzbereiten Kräfte
unverbrauchter Völkerstämme, wie die Germanen hinter dem
zugrunde gehenden Altertum. An Spannkraft und Nerven
werden von einem auf die Spitze getriebenen Daseinskampf
so hohe Anforderungen gestellt, daß es Wahnsinn wäre, die

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[69/0075] Geschlechtes gegenüber dem anderen Geschlechte überhaupt nicht in Frage. Es gibt Frauen genug, die überhaupt keinen Beruf ausüben, die vielleicht gar keine besonderen Talente haben, und die durch ihr bloßes Dasein ihre ganze Umgebung erheben und beglücken. (Sein und Wesen entstammen nicht umsonst sprachlich derselben Wurzel.) Kein Geschlecht kann »wertvoller«, keines »minderwertiger« sein als das andere, denn schon durch ihre unersetzliche unentbehrliche Funktion der gegenseitigen Ergänzung sind beide Geschlechter für einander gleichwertig. Eine vergleichende Wertung gibt es nur von Mensch zu Mensch, von Fall zu Fall, aber nicht zwischen den Typen Mann und Weib. Die Schnecke, die hermaphroditisch ist, repräsentiert schon als einzelnes, ungepaartes Individuum den Typus Schnecke. Aber erst Mann und Weib zusammen ergeben den Genus »Mensch«. Männerhaß oder Weiberverachtung sind abnorme Erscheinungen, die ihre Hinfälligkeit im eigensten Wesen tragen. Der Haß eines Geschlechtes gegen das andere und seine Herabsetzung und Herabwertung war immer das Zeichen des Verfalls, der Entartung, der Verwesung – des einzelnen, wenn vom einzelnen geübt, ganzer Völker, wenn in Massen um sich greifend. Die sexuellen Perversitäten, die diese Erscheinungen in unmittelbarem Gefolge hatten, waren stets der Ruin noch so gesunder Kräfte; Griechen und Römer waren im Stadium des Verfalls und Niederganges, da die Knabenliebe bei ihnen Überhand nahm, und der Orient, der das Weib am tiefsten drückt, ist auch politisch ein lendenlahmer »kranker Mann«. Hinter uns aber stehen nicht die ersatzbereiten Kräfte unverbrauchter Völkerstämme, wie die Germanen hinter dem zugrunde gehenden Altertum. An Spannkraft und Nerven werden von einem auf die Spitze getriebenen Daseinskampf so hohe Anforderungen gestellt, daß es Wahnsinn wäre, die

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Zitationshilfe: Meisel-Heß, Grete: Weiberhaß und Weiberverachtung. Eine Erwiderung auf die in Dr. Otto Weiningers Buche »Geschlecht und Charakter« geäußerten Anschauungen über »Die Frau und ihre Frage«. Wien, 1904, S. 69. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meiselhess_weiberhass_1904/75>, abgerufen am 24.11.2024.