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Meisel-Heß, Grete: Weiberhaß und Weiberverachtung. Eine Erwiderung auf die in Dr. Otto Weiningers Buche »Geschlecht und Charakter« geäußerten Anschauungen über »Die Frau und ihre Frage«. Wien, 1904.

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"Wissenschaft"! Die "unkeuscheste" Wissenschaft ist demnach
die Chemie, der sich "daher" auch so viele Juden zuwenden.
Mit den Juden verfährt er genau so wie mit den Weibern.
Er sagt von ihnen die scheußlichsten, niedrigsten Qualitäten
aus. Stimmt es aber nicht, dann war es eben kein "echter"
Jude. Dem Juden räumt er auch die Möglichkeit ein, sich
vollständig über das Jüdische zu erheben, während er der
Frau die Möglichkeit dieser Erhebung ins Reinmenschliche
abspricht; da er selbst Jude war, schien diese vorsichtige
Klausel geboten. Daß nicht nur "das Jüdische", sondern
auch jedes andere "nur Nationale" abstoßend ist, weil es
immer eine enge Begrenzung des Menschlichen bedeutet,
bleibt natürlich ungesagt. Das Kapitel über das Judentum
enthält übrigens viel des Geistreichen und Tiefen - soweit
es analytisch vorgeht, - und überschnappt sofort ins Groteske,
sowie die eigenen "Folgerungen" einsetzen.

Dieselben Merkmale weisen viele der früheren Kapitel
auf, und aus diesem Grunde werden auch solche Leser,
die mit dem Autor sympathisieren, den Eindruck haben,
daß die einzelnen Kapitel immer groß angelegt und vielversprechend
erscheinen, Tiefen und Höhen verheißend
einsetzen, um dann abzufallen und zu enttäuschen; dort
nämlich, wo die eigenmächtige Synthese beginnt, das eigene
"Aufbauen" nach der oft sehr scharfsinnigen Analyse: da
wird alles merkwürdig flach und oberflächlich und vor allem
unrichtig, blind neben den wirklichen Tatsachen vorbeisausend,
auf ein "gedachtes", vorherkonstruiertes, popanzartiges
"Ziel". Immer wieder verschlingt sich oft Gesagtes
ineinander, bis wieder neue Glieder zappelnd daraus hervorschießen,
um sich wieder zu verschlingen und zu verknäueln.

Überall sieht er "Ideen", "Prinzipe", wurzelhafte Anlagen,
wo es sich meist um historisch Er-Wachsenes handelt; überall
ist die Blindheit für das geschichtliche und wirtschaftliche

»Wissenschaft«! Die »unkeuscheste« Wissenschaft ist demnach
die Chemie, der sich »daher« auch so viele Juden zuwenden.
Mit den Juden verfährt er genau so wie mit den Weibern.
Er sagt von ihnen die scheußlichsten, niedrigsten Qualitäten
aus. Stimmt es aber nicht, dann war es eben kein »echter«
Jude. Dem Juden räumt er auch die Möglichkeit ein, sich
vollständig über das Jüdische zu erheben, während er der
Frau die Möglichkeit dieser Erhebung ins Reinmenschliche
abspricht; da er selbst Jude war, schien diese vorsichtige
Klausel geboten. Daß nicht nur »das Jüdische«, sondern
auch jedes andere »nur Nationale« abstoßend ist, weil es
immer eine enge Begrenzung des Menschlichen bedeutet,
bleibt natürlich ungesagt. Das Kapitel über das Judentum
enthält übrigens viel des Geistreichen und Tiefen – soweit
es analytisch vorgeht, – und überschnappt sofort ins Groteske,
sowie die eigenen »Folgerungen« einsetzen.

Dieselben Merkmale weisen viele der früheren Kapitel
auf, und aus diesem Grunde werden auch solche Leser,
die mit dem Autor sympathisieren, den Eindruck haben,
daß die einzelnen Kapitel immer groß angelegt und vielversprechend
erscheinen, Tiefen und Höhen verheißend
einsetzen, um dann abzufallen und zu enttäuschen; dort
nämlich, wo die eigenmächtige Synthese beginnt, das eigene
»Aufbauen« nach der oft sehr scharfsinnigen Analyse: da
wird alles merkwürdig flach und oberflächlich und vor allem
unrichtig, blind neben den wirklichen Tatsachen vorbeisausend,
auf ein »gedachtes«, vorherkonstruiertes, popanzartiges
»Ziel«. Immer wieder verschlingt sich oft Gesagtes
ineinander, bis wieder neue Glieder zappelnd daraus hervorschießen,
um sich wieder zu verschlingen und zu verknäueln.

Überall sieht er »Ideen«, »Prinzipe«, wurzelhafte Anlagen,
wo es sich meist um historisch Er-Wachsenes handelt; überall
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[53/0059] »Wissenschaft«! Die »unkeuscheste« Wissenschaft ist demnach die Chemie, der sich »daher« auch so viele Juden zuwenden. Mit den Juden verfährt er genau so wie mit den Weibern. Er sagt von ihnen die scheußlichsten, niedrigsten Qualitäten aus. Stimmt es aber nicht, dann war es eben kein »echter« Jude. Dem Juden räumt er auch die Möglichkeit ein, sich vollständig über das Jüdische zu erheben, während er der Frau die Möglichkeit dieser Erhebung ins Reinmenschliche abspricht; da er selbst Jude war, schien diese vorsichtige Klausel geboten. Daß nicht nur »das Jüdische«, sondern auch jedes andere »nur Nationale« abstoßend ist, weil es immer eine enge Begrenzung des Menschlichen bedeutet, bleibt natürlich ungesagt. Das Kapitel über das Judentum enthält übrigens viel des Geistreichen und Tiefen – soweit es analytisch vorgeht, – und überschnappt sofort ins Groteske, sowie die eigenen »Folgerungen« einsetzen. Dieselben Merkmale weisen viele der früheren Kapitel auf, und aus diesem Grunde werden auch solche Leser, die mit dem Autor sympathisieren, den Eindruck haben, daß die einzelnen Kapitel immer groß angelegt und vielversprechend erscheinen, Tiefen und Höhen verheißend einsetzen, um dann abzufallen und zu enttäuschen; dort nämlich, wo die eigenmächtige Synthese beginnt, das eigene »Aufbauen« nach der oft sehr scharfsinnigen Analyse: da wird alles merkwürdig flach und oberflächlich und vor allem unrichtig, blind neben den wirklichen Tatsachen vorbeisausend, auf ein »gedachtes«, vorherkonstruiertes, popanzartiges »Ziel«. Immer wieder verschlingt sich oft Gesagtes ineinander, bis wieder neue Glieder zappelnd daraus hervorschießen, um sich wieder zu verschlingen und zu verknäueln. Überall sieht er »Ideen«, »Prinzipe«, wurzelhafte Anlagen, wo es sich meist um historisch Er-Wachsenes handelt; überall ist die Blindheit für das geschichtliche und wirtschaftliche

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Zitationshilfe: Meisel-Heß, Grete: Weiberhaß und Weiberverachtung. Eine Erwiderung auf die in Dr. Otto Weiningers Buche »Geschlecht und Charakter« geäußerten Anschauungen über »Die Frau und ihre Frage«. Wien, 1904, S. 53. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meiselhess_weiberhass_1904/59>, abgerufen am 22.11.2024.