Meisel-Heß, Grete: Weiberhaß und Weiberverachtung. Eine Erwiderung auf die in Dr. Otto Weiningers Buche »Geschlecht und Charakter« geäußerten Anschauungen über »Die Frau und ihre Frage«. Wien, 1904.Erregung" gerate, gewinne ein solcher Gedanke über einen "Als der Mann sexuell ward, da schuf er das Weib." Aus Wohin eine krankhafte Sucht, Willen und Zweck Erregung« gerate, gewinne ein solcher Gedanke über einen »Als der Mann sexuell ward, da schuf er das Weib.« Aus Wohin eine krankhafte Sucht, Willen und Zweck <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0058" n="52"/> Erregung« gerate, gewinne ein solcher Gedanke über einen<lb/> Mann keine Gewalt, er stehe »außer und über einem solchen<lb/> Erlebnis!« Wirklich?! Die Welt wird einfach auf den Kopf<lb/> gestellt. In Wahrheit bedarf es gar nicht erst einer deutlichen<lb/> Vorstellung jener Vereinigung, um bei M Erregung<lb/> hervorzurufen, bekanntlich genügt dazu schon das Rauschen<lb/> eines seidenen Kleides.<lb/></p> <p>»Als der Mann sexuell ward, da schuf er das Weib.« Aus<lb/> diesem tiefen Grunde ist »das Weib die Schuld des Mannes«;<lb/> die Kuppelei sei da, »weil alle Schuld von selbst sich zu<lb/> vermehren trachtet«. Überall sieht er Zweck und Absicht,<lb/> Schuld und Grund: überall ein »damit«, nirgends ein »daher«<lb/> – außer ein solches, hinter dem wieder eine »Bestimmung«<lb/> steht. Alle seine Argumentationen bezeichnet er kurz und<lb/> bündig als »unwiderleglich«, alle Gegenmeinung als »völlig<lb/> unannehmbar«, jeden, der widerspricht, als »frechen<lb/> Schwätzer«. Basta!<lb/></p> <p>Wohin eine krankhafte Sucht, Willen und Zweck<lb/> hinter alle Erscheinungen zu verpflanzen, führen kann, möge<lb/> ein Satz wie der folgende illustrieren: »Wir erschrecken vor<lb/> dem Gedanken an den Tod, wehren uns gegen ihn, klammern<lb/> uns an das irdische Dasein und beweisen dadurch (!), daß<lb/> wir geboren zu werden <hi rendition="#g">wünschten</hi> als wir geboren wurden,<lb/> indem wir noch immer in dieser Welt geboren zu werden<lb/> verlangen.« (!!!) Ein spekulatives <hi rendition="#g">Zurückgreifen</hi>, das mit<lb/> den abenteuerlich phantastischen Schlüssen mittelalterlicher<lb/> Scholastik viel Ähnlichkeit besitzt, tiefe Verstricktheit in<lb/> buddhistische Vorstellungen und die vollständige Umneblung<lb/> eines ursprünglich kritischen Geistes durch religiös-mystischen<lb/> Wahn, erhellt aus solchen Aussprüchen. Gewisse Experimente<lb/> der Wissenschaft, z. B. die Geschlechtsbildung, erklären<lb/> zu wollen, bezeichnet er, aus derselben mystisch-theosophischen<lb/> Befangenheit, als »ein unkeusches Anpacken<lb/> mysteriöser Vorgänge«. Ein kurioser Standpunkt in der<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [52/0058]
Erregung« gerate, gewinne ein solcher Gedanke über einen
Mann keine Gewalt, er stehe »außer und über einem solchen
Erlebnis!« Wirklich?! Die Welt wird einfach auf den Kopf
gestellt. In Wahrheit bedarf es gar nicht erst einer deutlichen
Vorstellung jener Vereinigung, um bei M Erregung
hervorzurufen, bekanntlich genügt dazu schon das Rauschen
eines seidenen Kleides.
»Als der Mann sexuell ward, da schuf er das Weib.« Aus
diesem tiefen Grunde ist »das Weib die Schuld des Mannes«;
die Kuppelei sei da, »weil alle Schuld von selbst sich zu
vermehren trachtet«. Überall sieht er Zweck und Absicht,
Schuld und Grund: überall ein »damit«, nirgends ein »daher«
– außer ein solches, hinter dem wieder eine »Bestimmung«
steht. Alle seine Argumentationen bezeichnet er kurz und
bündig als »unwiderleglich«, alle Gegenmeinung als »völlig
unannehmbar«, jeden, der widerspricht, als »frechen
Schwätzer«. Basta!
Wohin eine krankhafte Sucht, Willen und Zweck
hinter alle Erscheinungen zu verpflanzen, führen kann, möge
ein Satz wie der folgende illustrieren: »Wir erschrecken vor
dem Gedanken an den Tod, wehren uns gegen ihn, klammern
uns an das irdische Dasein und beweisen dadurch (!), daß
wir geboren zu werden wünschten als wir geboren wurden,
indem wir noch immer in dieser Welt geboren zu werden
verlangen.« (!!!) Ein spekulatives Zurückgreifen, das mit
den abenteuerlich phantastischen Schlüssen mittelalterlicher
Scholastik viel Ähnlichkeit besitzt, tiefe Verstricktheit in
buddhistische Vorstellungen und die vollständige Umneblung
eines ursprünglich kritischen Geistes durch religiös-mystischen
Wahn, erhellt aus solchen Aussprüchen. Gewisse Experimente
der Wissenschaft, z. B. die Geschlechtsbildung, erklären
zu wollen, bezeichnet er, aus derselben mystisch-theosophischen
Befangenheit, als »ein unkeusches Anpacken
mysteriöser Vorgänge«. Ein kurioser Standpunkt in der
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Zitationshilfe: | Meisel-Heß, Grete: Weiberhaß und Weiberverachtung. Eine Erwiderung auf die in Dr. Otto Weiningers Buche »Geschlecht und Charakter« geäußerten Anschauungen über »Die Frau und ihre Frage«. Wien, 1904, S. 52. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meiselhess_weiberhass_1904/58>, abgerufen am 28.07.2024. |