Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Meinhold, Wilhelm: Maria Schweidler die Bernsteinhexe. Berlin, 1843.

Bild:
<< vorherige Seite

solches hörete, entsatzte ich mich, wie billig in meim prie¬
sterlichen Gewissen, und stieg auf das Wagenrad und
bliese ihm ein, daß er umb Gottes willen von dieser
Materia aufhören sölle, dieweil das Volk, wenn es den
Teufel nicht mehr fürchte, auch unsern Herrgott nicht
mehr fürchten würde *).

Solches thät der liebe Junker mir auch alsogleich
zu Gefallen, und fragete nur das Volk noch, ob sie
jetzunder mein Töchterlein ganz für unschuldig hielten.
Und nachdem sie "ja!" gesaget, bate er sie, nunmehro
geruhsam nach Hause zu gehen und Gott zu danken,
daß er unschuldig Blut gerettet. Er wölle jetzo auch
wieder umbkehren und hoffe er, daß Niemand mich und
mein Töchterlein beschweren würde, wenn er uns allein
nacher Coserow zurückfahren ließe. Hierauf wandte er
sich eilends an selbige, gab ihr die Hand und sprach:
"Lebe Sie wohl liebe Jungfer, ich hoffe Ihre Ehre auch
bald vor der Welt zu retten, und danke Sie nicht mir,
sondern Gott!" Also machte ers auch mit mir und
meinem lieben Gevatter, worauf er von dem Wagen
sprang und bei Dn. Consuli auf seinen Wagen sitzen
ging. Selbiger hatte auch bereits etzliche Worte zum
Volk gesprochen, auch mich und mein Kind umb Ver¬
gebung angerufen (und muß es ihme zur Ehre nachrüh¬
men, daß seine Thränen dabei auf die Backen nieder¬
flossen) wurde aber von dem Junker also sehr gedrän¬

*) Vielleicht eine tiefe Wahrheit!
18 *

ſolches hörete, entſatzte ich mich, wie billig in meim prie¬
ſterlichen Gewiſſen, und ſtieg auf das Wagenrad und
blieſe ihm ein, daß er umb Gottes willen von dieſer
Materia aufhören ſölle, dieweil das Volk, wenn es den
Teufel nicht mehr fürchte, auch unſern Herrgott nicht
mehr fürchten würde *).

Solches thät der liebe Junker mir auch alſogleich
zu Gefallen, und fragete nur das Volk noch, ob ſie
jetzunder mein Töchterlein ganz für unſchuldig hielten.
Und nachdem ſie „ja!“ geſaget, bate er ſie, nunmehro
geruhſam nach Hauſe zu gehen und Gott zu danken,
daß er unſchuldig Blut gerettet. Er wölle jetzo auch
wieder umbkehren und hoffe er, daß Niemand mich und
mein Töchterlein beſchweren würde, wenn er uns allein
nacher Coſerow zurückfahren ließe. Hierauf wandte er
ſich eilends an ſelbige, gab ihr die Hand und ſprach:
„Lebe Sie wohl liebe Jungfer, ich hoffe Ihre Ehre auch
bald vor der Welt zu retten, und danke Sie nicht mir,
ſondern Gott!“ Alſo machte ers auch mit mir und
meinem lieben Gevatter, worauf er von dem Wagen
ſprang und bei Dn. Consuli auf ſeinen Wagen ſitzen
ging. Selbiger hatte auch bereits etzliche Worte zum
Volk geſprochen, auch mich und mein Kind umb Ver¬
gebung angerufen (und muß es ihme zur Ehre nachrüh¬
men, daß ſeine Thränen dabei auf die Backen nieder¬
floſſen) wurde aber von dem Junker alſo ſehr gedrän¬

*) Vielleicht eine tiefe Wahrheit!
18 *
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0291" n="275"/>
&#x017F;olches hörete, ent&#x017F;atzte ich mich, wie billig in meim prie¬<lb/>
&#x017F;terlichen Gewi&#x017F;&#x017F;en, und &#x017F;tieg auf das Wagenrad und<lb/>
blie&#x017F;e ihm ein, daß er umb Gottes willen von die&#x017F;er<lb/>
Materia aufhören &#x017F;ölle, dieweil das Volk, wenn es den<lb/>
Teufel nicht mehr fürchte, auch un&#x017F;ern Herrgott nicht<lb/>
mehr fürchten würde <note place="foot" n="*)">Vielleicht eine tiefe Wahrheit!</note>.</p><lb/>
        <p>Solches thät der liebe Junker mir auch al&#x017F;ogleich<lb/>
zu Gefallen, und fragete nur das Volk noch, ob &#x017F;ie<lb/>
jetzunder mein Töchterlein ganz für un&#x017F;chuldig hielten.<lb/>
Und nachdem &#x017F;ie &#x201E;ja!&#x201C; ge&#x017F;aget, bate er &#x017F;ie, nunmehro<lb/>
geruh&#x017F;am nach Hau&#x017F;e zu gehen und Gott zu danken,<lb/>
daß er un&#x017F;chuldig Blut gerettet. Er wölle jetzo auch<lb/>
wieder umbkehren und hoffe er, daß Niemand mich und<lb/>
mein Töchterlein be&#x017F;chweren würde, wenn er uns allein<lb/>
nacher Co&#x017F;erow zurückfahren ließe. Hierauf wandte er<lb/>
&#x017F;ich eilends an &#x017F;elbige, gab ihr die Hand und &#x017F;prach:<lb/>
&#x201E;Lebe Sie wohl liebe Jungfer, ich hoffe Ihre Ehre auch<lb/>
bald vor der Welt zu retten, und danke Sie nicht mir,<lb/>
&#x017F;ondern Gott!&#x201C; Al&#x017F;o machte ers auch mit mir und<lb/>
meinem lieben Gevatter, worauf er von dem Wagen<lb/>
&#x017F;prang und bei <hi rendition="#aq">Dn. Consuli</hi> auf &#x017F;einen Wagen &#x017F;itzen<lb/>
ging. Selbiger hatte auch bereits etzliche Worte zum<lb/>
Volk ge&#x017F;prochen, auch mich und mein Kind umb Ver¬<lb/>
gebung angerufen (und muß es ihme zur Ehre nachrüh¬<lb/>
men, daß &#x017F;eine Thränen dabei auf die Backen nieder¬<lb/>
flo&#x017F;&#x017F;en) wurde aber von dem Junker al&#x017F;o &#x017F;ehr gedrän¬<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">18 *<lb/></fw>
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[275/0291] ſolches hörete, entſatzte ich mich, wie billig in meim prie¬ ſterlichen Gewiſſen, und ſtieg auf das Wagenrad und blieſe ihm ein, daß er umb Gottes willen von dieſer Materia aufhören ſölle, dieweil das Volk, wenn es den Teufel nicht mehr fürchte, auch unſern Herrgott nicht mehr fürchten würde *). Solches thät der liebe Junker mir auch alſogleich zu Gefallen, und fragete nur das Volk noch, ob ſie jetzunder mein Töchterlein ganz für unſchuldig hielten. Und nachdem ſie „ja!“ geſaget, bate er ſie, nunmehro geruhſam nach Hauſe zu gehen und Gott zu danken, daß er unſchuldig Blut gerettet. Er wölle jetzo auch wieder umbkehren und hoffe er, daß Niemand mich und mein Töchterlein beſchweren würde, wenn er uns allein nacher Coſerow zurückfahren ließe. Hierauf wandte er ſich eilends an ſelbige, gab ihr die Hand und ſprach: „Lebe Sie wohl liebe Jungfer, ich hoffe Ihre Ehre auch bald vor der Welt zu retten, und danke Sie nicht mir, ſondern Gott!“ Alſo machte ers auch mit mir und meinem lieben Gevatter, worauf er von dem Wagen ſprang und bei Dn. Consuli auf ſeinen Wagen ſitzen ging. Selbiger hatte auch bereits etzliche Worte zum Volk geſprochen, auch mich und mein Kind umb Ver¬ gebung angerufen (und muß es ihme zur Ehre nachrüh¬ men, daß ſeine Thränen dabei auf die Backen nieder¬ floſſen) wurde aber von dem Junker alſo ſehr gedrän¬ *) Vielleicht eine tiefe Wahrheit! 18 *

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/meinhold_bernsteinhexe_1843
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/meinhold_bernsteinhexe_1843/291
Zitationshilfe: Meinhold, Wilhelm: Maria Schweidler die Bernsteinhexe. Berlin, 1843, S. 275. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meinhold_bernsteinhexe_1843/291>, abgerufen am 10.05.2024.