Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Meinhold, Wilhelm: Maria Schweidler die Bernsteinhexe. Berlin, 1843.

Bild:
<< vorherige Seite

Solches erbarmete meinen lieben Gevatter und er sprach:
ach Päte, Päte, ich wollte dir zürnen, und du zwingest
mich mit dir zu weinen, bistu denn unschuldig? Ja sprach
sie: Ihme Herr Päte kann ichs wohl sagen, ich bin un¬
schuldig, so wahr mir Gott helfe in meiner letzten Noth
durch Jesum Christum Amen.

Als dieses die Magd hörete, erhube sie ein so großes
Geschreie daß es mir leid wurde, daß ich sie mitgenom¬
men und hatten wir alle sie genug aus Gotts Wort
zu trösten, bis sie wieder in etwas geruhlich wurde.
Und als solches beschehen, sprach mein lieber Gevatter:
wenn du so hoch deine Unschuld betheurest, muß ich sol¬
ches zuvor dem Gericht auf mein priesterlich Gewissen
vermelden, und wollte aus der Thüren. Aber sie hielt
ihn feste und fiel zur Erden und umklammerte seine Füße
und sprach: ich bitte Ihne umb die Wunden Jesu, daß
Er schweiget. Sie werden mich auf die Folter strecken
und meine Schaam blößen, und ich elendes schwaches
Weib werde Allens in solcher Marter bekennen, was
sie wöllen, zumalen wenn mein Vater wieder dabei ist,
und mir also Leib und Seele zusammen gemartert wird.
Darumb bleib Er, bleib Er, ist es denn ein Unglück un¬
schuldig zu sterben, und nicht besser unschuldig, denn
schuldig?

Solches versprach mein guter Gevatter letzlich und
nachdeme er eine Zeit gestanden und vor sich gebetet,
wischte er sich seine Thränen ab, und hielt nunmehro
die Vermahnung zur Beichte, über Esaias 43 v. 1 und 2:

Solches erbarmete meinen lieben Gevatter und er ſprach:
ach Päte, Päte, ich wollte dir zürnen, und du zwingeſt
mich mit dir zu weinen, biſtu denn unſchuldig? Ja ſprach
ſie: Ihme Herr Päte kann ichs wohl ſagen, ich bin un¬
ſchuldig, ſo wahr mir Gott helfe in meiner letzten Noth
durch Jeſum Chriſtum Amen.

Als dieſes die Magd hörete, erhube ſie ein ſo großes
Geſchreie daß es mir leid wurde, daß ich ſie mitgenom¬
men und hatten wir alle ſie genug aus Gotts Wort
zu tröſten, bis ſie wieder in etwas geruhlich wurde.
Und als ſolches beſchehen, ſprach mein lieber Gevatter:
wenn du ſo hoch deine Unſchuld betheureſt, muß ich ſol¬
ches zuvor dem Gericht auf mein prieſterlich Gewiſſen
vermelden, und wollte aus der Thüren. Aber ſie hielt
ihn feſte und fiel zur Erden und umklammerte ſeine Füße
und ſprach: ich bitte Ihne umb die Wunden Jeſu, daß
Er ſchweiget. Sie werden mich auf die Folter ſtrecken
und meine Schaam blößen, und ich elendes ſchwaches
Weib werde Allens in ſolcher Marter bekennen, was
ſie wöllen, zumalen wenn mein Vater wieder dabei iſt,
und mir alſo Leib und Seele zuſammen gemartert wird.
Darumb bleib Er, bleib Er, iſt es denn ein Unglück un¬
ſchuldig zu ſterben, und nicht beſſer unſchuldig, denn
ſchuldig?

Solches verſprach mein guter Gevatter letzlich und
nachdeme er eine Zeit geſtanden und vor ſich gebetet,
wiſchte er ſich ſeine Thränen ab, und hielt nunmehro
die Vermahnung zur Beichte, über Eſaias 43 v. 1 und 2:

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0254" n="238"/>
Solches erbarmete meinen lieben Gevatter und er &#x017F;prach:<lb/>
ach Päte, Päte, ich wollte dir zürnen, und du zwinge&#x017F;t<lb/>
mich mit dir zu weinen, bi&#x017F;tu denn un&#x017F;chuldig? Ja &#x017F;prach<lb/>
&#x017F;ie: Ihme Herr Päte kann ichs wohl &#x017F;agen, ich bin un¬<lb/>
&#x017F;chuldig, &#x017F;o wahr mir Gott helfe in meiner letzten Noth<lb/>
durch Je&#x017F;um Chri&#x017F;tum Amen.</p><lb/>
        <p>Als die&#x017F;es die Magd hörete, erhube &#x017F;ie ein &#x017F;o großes<lb/>
Ge&#x017F;chreie daß es mir leid wurde, daß ich &#x017F;ie mitgenom¬<lb/>
men und hatten wir alle &#x017F;ie genug aus Gotts Wort<lb/>
zu trö&#x017F;ten, bis &#x017F;ie wieder in etwas geruhlich wurde.<lb/>
Und als &#x017F;olches be&#x017F;chehen, &#x017F;prach mein lieber Gevatter:<lb/>
wenn du &#x017F;o hoch deine Un&#x017F;chuld betheure&#x017F;t, muß ich &#x017F;ol¬<lb/>
ches zuvor dem Gericht auf mein prie&#x017F;terlich Gewi&#x017F;&#x017F;en<lb/>
vermelden, und wollte aus der Thüren. Aber &#x017F;ie hielt<lb/>
ihn fe&#x017F;te und fiel zur Erden und umklammerte &#x017F;eine Füße<lb/>
und &#x017F;prach: ich bitte Ihne umb die Wunden Je&#x017F;u, daß<lb/>
Er &#x017F;chweiget. Sie werden mich auf die Folter &#x017F;trecken<lb/>
und meine Schaam blößen, und ich elendes &#x017F;chwaches<lb/>
Weib werde Allens in &#x017F;olcher Marter bekennen, was<lb/>
&#x017F;ie wöllen, zumalen wenn mein Vater wieder dabei i&#x017F;t,<lb/>
und mir al&#x017F;o Leib und Seele zu&#x017F;ammen gemartert wird.<lb/>
Darumb bleib Er, bleib Er, i&#x017F;t es denn ein Unglück un¬<lb/>
&#x017F;chuldig zu &#x017F;terben, und nicht be&#x017F;&#x017F;er un&#x017F;chuldig, denn<lb/>
&#x017F;chuldig?</p><lb/>
        <p>Solches ver&#x017F;prach mein guter Gevatter letzlich und<lb/>
nachdeme er eine Zeit ge&#x017F;tanden und vor &#x017F;ich gebetet,<lb/>
wi&#x017F;chte er &#x017F;ich &#x017F;eine Thränen ab, und hielt nunmehro<lb/>
die Vermahnung zur Beichte, über E&#x017F;aias 43 v. 1 und 2:<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[238/0254] Solches erbarmete meinen lieben Gevatter und er ſprach: ach Päte, Päte, ich wollte dir zürnen, und du zwingeſt mich mit dir zu weinen, biſtu denn unſchuldig? Ja ſprach ſie: Ihme Herr Päte kann ichs wohl ſagen, ich bin un¬ ſchuldig, ſo wahr mir Gott helfe in meiner letzten Noth durch Jeſum Chriſtum Amen. Als dieſes die Magd hörete, erhube ſie ein ſo großes Geſchreie daß es mir leid wurde, daß ich ſie mitgenom¬ men und hatten wir alle ſie genug aus Gotts Wort zu tröſten, bis ſie wieder in etwas geruhlich wurde. Und als ſolches beſchehen, ſprach mein lieber Gevatter: wenn du ſo hoch deine Unſchuld betheureſt, muß ich ſol¬ ches zuvor dem Gericht auf mein prieſterlich Gewiſſen vermelden, und wollte aus der Thüren. Aber ſie hielt ihn feſte und fiel zur Erden und umklammerte ſeine Füße und ſprach: ich bitte Ihne umb die Wunden Jeſu, daß Er ſchweiget. Sie werden mich auf die Folter ſtrecken und meine Schaam blößen, und ich elendes ſchwaches Weib werde Allens in ſolcher Marter bekennen, was ſie wöllen, zumalen wenn mein Vater wieder dabei iſt, und mir alſo Leib und Seele zuſammen gemartert wird. Darumb bleib Er, bleib Er, iſt es denn ein Unglück un¬ ſchuldig zu ſterben, und nicht beſſer unſchuldig, denn ſchuldig? Solches verſprach mein guter Gevatter letzlich und nachdeme er eine Zeit geſtanden und vor ſich gebetet, wiſchte er ſich ſeine Thränen ab, und hielt nunmehro die Vermahnung zur Beichte, über Eſaias 43 v. 1 und 2:

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/meinhold_bernsteinhexe_1843
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/meinhold_bernsteinhexe_1843/254
Zitationshilfe: Meinhold, Wilhelm: Maria Schweidler die Bernsteinhexe. Berlin, 1843, S. 238. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meinhold_bernsteinhexe_1843/254>, abgerufen am 10.05.2024.