vielen Thränen vermeldete: daß das arme Sünderglöck¬ lein vom Schloßthurm schon zum ersten Male geläu¬ tet, auch mein Töchterlein nach ihr geschicket, umb sie anzuputzen, dieweil das Gerichte aus Usedom allbereits angelanget, und sie umb zween Stunden schon ihren letzten Gang thun würde. Auch ließe sie ihr sagen, daß sie ihr Blümekens blau und gelb von Farb zu einem Kranz mitbringen möge, fragete dannenhero, was für Blümekens sie nehmen sölle. Und dieweil für dem Fen¬ ster ein Topf mit Feuerlilien und blau Aeugeleins *) stunde, so sie mir gestern hereingesetzet, sprach ich: du kannst keine besseren Blümekens vor sie pflücken denn diese seind, darumb bringe ihr solche, und sage ihr: daß ich um eine halbe Glockenstunden dir nachkommen würde, umb mit ihr das Nachtmahl zu genüßen. Hier¬ auf bat die alte treue Person, daß sie mit zum Nacht¬ mahl gehen müge, was ich ihr auch versprach. Und hatte ich mich kaum verkleidet und meinen Chorrock an¬ gezogen, als Pastor Benzensis auch schon in die Thüre trat und mir stumm wie ein Fisch umb meinen Hals fiel und weinete. Als er die Sprache wieder gewunn, verzählete er von einem großen miraculum (verstehe Daemonis) so beim Begräbnüß der alten Lisen sich er¬ äugnet. Denn als die Träger den Sark hätten in die Grube hinunter lassen wöllen, hätt' es also laut in sel¬ bigem rumort, als wenn ein Tischler ein tännin Brett
*) vielleicht Vergißmeinnicht.
vielen Thränen vermeldete: daß das arme Sünderglöck¬ lein vom Schloßthurm ſchon zum erſten Male geläu¬ tet, auch mein Töchterlein nach ihr geſchicket, umb ſie anzuputzen, dieweil das Gerichte aus Uſedom allbereits angelanget, und ſie umb zween Stunden ſchon ihren letzten Gang thun würde. Auch ließe ſie ihr ſagen, daß ſie ihr Blümekens blau und gelb von Farb zu einem Kranz mitbringen möge, fragete dannenhero, was für Blümekens ſie nehmen ſölle. Und dieweil für dem Fen¬ ſter ein Topf mit Feuerlilien und blau Aeugeleins *) ſtunde, ſo ſie mir geſtern hereingeſetzet, ſprach ich: du kannſt keine beſſeren Blümekens vor ſie pflücken denn dieſe ſeind, darumb bringe ihr ſolche, und ſage ihr: daß ich um eine halbe Glockenſtunden dir nachkommen würde, umb mit ihr das Nachtmahl zu genüßen. Hier¬ auf bat die alte treue Perſon, daß ſie mit zum Nacht¬ mahl gehen müge, was ich ihr auch verſprach. Und hatte ich mich kaum verkleidet und meinen Chorrock an¬ gezogen, als Pastor Benzensis auch ſchon in die Thüre trat und mir ſtumm wie ein Fiſch umb meinen Hals fiel und weinete. Als er die Sprache wieder gewunn, verzählete er von einem großen miraculum (verſtehe Daemonis) ſo beim Begräbnüß der alten Liſen ſich er¬ äugnet. Denn als die Träger den Sark hätten in die Grube hinunter laſſen wöllen, hätt' es alſo laut in ſel¬ bigem rumort, als wenn ein Tiſchler ein tännin Brett
*) vielleicht Vergißmeinnicht.
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vielen Thränen vermeldete: daß das arme Sünderglöck¬
lein vom Schloßthurm ſchon zum erſten Male geläu¬
tet, auch mein Töchterlein nach ihr geſchicket, umb ſie
anzuputzen, dieweil das Gerichte aus Uſedom allbereits
angelanget, und ſie umb zween Stunden ſchon ihren
letzten Gang thun würde. Auch ließe ſie ihr ſagen, daß
ſie ihr Blümekens blau und gelb von Farb zu einem
Kranz mitbringen möge, fragete dannenhero, was für
Blümekens ſie nehmen ſölle. Und dieweil für dem Fen¬
ſter ein Topf mit Feuerlilien und blau Aeugeleins *)
ſtunde, ſo ſie mir geſtern hereingeſetzet, ſprach ich: du
kannſt keine beſſeren Blümekens vor ſie pflücken denn
dieſe ſeind, darumb bringe ihr ſolche, und ſage ihr:
daß ich um eine halbe Glockenſtunden dir nachkommen
würde, umb mit ihr das Nachtmahl zu genüßen. Hier¬
auf bat die alte treue Perſon, daß ſie mit zum Nacht¬
mahl gehen müge, was ich ihr auch verſprach. Und
hatte ich mich kaum verkleidet und meinen Chorrock an¬
gezogen, als Pastor Benzensis auch ſchon in die Thüre
trat und mir ſtumm wie ein Fiſch umb meinen Hals
fiel und weinete. Als er die Sprache wieder gewunn,
verzählete er von einem großen miraculum (verſtehe
Daemonis) ſo beim Begräbnüß der alten Liſen ſich er¬
äugnet. Denn als die Träger den Sark hätten in die
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*) vielleicht Vergißmeinnicht.
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Meinhold, Wilhelm: Maria Schweidler die Bernsteinhexe. Berlin, 1843, S. 234. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meinhold_bernsteinhexe_1843/250>, abgerufen am 16.02.2025.
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