worden. Dachte dabei mein gut Theil und folgete dem Büttel in Hast, wiewohl nicht, umb ihr das Nachtmahl zu geben wie männiglich vor sich selbsten abnehmen kann. Dabei vergaß ich alter schwacher Mann aber, mir Zeugen mitzunehmen. Denn aller Jammer, so ich zeithero gelitten, hatte mir meine Sinne also umbschat¬ tet, daß mir solches gar nicht in die Gedanken kam. Nur der dreuste Büttel folgete mir und wird man wei¬ ters hören, wie dieser Bube dem Satan Leib und Seele übergeben, umb mein Kind zu opfern, da er sie doch hätte retten mügen. Denn als er die Gefängnüß auf¬ geschlossen (es war dasselbe Loch wo mein Töchterlein zeithero gesessen) sahen wir die alte Lise auf der Er¬ den liegen in eim Bund Stroh und einen Besen zum Kopfküssen (als wöllte sie jetzunder damit zur Höllen fah¬ ren, da sie nit mehr darauf zum Blocksberg fahren kunnte) so daß ich mich schudderte als ich ihr ansichtig wurde.
Und war ich kaum eingetreten als sie ängstlich schriee: "ick bin ene Hex, ick bin ene Hex, erbarm he sich un geb he mi fix *) dat Nachtmal, ick will Em uck Allens bekennen!" Und als ich ihr zurief: so bekenne! sprach sie: daß sie selbsten allen Zauber mit dem Amtshaubt¬ mann im Dorf angerichtet, und mein Kindlein so un¬ schuldig daran wäre, als die Sonne am Himmel. Doch hätte der Amtshaubtmann mehr schuld, angesehen er
*) schnell.
worden. Dachte dabei mein gut Theil und folgete dem Büttel in Haſt, wiewohl nicht, umb ihr das Nachtmahl zu geben wie männiglich vor ſich ſelbſten abnehmen kann. Dabei vergaß ich alter ſchwacher Mann aber, mir Zeugen mitzunehmen. Denn aller Jammer, ſo ich zeithero gelitten, hatte mir meine Sinne alſo umbſchat¬ tet, daß mir ſolches gar nicht in die Gedanken kam. Nur der dreuſte Büttel folgete mir und wird man wei¬ ters hören, wie dieſer Bube dem Satan Leib und Seele übergeben, umb mein Kind zu opfern, da er ſie doch hätte retten mügen. Denn als er die Gefängnüß auf¬ geſchloſſen (es war daſſelbe Loch wo mein Töchterlein zeithero geſeſſen) ſahen wir die alte Liſe auf der Er¬ den liegen in eim Bund Stroh und einen Beſen zum Kopfküſſen (als wöllte ſie jetzunder damit zur Höllen fah¬ ren, da ſie nit mehr darauf zum Blocksberg fahren kunnte) ſo daß ich mich ſchudderte als ich ihr anſichtig wurde.
Und war ich kaum eingetreten als ſie ängſtlich ſchriee: „ick bin ene Hex, ick bin ene Hex, erbarm he ſich un geb he mi fix *) dat Nachtmal, ick will Em uck Allens bekennen!" Und als ich ihr zurief: ſo bekenne! ſprach ſie: daß ſie ſelbſten allen Zauber mit dem Amtshaubt¬ mann im Dorf angerichtet, und mein Kindlein ſo un¬ ſchuldig daran wäre, als die Sonne am Himmel. Doch hätte der Amtshaubtmann mehr ſchuld, angeſehen er
*) ſchnell.
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worden. Dachte dabei mein gut Theil und folgete dem
Büttel in Haſt, wiewohl nicht, umb ihr das Nachtmahl
zu geben wie männiglich vor ſich ſelbſten abnehmen
kann. Dabei vergaß ich alter ſchwacher Mann aber,
mir Zeugen mitzunehmen. Denn aller Jammer, ſo ich
zeithero gelitten, hatte mir meine Sinne alſo umbſchat¬
tet, daß mir ſolches gar nicht in die Gedanken kam.
Nur der dreuſte Büttel folgete mir und wird man wei¬
ters hören, wie dieſer Bube dem Satan Leib und Seele
übergeben, umb mein Kind zu opfern, da er ſie doch
hätte retten mügen. Denn als er die Gefängnüß auf¬
geſchloſſen (es war daſſelbe Loch wo mein Töchterlein
zeithero geſeſſen) ſahen wir die alte Liſe auf der Er¬
den liegen in eim Bund Stroh und einen Beſen zum
Kopfküſſen (als wöllte ſie jetzunder damit zur Höllen fah¬
ren, da ſie nit mehr darauf zum Blocksberg fahren
kunnte) ſo daß ich mich ſchudderte als ich ihr anſichtig
wurde.
Und war ich kaum eingetreten als ſie ängſtlich ſchriee:
„ick bin ene Hex, ick bin ene Hex, erbarm he ſich un
geb he mi fix *) dat Nachtmal, ick will Em uck Allens
bekennen!" Und als ich ihr zurief: ſo bekenne! ſprach
ſie: daß ſie ſelbſten allen Zauber mit dem Amtshaubt¬
mann im Dorf angerichtet, und mein Kindlein ſo un¬
ſchuldig daran wäre, als die Sonne am Himmel. Doch
hätte der Amtshaubtmann mehr ſchuld, angeſehen er
*) ſchnell.
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Meinhold, Wilhelm: Maria Schweidler die Bernsteinhexe. Berlin, 1843, S. 213. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meinhold_bernsteinhexe_1843/229>, abgerufen am 23.11.2024.
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