Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Meinhold, Wilhelm: Maria Schweidler die Bernsteinhexe. Berlin, 1843.

Bild:
<< vorherige Seite

kann ich auch die Pein überwinden, welche mir blinde
Heiden anthun, so zwar Christen sein wöllen, aber grau¬
samer seind, denn die alten. Denn die alten Heiden
haben die heiligen Jungfrauen doch nur von denen grim¬
migen Bestien zureißen lassen, ihr aber, welche ihr das
neue Gebot habet: daß ihr euch untereinander lieben
sollt, wie Euer Heiland euch geliebet hat, damit Jeder¬
mann daran erkenne, daß ihr seine Jünger seid, Johan¬
nes am dreizehnten, ihr wollet selbsten diese grimmigen
Bestien spielen und den Leib einer unschuldigen Jung¬
frauen, so eure Schwester ist, und euch nie was Leides
gethan lebendig zureißen. So thut denn, was euch ge¬
liebet, doch sorget, wie ihr es für eurem höchsten Rich¬
ter verantworten wöllet. Ich sage nochmals: das Lämm¬
lein erschröcket nicht, denn es stehet in der Hand des gu¬
ten Hirten.

Als mein unvergleichlich Kind also geredet, stund
Dn. Consul auf, und nahm seine schwarze Kappen ab,
so er immer trug, dieweil ihm die Haare auf dem Schei¬
tel schon ausgefallen, verneigte sich auch vor dem Ge¬
richt und sprach: Eim ehrsamen Gericht wird angezei¬
get, daß nunmehro die Urgicht und peinliche Frag der
verstockten und gotteslästerlichen Hexen Maria Schweid¬
ler anheben soll, im Namen Gottes des Vaters, des Soh¬
nes und des heiligen Geistes. Amen.

Hierauf stund das ganze Gericht auf bis auf den
Amtshaubtmann, so schon vorhero aufgestanden, und un
ruhig in der Stuben auf- und abgegangen war. Doch

kann ich auch die Pein überwinden, welche mir blinde
Heiden anthun, ſo zwar Chriſten ſein wöllen, aber grau¬
ſamer ſeind, denn die alten. Denn die alten Heiden
haben die heiligen Jungfrauen doch nur von denen grim¬
migen Beſtien zureißen laſſen, ihr aber, welche ihr das
neue Gebot habet: daß ihr euch untereinander lieben
ſollt, wie Euer Heiland euch geliebet hat, damit Jeder¬
mann daran erkenne, daß ihr ſeine Jünger ſeid, Johan¬
nes am dreizehnten, ihr wollet ſelbſten dieſe grimmigen
Beſtien ſpielen und den Leib einer unſchuldigen Jung¬
frauen, ſo eure Schweſter iſt, und euch nie was Leides
gethan lebendig zureißen. So thut denn, was euch ge¬
liebet, doch ſorget, wie ihr es für eurem höchſten Rich¬
ter verantworten wöllet. Ich ſage nochmals: das Lämm¬
lein erſchröcket nicht, denn es ſtehet in der Hand des gu¬
ten Hirten.

Als mein unvergleichlich Kind alſo geredet, ſtund
Dn. Consul auf, und nahm ſeine ſchwarze Kappen ab,
ſo er immer trug, dieweil ihm die Haare auf dem Schei¬
tel ſchon ausgefallen, verneigte ſich auch vor dem Ge¬
richt und ſprach: Eim ehrſamen Gericht wird angezei¬
get, daß nunmehro die Urgicht und peinliche Frag der
verſtockten und gottesläſterlichen Hexen Maria Schweid¬
ler anheben ſoll, im Namen Gottes des Vaters, des Soh¬
nes und des heiligen Geiſtes. Amen.

Hierauf ſtund das ganze Gericht auf bis auf den
Amtshaubtmann, ſo ſchon vorhero aufgeſtanden, und un
ruhig in der Stuben auf– und abgegangen war. Doch

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0218" n="202"/>
kann ich auch die Pein überwinden, welche mir blinde<lb/>
Heiden anthun, &#x017F;o zwar Chri&#x017F;ten &#x017F;ein wöllen, aber grau¬<lb/>
&#x017F;amer &#x017F;eind, denn die alten. Denn die alten Heiden<lb/>
haben die heiligen Jungfrauen doch nur von denen grim¬<lb/>
migen Be&#x017F;tien zureißen la&#x017F;&#x017F;en, ihr aber, welche ihr das<lb/>
neue Gebot habet: daß ihr euch untereinander lieben<lb/>
&#x017F;ollt, wie Euer Heiland euch geliebet hat, damit Jeder¬<lb/>
mann daran erkenne, daß ihr &#x017F;eine Jünger &#x017F;eid, Johan¬<lb/>
nes am dreizehnten, ihr wollet &#x017F;elb&#x017F;ten die&#x017F;e grimmigen<lb/>
Be&#x017F;tien &#x017F;pielen und den Leib einer un&#x017F;chuldigen Jung¬<lb/>
frauen, &#x017F;o eure Schwe&#x017F;ter i&#x017F;t, und euch nie was Leides<lb/>
gethan lebendig zureißen. So thut denn, was euch ge¬<lb/>
liebet, doch &#x017F;orget, wie ihr es für eurem höch&#x017F;ten Rich¬<lb/>
ter verantworten wöllet. Ich &#x017F;age nochmals: das Lämm¬<lb/>
lein er&#x017F;chröcket nicht, denn es &#x017F;tehet in der Hand des gu¬<lb/>
ten Hirten.</p><lb/>
        <p>Als mein unvergleichlich Kind al&#x017F;o geredet, &#x017F;tund<lb/><hi rendition="#aq">Dn. Consul</hi> auf, und nahm &#x017F;eine &#x017F;chwarze Kappen ab,<lb/>
&#x017F;o er immer trug, dieweil ihm die Haare auf dem Schei¬<lb/>
tel &#x017F;chon ausgefallen, verneigte &#x017F;ich auch vor dem Ge¬<lb/>
richt und &#x017F;prach: Eim ehr&#x017F;amen Gericht wird angezei¬<lb/>
get, daß nunmehro die Urgicht und peinliche Frag der<lb/>
ver&#x017F;tockten und gotteslä&#x017F;terlichen Hexen Maria Schweid¬<lb/>
ler anheben &#x017F;oll, im Namen Gottes des Vaters, des Soh¬<lb/>
nes und des heiligen Gei&#x017F;tes. Amen.</p><lb/>
        <p>Hierauf &#x017F;tund das ganze Gericht auf bis auf den<lb/>
Amtshaubtmann, &#x017F;o &#x017F;chon vorhero aufge&#x017F;tanden, und un<lb/>
ruhig in der Stuben auf&#x2013; und abgegangen war. Doch<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[202/0218] kann ich auch die Pein überwinden, welche mir blinde Heiden anthun, ſo zwar Chriſten ſein wöllen, aber grau¬ ſamer ſeind, denn die alten. Denn die alten Heiden haben die heiligen Jungfrauen doch nur von denen grim¬ migen Beſtien zureißen laſſen, ihr aber, welche ihr das neue Gebot habet: daß ihr euch untereinander lieben ſollt, wie Euer Heiland euch geliebet hat, damit Jeder¬ mann daran erkenne, daß ihr ſeine Jünger ſeid, Johan¬ nes am dreizehnten, ihr wollet ſelbſten dieſe grimmigen Beſtien ſpielen und den Leib einer unſchuldigen Jung¬ frauen, ſo eure Schweſter iſt, und euch nie was Leides gethan lebendig zureißen. So thut denn, was euch ge¬ liebet, doch ſorget, wie ihr es für eurem höchſten Rich¬ ter verantworten wöllet. Ich ſage nochmals: das Lämm¬ lein erſchröcket nicht, denn es ſtehet in der Hand des gu¬ ten Hirten. Als mein unvergleichlich Kind alſo geredet, ſtund Dn. Consul auf, und nahm ſeine ſchwarze Kappen ab, ſo er immer trug, dieweil ihm die Haare auf dem Schei¬ tel ſchon ausgefallen, verneigte ſich auch vor dem Ge¬ richt und ſprach: Eim ehrſamen Gericht wird angezei¬ get, daß nunmehro die Urgicht und peinliche Frag der verſtockten und gottesläſterlichen Hexen Maria Schweid¬ ler anheben ſoll, im Namen Gottes des Vaters, des Soh¬ nes und des heiligen Geiſtes. Amen. Hierauf ſtund das ganze Gericht auf bis auf den Amtshaubtmann, ſo ſchon vorhero aufgeſtanden, und un ruhig in der Stuben auf– und abgegangen war. Doch

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/meinhold_bernsteinhexe_1843
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/meinhold_bernsteinhexe_1843/218
Zitationshilfe: Meinhold, Wilhelm: Maria Schweidler die Bernsteinhexe. Berlin, 1843, S. 202. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meinhold_bernsteinhexe_1843/218>, abgerufen am 07.05.2024.