Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Meinhold, Wilhelm: Maria Schweidler die Bernsteinhexe. Berlin, 1843.

Bild:
<< vorherige Seite

muth, in welchem sie ehedem bei männiglich gestanden,
wöllte er Allens zu Papier bringen, und von dem Sei¬
nen hinzufügen so viel und so gut es ihm müglich, umb
sie von der Marter mit des allmächtigen Gottes Hülfe
zu erlösen. Sie söllte sich nur geruhsam halten, und
sich demselbigen empfehlen. Binnen zweener Tagefrist
hoffe er mit seiner Defension fertig zu sein, umb ihr
solche fürlesen zu können. -- Als er nunmehro den
Büttel wieder rief, kam selbiger aber nit, sondern, schik¬
kete sein Weib, umb die Gefängnüß zuzuschließen, und
nahm ich mit vielen Thränen von meim Kind Abschied,
unterdeß Dn. Syndicus auf ihren dreusten Kerl schalt
und ihr verzählete, was fürgefallen, umb es ihm wie¬
der zu sagen. Doch schickete er das Weib noch einmal
wegk, und kehrete alsdann wieder umb, sagende, er hätte
vergessen gewisse Kundschaft einzuziehen, ob sie wirklich
die lateinische Sprach verstünde. Sie möge also ihre
Defension einmal auf lateinisch sagen, so es ihr müglich.
Und hob sie nunmehro an, eine Viertelstunde lang und dar¬
über, selbige also zu führen, daß nit bloß Dn. Syndicus,
sondern ich selbsten mich über sie verwundern mußte, ange¬
sehen ihr kein einzig Wörtlein fehlte, denn das Wörtlein
"Schweinsigel" so wir beide in der Eile aber auch nit
wußten, als sie uns darumb befragete. Summa: Dn.
Syndicus
wurde ein groß Theil freundlicher als sie ihre
Oration beendiget, und valedicirete *) ihr mit dem Ver¬
sprechen, sich alsofort an die Arbeit zu machen.

*) Nahm Abschied.

muth, in welchem ſie ehedem bei männiglich geſtanden,
wöllte er Allens zu Papier bringen, und von dem Sei¬
nen hinzufügen ſo viel und ſo gut es ihm müglich, umb
ſie von der Marter mit des allmächtigen Gottes Hülfe
zu erlöſen. Sie ſöllte ſich nur geruhſam halten, und
ſich demſelbigen empfehlen. Binnen zweener Tagefriſt
hoffe er mit ſeiner Defenſion fertig zu ſein, umb ihr
ſolche fürleſen zu können. — Als er nunmehro den
Büttel wieder rief, kam ſelbiger aber nit, ſondern, ſchik¬
kete ſein Weib, umb die Gefängnüß zuzuſchließen, und
nahm ich mit vielen Thränen von meim Kind Abſchied,
unterdeß Dn. Syndicus auf ihren dreuſten Kerl ſchalt
und ihr verzählete, was fürgefallen, umb es ihm wie¬
der zu ſagen. Doch ſchickete er das Weib noch einmal
wegk, und kehrete alsdann wieder umb, ſagende, er hätte
vergeſſen gewiſſe Kundſchaft einzuziehen, ob ſie wirklich
die lateiniſche Sprach verſtünde. Sie möge alſo ihre
Defenſion einmal auf lateiniſch ſagen, ſo es ihr müglich.
Und hob ſie nunmehro an, eine Viertelſtunde lang und dar¬
über, ſelbige alſo zu führen, daß nit bloß Dn. Syndicus,
ſondern ich ſelbſten mich über ſie verwundern mußte, ange¬
ſehen ihr kein einzig Wörtlein fehlte, denn das Wörtlein
„Schweinsigel“ ſo wir beide in der Eile aber auch nit
wußten, als ſie uns darumb befragete. Summa: Dn.
Syndicus
wurde ein groß Theil freundlicher als ſie ihre
Oration beendiget, und valedicirete *) ihr mit dem Ver¬
ſprechen, ſich alſofort an die Arbeit zu machen.

*) Nahm Abſchied.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0200" n="184"/>
muth, in welchem &#x017F;ie ehedem bei männiglich ge&#x017F;tanden,<lb/>
wöllte er Allens zu Papier bringen, und von dem Sei¬<lb/>
nen hinzufügen &#x017F;o viel und &#x017F;o gut es ihm müglich, umb<lb/>
&#x017F;ie von der Marter mit des allmächtigen Gottes Hülfe<lb/>
zu erlö&#x017F;en. Sie &#x017F;öllte &#x017F;ich nur geruh&#x017F;am halten, und<lb/>
&#x017F;ich dem&#x017F;elbigen empfehlen. Binnen zweener Tagefri&#x017F;t<lb/>
hoffe er mit &#x017F;einer Defen&#x017F;ion fertig zu &#x017F;ein, umb ihr<lb/>
&#x017F;olche fürle&#x017F;en zu können. &#x2014; Als er nunmehro den<lb/>
Büttel wieder rief, kam &#x017F;elbiger aber nit, &#x017F;ondern, &#x017F;chik¬<lb/>
kete &#x017F;ein Weib, umb die Gefängnüß zuzu&#x017F;chließen, und<lb/>
nahm ich mit vielen Thränen von meim Kind Ab&#x017F;chied,<lb/>
unterdeß <hi rendition="#aq">Dn. Syndicus</hi> auf ihren dreu&#x017F;ten Kerl &#x017F;chalt<lb/>
und ihr verzählete, was fürgefallen, umb es ihm wie¬<lb/>
der zu &#x017F;agen. Doch &#x017F;chickete er das Weib noch einmal<lb/>
wegk, und kehrete alsdann wieder umb, &#x017F;agende, er hätte<lb/>
verge&#x017F;&#x017F;en gewi&#x017F;&#x017F;e Kund&#x017F;chaft einzuziehen, ob &#x017F;ie wirklich<lb/>
die lateini&#x017F;che Sprach ver&#x017F;tünde. Sie möge al&#x017F;o ihre<lb/>
Defen&#x017F;ion einmal auf lateini&#x017F;ch &#x017F;agen, &#x017F;o es ihr müglich.<lb/>
Und hob &#x017F;ie nunmehro an, eine Viertel&#x017F;tunde lang und dar¬<lb/>
über, &#x017F;elbige al&#x017F;o zu führen, daß nit bloß <hi rendition="#aq">Dn. Syndicus</hi>,<lb/>
&#x017F;ondern ich &#x017F;elb&#x017F;ten mich über &#x017F;ie verwundern mußte, ange¬<lb/>
&#x017F;ehen ihr kein einzig Wörtlein fehlte, denn das Wörtlein<lb/>
&#x201E;Schweinsigel&#x201C; &#x017F;o wir beide in der Eile aber auch nit<lb/>
wußten, als &#x017F;ie uns darumb befragete. <hi rendition="#aq">Summa: Dn.<lb/>
Syndicus</hi> wurde ein groß Theil freundlicher als &#x017F;ie ihre<lb/>
Oration beendiget, und valedicirete <note place="foot" n="*)">Nahm Ab&#x017F;chied.</note> ihr mit dem Ver¬<lb/>
&#x017F;prechen, &#x017F;ich al&#x017F;ofort an die Arbeit zu machen.</p><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[184/0200] muth, in welchem ſie ehedem bei männiglich geſtanden, wöllte er Allens zu Papier bringen, und von dem Sei¬ nen hinzufügen ſo viel und ſo gut es ihm müglich, umb ſie von der Marter mit des allmächtigen Gottes Hülfe zu erlöſen. Sie ſöllte ſich nur geruhſam halten, und ſich demſelbigen empfehlen. Binnen zweener Tagefriſt hoffe er mit ſeiner Defenſion fertig zu ſein, umb ihr ſolche fürleſen zu können. — Als er nunmehro den Büttel wieder rief, kam ſelbiger aber nit, ſondern, ſchik¬ kete ſein Weib, umb die Gefängnüß zuzuſchließen, und nahm ich mit vielen Thränen von meim Kind Abſchied, unterdeß Dn. Syndicus auf ihren dreuſten Kerl ſchalt und ihr verzählete, was fürgefallen, umb es ihm wie¬ der zu ſagen. Doch ſchickete er das Weib noch einmal wegk, und kehrete alsdann wieder umb, ſagende, er hätte vergeſſen gewiſſe Kundſchaft einzuziehen, ob ſie wirklich die lateiniſche Sprach verſtünde. Sie möge alſo ihre Defenſion einmal auf lateiniſch ſagen, ſo es ihr müglich. Und hob ſie nunmehro an, eine Viertelſtunde lang und dar¬ über, ſelbige alſo zu führen, daß nit bloß Dn. Syndicus, ſondern ich ſelbſten mich über ſie verwundern mußte, ange¬ ſehen ihr kein einzig Wörtlein fehlte, denn das Wörtlein „Schweinsigel“ ſo wir beide in der Eile aber auch nit wußten, als ſie uns darumb befragete. Summa: Dn. Syndicus wurde ein groß Theil freundlicher als ſie ihre Oration beendiget, und valedicirete *) ihr mit dem Ver¬ ſprechen, ſich alſofort an die Arbeit zu machen. *) Nahm Abſchied.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/meinhold_bernsteinhexe_1843
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/meinhold_bernsteinhexe_1843/200
Zitationshilfe: Meinhold, Wilhelm: Maria Schweidler die Bernsteinhexe. Berlin, 1843, S. 184. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meinhold_bernsteinhexe_1843/200>, abgerufen am 25.11.2024.