hätte ihn gerufen. Blieb aber andächtig stehen, bis ich fertig war, und nachdem er sich anfänglich über meine schloweißen Haare verwundert, verzählete er, daß es schon bei sieben Uhren wär, item wäre meine halbe Gemein schon allhier bei ihme versammlet, um heute Zeugniß abzulegen, worunter auch mein Ackersknecht Claus Neels. Als ich solches vernommen, mußte der Krüger selbigen alsofort aufs Schloß schicken, umb zu fragen, wann das Verhör anhübe, worauf er die Botschaft brachte: daß man es nit wisse, inmassen Dn. Consul schon heute gen Mellenthin zu dem alten Nienkerken gefahren, aber noch nicht wieder zurücke wär. Diese Botschaft gab mir wieder einen guten Muth und fragete ich den Bur¬ schen: ob er auch kommen wär, umb gegen mein arm Kind zu zeugen? Darauf sagete er: nein, ich weiß Nich¬ tes von ihr denn Gutes, und wollte ich den Kerls wohl was brauchen, aber --
Solche Rede verwunderte mich und drang ich fast heftig in ihn mir sein Herze zu offenbaren. Aber er hub an zu weinen und sagte letzlich: er wisse nichtes. Ach er wußte nur zu viel und hätte jetzunder mein arm Kind retten können, so er gewollt. Aber aus Furcht vor der Marter schwieg er stille, wie er nachgehends bekannte. Und will ich hier gleich einrücken, was ihm diesen Mor¬ gen geariviret:
Er gehet, umb allein mit seiner Braut zu sein, welche ihm das Geleit geben (sie ist Steffen seine Tochter von Zempin, verstehe aber nicht den Bauern, sondern den
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hätte ihn gerufen. Blieb aber andächtig ſtehen, bis ich fertig war, und nachdem er ſich anfänglich über meine ſchloweißen Haare verwundert, verzählete er, daß es ſchon bei ſieben Uhren wär, item wäre meine halbe Gemein ſchon allhier bei ihme verſammlet, um heute Zeugniß abzulegen, worunter auch mein Ackersknecht Claus Neels. Als ich ſolches vernommen, mußte der Krüger ſelbigen alſofort aufs Schloß ſchicken, umb zu fragen, wann das Verhör anhübe, worauf er die Botſchaft brachte: daß man es nit wiſſe, inmaſſen Dn. Consul ſchon heute gen Mellenthin zu dem alten Nienkerken gefahren, aber noch nicht wieder zurücke wär. Dieſe Botſchaft gab mir wieder einen guten Muth und fragete ich den Bur¬ ſchen: ob er auch kommen wär, umb gegen mein arm Kind zu zeugen? Darauf ſagete er: nein, ich weiß Nich¬ tes von ihr denn Gutes, und wollte ich den Kerls wohl was brauchen, aber —
Solche Rede verwunderte mich und drang ich faſt heftig in ihn mir ſein Herze zu offenbaren. Aber er hub an zu weinen und ſagte letzlich: er wiſſe nichtes. Ach er wußte nur zu viel und hätte jetzunder mein arm Kind retten können, ſo er gewollt. Aber aus Furcht vor der Marter ſchwieg er ſtille, wie er nachgehends bekannte. Und will ich hier gleich einrücken, was ihm dieſen Mor¬ gen geariviret:
Er gehet, umb allein mit ſeiner Braut zu ſein, welche ihm das Geleit geben (ſie iſt Steffen ſeine Tochter von Zempin, verſtehe aber nicht den Bauern, ſondern den
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hätte ihn gerufen. Blieb aber andächtig ſtehen, bis ich
fertig war, und nachdem er ſich anfänglich über meine
ſchloweißen Haare verwundert, verzählete er, daß es ſchon
bei ſieben Uhren wär, item wäre meine halbe Gemein
ſchon allhier bei ihme verſammlet, um heute Zeugniß
abzulegen, worunter auch mein Ackersknecht Claus Neels.
Als ich ſolches vernommen, mußte der Krüger ſelbigen
alſofort aufs Schloß ſchicken, umb zu fragen, wann das
Verhör anhübe, worauf er die Botſchaft brachte: daß
man es nit wiſſe, inmaſſen Dn. Consul ſchon heute
gen Mellenthin zu dem alten Nienkerken gefahren, aber
noch nicht wieder zurücke wär. Dieſe Botſchaft gab
mir wieder einen guten Muth und fragete ich den Bur¬
ſchen: ob er auch kommen wär, umb gegen mein arm
Kind zu zeugen? Darauf ſagete er: nein, ich weiß Nich¬
tes von ihr denn Gutes, und wollte ich den Kerls wohl
was brauchen, aber —
Solche Rede verwunderte mich und drang ich faſt
heftig in ihn mir ſein Herze zu offenbaren. Aber er
hub an zu weinen und ſagte letzlich: er wiſſe nichtes.
Ach er wußte nur zu viel und hätte jetzunder mein arm
Kind retten können, ſo er gewollt. Aber aus Furcht vor
der Marter ſchwieg er ſtille, wie er nachgehends bekannte.
Und will ich hier gleich einrücken, was ihm dieſen Mor¬
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Zempin, verſtehe aber nicht den Bauern, ſondern den
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Meinhold, Wilhelm: Maria Schweidler die Bernsteinhexe. Berlin, 1843, S. 163. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meinhold_bernsteinhexe_1843/179>, abgerufen am 21.11.2024.
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