was ich aus Schaam nicht hieher setzen mag, rafften auch den Koth aus der Rönne, so aus der Schloßkü¬ chen läuft, und bewurfen uns damit, item mit einem großen Stein, der aber auf ein Pferd fiel, also, daß es scheu wurde, und vielleicht den Wagen umbgeworfen hätte, wenn nicht ein Kerl hinzugesprungen und es gehalten. Solches geschahe allens vor der Schloßpforten, in wel¬ cher der Amtshaubtmann lächelnd stund, eine Reiherfe¬ der auf seim grauen Hut, und uns zusahe. Als das Pferd aber zur Ruhe gebracht, kam er an den Wagen, und sprach spöttisch zu meinem Töchterlein: "sieh! Jung¬ fer, du wolltest nit zu mir kommen, und nun kommst du ja doch!" worauf sie zur Antwort gab: ja ich komme und möchtet Ihr einst zu Eurem Richter kommen, als ich zu Euch, worauf ich Amen sprach und ihn fragete, wie Se. Gestrengen es für Gott und Menschen verant¬ worten wölle, was er an mir armen Mann und meim Kind thäte? Aber er antwortete: warumb ich mitgekom¬ men? und als ich ihm von dem unartigen Volk hieselbst, item von dem argen Mühlenknappen sagte, vermeinete er: dieses wäre nicht seine Schuld, bedräuete auch das Volk umbher mit der Faust, so einen großen Rumor machte. Darauf befahl er meim Töchterlein abzusteigen, und ihme zu folgen, trat voran in das Schloß, winkete dem Büttel, so mitlaufen wollte, unten an der Trep¬ pen zu verharren, und hob an mit meim Kind allein den Windelstein in die obern Gemächer aufzusteigen.
Aber sie bliese mir heimlich zu: " Vater verlaßt mich
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was ich aus Schaam nicht hieher ſetzen mag, rafften auch den Koth aus der Rönne, ſo aus der Schloßkü¬ chen läuft, und bewurfen uns damit, item mit einem großen Stein, der aber auf ein Pferd fiel, alſo, daß es ſcheu wurde, und vielleicht den Wagen umbgeworfen hätte, wenn nicht ein Kerl hinzugeſprungen und es gehalten. Solches geſchahe allens vor der Schloßpforten, in wel¬ cher der Amtshaubtmann lächelnd ſtund, eine Reiherfe¬ der auf ſeim grauen Hut, und uns zuſahe. Als das Pferd aber zur Ruhe gebracht, kam er an den Wagen, und ſprach ſpöttiſch zu meinem Töchterlein: „ſieh! Jung¬ fer, du wollteſt nit zu mir kommen, und nun kommſt du ja doch!“ worauf ſie zur Antwort gab: ja ich komme und möchtet Ihr einſt zu Eurem Richter kommen, als ich zu Euch, worauf ich Amen ſprach und ihn fragete, wie Se. Geſtrengen es für Gott und Menſchen verant¬ worten wölle, was er an mir armen Mann und meim Kind thäte? Aber er antwortete: warumb ich mitgekom¬ men? und als ich ihm von dem unartigen Volk hieſelbſt, item von dem argen Mühlenknappen ſagte, vermeinete er: dieſes wäre nicht ſeine Schuld, bedräuete auch das Volk umbher mit der Fauſt, ſo einen großen Rumor machte. Darauf befahl er meim Töchterlein abzuſteigen, und ihme zu folgen, trat voran in das Schloß, winkete dem Büttel, ſo mitlaufen wollte, unten an der Trep¬ pen zu verharren, und hob an mit meim Kind allein den Windelſtein in die obern Gemächer aufzuſteigen.
Aber ſie blieſe mir heimlich zu: „ Vater verlaßt mich
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was ich aus Schaam nicht hieher ſetzen mag, rafften
auch den Koth aus der Rönne, ſo aus der Schloßkü¬
chen läuft, und bewurfen uns damit, item mit einem
großen Stein, der aber auf ein Pferd fiel, alſo, daß es
ſcheu wurde, und vielleicht den Wagen umbgeworfen hätte,
wenn nicht ein Kerl hinzugeſprungen und es gehalten.
Solches geſchahe allens vor der Schloßpforten, in wel¬
cher der Amtshaubtmann lächelnd ſtund, eine Reiherfe¬
der auf ſeim grauen Hut, und uns zuſahe. Als das
Pferd aber zur Ruhe gebracht, kam er an den Wagen,
und ſprach ſpöttiſch zu meinem Töchterlein: „ſieh! Jung¬
fer, du wollteſt nit zu mir kommen, und nun kommſt
du ja doch!“ worauf ſie zur Antwort gab: ja ich komme
und möchtet Ihr einſt zu Eurem Richter kommen, als
ich zu Euch, worauf ich Amen ſprach und ihn fragete,
wie Se. Geſtrengen es für Gott und Menſchen verant¬
worten wölle, was er an mir armen Mann und meim
Kind thäte? Aber er antwortete: warumb ich mitgekom¬
men? und als ich ihm von dem unartigen Volk hieſelbſt,
item von dem argen Mühlenknappen ſagte, vermeinete
er: dieſes wäre nicht ſeine Schuld, bedräuete auch das
Volk umbher mit der Fauſt, ſo einen großen Rumor
machte. Darauf befahl er meim Töchterlein abzuſteigen,
und ihme zu folgen, trat voran in das Schloß, winkete
dem Büttel, ſo mitlaufen wollte, unten an der Trep¬
pen zu verharren, und hob an mit meim Kind allein
den Windelſtein in die obern Gemächer aufzuſteigen.
Aber ſie blieſe mir heimlich zu: „ Vater verlaßt mich
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Meinhold, Wilhelm: Maria Schweidler die Bernsteinhexe. Berlin, 1843, S. 129. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meinhold_bernsteinhexe_1843/145>, abgerufen am 23.11.2024.
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