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Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 2. Leipzig, 1896.

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§ 61. Untergang des Selbstverwaltungskörpers.
Wirkungskreise getrennt hat. Mit dem Wegfall dieser juristischen
Person kehrt es wieder zum Staate zurück mit allem, was dazu
gehört25.

Was im ordentlichen Gange der Verwaltung vorkommen kann,
das sind lediglich Verschiebungen innerhalb des Bestandes von Ge-
bietskörperschaften einer gewissen Art und Stufe, mit Änderungen
lediglich für die einzelnen Körper, die betroffen sind. Wir unter-
scheiden: Teilung einer Gemeinde, so daß aus der bisherigen zwei
neue entstehen; Abzweigung von einer Gemeinde, wo die alte im
verminderten Gebiete verbleibt und auf dem abgetrennten Gebiets-
stück eine neue Gemeinde gebildet wird; Vereinigung zweier Ge-
meinden, so daß die bisherigen zwei fortan nur eine bilden; Ein-
verleibung,
wo die eine Gemeinde in die andere aufgeht; endlich
bloße Gebietsveränderungen, wobei nur ein Teil des Gebietes
der einen Gemeinde zu dem einer Nachbargemeinde geschlagen wird26.
Für die dabei in Frage kommenden Gemeinden bedeutet der Vorgang
entweder eine Entstehung oder eine Endigung oder eine Verfassungs-
änderung. Die Vereinigung ist Endigung der beiden ursprünglichen
Gemeinden und Entstehung der neuen einen, die Teilung Endigung
der ursprünglichen einen, Entstehung der neuen zwei; die Gebiets-
veränderung ist Verfassungsänderung für die beiden betroffenen u. s. w.

Insofern nicht das ganze Staatsgebiet unter die betreffende Art
von Gemeinden aufgeteilt ist, ergiebt sich sogar die Möglichkeit einer
absoluten Neuentstehung und eines absoluten Unter-
gangs
. Für die Ortsgemeinden insbesondere bietet sich diese Mög-
lichkeit dadurch, daß selbständige Gutsbezirke und schlecht-
hin ausmärkische Bezirke
neben ihnen stehen: Gemeinden
können aus diesen vergrößert, zu deren Gunsten verkleinert werden;
sie können auch ganz aus solchen Bezirken neu entstehen und ganz
in sie übergeführt werden27.

25 Wenn man also Gemeinden und öffentliche Genossenschaften in einen
allgemeinen Körperschaftsbegriff zusammenwirft, bekommt man das schiefe Er-
gebnis, daß für diese Körperschaft bald das Heimfalls-, bald das Anfallsrecht das
Natürliche ist. Gierke, Gen.Theorie S. 868; vgl. oben § 56 Note 11.
26 Die Gebietsveränderung kann ganze Ortschaften umfassen oder nur un-
bewohntes Gelände, immer ist sie der rechtlichen Natur der Gemeinde wegen Ver-
fassungsänderung: Seydel, Bayr. St.R. III S. 81; Möller, Preuß. Stadt-R.
S. 60; Christ, Bad. Gem.Ges. S. 5. -- Erleichterungen bestehen dagegen für
bloße Grenzberichtigung: Oertel, Preuß. Städte-Ord. S. 10 n. 7.
27 Preuß. Städte-Ord. v. 1853 § 2 (Oertel a. a. O. § 8 ff.); Bayr. Gem.Ord.
Art. 3 (Weber, Kom. S. 3); Bad. Gem.Ord. v. 1831 (Christ, Bad. Gem.Ges.
Binding, Handbuch. VI. 2: Otto Mayer, Verwaltungsr. II. 29

§ 61. Untergang des Selbstverwaltungskörpers.
Wirkungskreise getrennt hat. Mit dem Wegfall dieser juristischen
Person kehrt es wieder zum Staate zurück mit allem, was dazu
gehört25.

Was im ordentlichen Gange der Verwaltung vorkommen kann,
das sind lediglich Verschiebungen innerhalb des Bestandes von Ge-
bietskörperschaften einer gewissen Art und Stufe, mit Änderungen
lediglich für die einzelnen Körper, die betroffen sind. Wir unter-
scheiden: Teilung einer Gemeinde, so daß aus der bisherigen zwei
neue entstehen; Abzweigung von einer Gemeinde, wo die alte im
verminderten Gebiete verbleibt und auf dem abgetrennten Gebiets-
stück eine neue Gemeinde gebildet wird; Vereinigung zweier Ge-
meinden, so daß die bisherigen zwei fortan nur eine bilden; Ein-
verleibung,
wo die eine Gemeinde in die andere aufgeht; endlich
bloße Gebietsveränderungen, wobei nur ein Teil des Gebietes
der einen Gemeinde zu dem einer Nachbargemeinde geschlagen wird26.
Für die dabei in Frage kommenden Gemeinden bedeutet der Vorgang
entweder eine Entstehung oder eine Endigung oder eine Verfassungs-
änderung. Die Vereinigung ist Endigung der beiden ursprünglichen
Gemeinden und Entstehung der neuen einen, die Teilung Endigung
der ursprünglichen einen, Entstehung der neuen zwei; die Gebiets-
veränderung ist Verfassungsänderung für die beiden betroffenen u. s. w.

Insofern nicht das ganze Staatsgebiet unter die betreffende Art
von Gemeinden aufgeteilt ist, ergiebt sich sogar die Möglichkeit einer
absoluten Neuentstehung und eines absoluten Unter-
gangs
. Für die Ortsgemeinden insbesondere bietet sich diese Mög-
lichkeit dadurch, daß selbständige Gutsbezirke und schlecht-
hin ausmärkische Bezirke
neben ihnen stehen: Gemeinden
können aus diesen vergrößert, zu deren Gunsten verkleinert werden;
sie können auch ganz aus solchen Bezirken neu entstehen und ganz
in sie übergeführt werden27.

25 Wenn man also Gemeinden und öffentliche Genossenschaften in einen
allgemeinen Körperschaftsbegriff zusammenwirft, bekommt man das schiefe Er-
gebnis, daß für diese Körperschaft bald das Heimfalls-, bald das Anfallsrecht das
Natürliche ist. Gierke, Gen.Theorie S. 868; vgl. oben § 56 Note 11.
26 Die Gebietsveränderung kann ganze Ortschaften umfassen oder nur un-
bewohntes Gelände, immer ist sie der rechtlichen Natur der Gemeinde wegen Ver-
fassungsänderung: Seydel, Bayr. St.R. III S. 81; Möller, Preuß. Stadt-R.
S. 60; Christ, Bad. Gem.Ges. S. 5. — Erleichterungen bestehen dagegen für
bloße Grenzberichtigung: Oertel, Preuß. Städte-Ord. S. 10 n. 7.
27 Preuß. Städte-Ord. v. 1853 § 2 (Oertel a. a. O. § 8 ff.); Bayr. Gem.Ord.
Art. 3 (Weber, Kom. S. 3); Bad. Gem.Ord. v. 1831 (Christ, Bad. Gem.Ges.
Binding, Handbuch. VI. 2: Otto Mayer, Verwaltungsr. II. 29
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[449/0461] § 61. Untergang des Selbstverwaltungskörpers. Wirkungskreise getrennt hat. Mit dem Wegfall dieser juristischen Person kehrt es wieder zum Staate zurück mit allem, was dazu gehört 25. Was im ordentlichen Gange der Verwaltung vorkommen kann, das sind lediglich Verschiebungen innerhalb des Bestandes von Ge- bietskörperschaften einer gewissen Art und Stufe, mit Änderungen lediglich für die einzelnen Körper, die betroffen sind. Wir unter- scheiden: Teilung einer Gemeinde, so daß aus der bisherigen zwei neue entstehen; Abzweigung von einer Gemeinde, wo die alte im verminderten Gebiete verbleibt und auf dem abgetrennten Gebiets- stück eine neue Gemeinde gebildet wird; Vereinigung zweier Ge- meinden, so daß die bisherigen zwei fortan nur eine bilden; Ein- verleibung, wo die eine Gemeinde in die andere aufgeht; endlich bloße Gebietsveränderungen, wobei nur ein Teil des Gebietes der einen Gemeinde zu dem einer Nachbargemeinde geschlagen wird 26. Für die dabei in Frage kommenden Gemeinden bedeutet der Vorgang entweder eine Entstehung oder eine Endigung oder eine Verfassungs- änderung. Die Vereinigung ist Endigung der beiden ursprünglichen Gemeinden und Entstehung der neuen einen, die Teilung Endigung der ursprünglichen einen, Entstehung der neuen zwei; die Gebiets- veränderung ist Verfassungsänderung für die beiden betroffenen u. s. w. Insofern nicht das ganze Staatsgebiet unter die betreffende Art von Gemeinden aufgeteilt ist, ergiebt sich sogar die Möglichkeit einer absoluten Neuentstehung und eines absoluten Unter- gangs. Für die Ortsgemeinden insbesondere bietet sich diese Mög- lichkeit dadurch, daß selbständige Gutsbezirke und schlecht- hin ausmärkische Bezirke neben ihnen stehen: Gemeinden können aus diesen vergrößert, zu deren Gunsten verkleinert werden; sie können auch ganz aus solchen Bezirken neu entstehen und ganz in sie übergeführt werden 27. 25 Wenn man also Gemeinden und öffentliche Genossenschaften in einen allgemeinen Körperschaftsbegriff zusammenwirft, bekommt man das schiefe Er- gebnis, daß für diese Körperschaft bald das Heimfalls-, bald das Anfallsrecht das Natürliche ist. Gierke, Gen.Theorie S. 868; vgl. oben § 56 Note 11. 26 Die Gebietsveränderung kann ganze Ortschaften umfassen oder nur un- bewohntes Gelände, immer ist sie der rechtlichen Natur der Gemeinde wegen Ver- fassungsänderung: Seydel, Bayr. St.R. III S. 81; Möller, Preuß. Stadt-R. S. 60; Christ, Bad. Gem.Ges. S. 5. — Erleichterungen bestehen dagegen für bloße Grenzberichtigung: Oertel, Preuß. Städte-Ord. S. 10 n. 7. 27 Preuß. Städte-Ord. v. 1853 § 2 (Oertel a. a. O. § 8 ff.); Bayr. Gem.Ord. Art. 3 (Weber, Kom. S. 3); Bad. Gem.Ord. v. 1831 (Christ, Bad. Gem.Ges. Binding, Handbuch. VI. 2: Otto Mayer, Verwaltungsr. II. 29

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Zitationshilfe: Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 2. Leipzig, 1896, S. 449. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mayer_verwaltungsrecht02_1896/461>, abgerufen am 07.05.2024.