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Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 2. Leipzig, 1896.

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§ 58. Das Recht der Vertreterschaft.
auch auf die Nebenpunkte und ihre Eröffnung an den Gewählten
macht diese rechtsverbindlich zwischen ihm und der Gemeinde, für
die sie ergeht20.

Soweit ein solcher mit der Wahl sich verbindender Verwaltungs-
akt nicht vorgesehen ist, ist es nicht möglich, die einfache gesetzliche
Wirkung des Wahlaktes mit Nebenbestimmungen zu verumstanden.
Da ist es aber eben auch der Wille des Gesetzes, daß es nicht mög-
lich sein soll. Damit ist nicht gesagt, daß nicht in anderer Weise noch
Maßregeln getroffen werden können, um dem gewählten Beamten
Entschädigungen und Vergütungen zu gewähren; in der Zuständig-
keit zur Verwaltung des Gemeindevermögens liegt auch die Be-
friedigung solcher Billigkeitsansprüche. Das sind aber selbständige
Akte, die keinen Bestandteil der Begründung des Dienstverhältnisses
bilden. --

Die zweite Besonderheit des Dienstpflichtverhältnisses der Ge-
meindevertretungsämter bezieht sich auf die dazu gehörige Dienst-
gewalt
. Diese erscheint hier erheblich abgeschwächt. Der Grund
liegt darin, daß diese Beamten als solche keinen Dienstvorgesetzten
haben, der diese Gewalt namens des Selbstverwaltungskörpers aus-
über könnte.

Magistrat und Bürgermeister müssen gelten lassen, was die Stadt-
verordneten in ihrer Zuständigkeit beschlossen haben; der Bürger-
meister ist gebunden zur Vollziehung der zuständigerweise gefaßten
Beschlüsse des Magistrats. Das sind Abhängigkeiten vergleichbar
denen zwischen Untergericht und Obergericht21. Die Aufsichtsgewalt
(unten § 59) greift ein, um im Einzelfall zu bestimmen, was namens
des Selbstverwaltungskörpers zu geschehen und nicht zu geschehen
hat; das wirkt dann mittelbar zur Bestimmung des Inhalts der Dienst-
pflicht der Gemeindevertretungsbeamten. Aber einen Dienstbefehl
im Einzelakt oder Generalverfügung ihnen gegenüber giebt es nicht.
Sie besitzen die amtliche Unabhängigkeit in dem oben § 45, I n. 3
entwickelten Begriffe.

20 Oertel, Städte-Ord. I S. 104: "Die getroffene Wahl und ihre wesentlichen
Modalitäten" werden perfekt durch die Bestätigung.
21 Jolly in Wörterbuch I S. 522 bezeichnet die Mitglieder des Gemeinde-
vorstandes (Magistrat) und die Gemeindevorsteher ohne weiteres als "Personen,
welche in dienstlicher Unterordnung unter ein Gemeinde-Organ kraft eines speciell
auf ihre Person bezüglichen öffentlichrechtlichen Aktes Geschäfte der Gemeinde zu
besorgen haben". Als das dienstlich vorgesetzte Gemeinde-Organ kann er sich
nur den Gemeinderat, die Stadtverordneten denken. Das gegenseitige Verhältnis
dürfte aber damit durchaus nicht richtig bezeichnet sein.

§ 58. Das Recht der Vertreterschaft.
auch auf die Nebenpunkte und ihre Eröffnung an den Gewählten
macht diese rechtsverbindlich zwischen ihm und der Gemeinde, für
die sie ergeht20.

Soweit ein solcher mit der Wahl sich verbindender Verwaltungs-
akt nicht vorgesehen ist, ist es nicht möglich, die einfache gesetzliche
Wirkung des Wahlaktes mit Nebenbestimmungen zu verumstanden.
Da ist es aber eben auch der Wille des Gesetzes, daß es nicht mög-
lich sein soll. Damit ist nicht gesagt, daß nicht in anderer Weise noch
Maßregeln getroffen werden können, um dem gewählten Beamten
Entschädigungen und Vergütungen zu gewähren; in der Zuständig-
keit zur Verwaltung des Gemeindevermögens liegt auch die Be-
friedigung solcher Billigkeitsansprüche. Das sind aber selbständige
Akte, die keinen Bestandteil der Begründung des Dienstverhältnisses
bilden. —

Die zweite Besonderheit des Dienstpflichtverhältnisses der Ge-
meindevertretungsämter bezieht sich auf die dazu gehörige Dienst-
gewalt
. Diese erscheint hier erheblich abgeschwächt. Der Grund
liegt darin, daß diese Beamten als solche keinen Dienstvorgesetzten
haben, der diese Gewalt namens des Selbstverwaltungskörpers aus-
über könnte.

Magistrat und Bürgermeister müssen gelten lassen, was die Stadt-
verordneten in ihrer Zuständigkeit beschlossen haben; der Bürger-
meister ist gebunden zur Vollziehung der zuständigerweise gefaßten
Beschlüsse des Magistrats. Das sind Abhängigkeiten vergleichbar
denen zwischen Untergericht und Obergericht21. Die Aufsichtsgewalt
(unten § 59) greift ein, um im Einzelfall zu bestimmen, was namens
des Selbstverwaltungskörpers zu geschehen und nicht zu geschehen
hat; das wirkt dann mittelbar zur Bestimmung des Inhalts der Dienst-
pflicht der Gemeindevertretungsbeamten. Aber einen Dienstbefehl
im Einzelakt oder Generalverfügung ihnen gegenüber giebt es nicht.
Sie besitzen die amtliche Unabhängigkeit in dem oben § 45, I n. 3
entwickelten Begriffe.

20 Oertel, Städte-Ord. I S. 104: „Die getroffene Wahl und ihre wesentlichen
Modalitäten“ werden perfekt durch die Bestätigung.
21 Jolly in Wörterbuch I S. 522 bezeichnet die Mitglieder des Gemeinde-
vorstandes (Magistrat) und die Gemeindevorsteher ohne weiteres als „Personen,
welche in dienstlicher Unterordnung unter ein Gemeinde-Organ kraft eines speciell
auf ihre Person bezüglichen öffentlichrechtlichen Aktes Geschäfte der Gemeinde zu
besorgen haben“. Als das dienstlich vorgesetzte Gemeinde-Organ kann er sich
nur den Gemeinderat, die Stadtverordneten denken. Das gegenseitige Verhältnis
dürfte aber damit durchaus nicht richtig bezeichnet sein.
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[407/0419] § 58. Das Recht der Vertreterschaft. auch auf die Nebenpunkte und ihre Eröffnung an den Gewählten macht diese rechtsverbindlich zwischen ihm und der Gemeinde, für die sie ergeht 20. Soweit ein solcher mit der Wahl sich verbindender Verwaltungs- akt nicht vorgesehen ist, ist es nicht möglich, die einfache gesetzliche Wirkung des Wahlaktes mit Nebenbestimmungen zu verumstanden. Da ist es aber eben auch der Wille des Gesetzes, daß es nicht mög- lich sein soll. Damit ist nicht gesagt, daß nicht in anderer Weise noch Maßregeln getroffen werden können, um dem gewählten Beamten Entschädigungen und Vergütungen zu gewähren; in der Zuständig- keit zur Verwaltung des Gemeindevermögens liegt auch die Be- friedigung solcher Billigkeitsansprüche. Das sind aber selbständige Akte, die keinen Bestandteil der Begründung des Dienstverhältnisses bilden. — Die zweite Besonderheit des Dienstpflichtverhältnisses der Ge- meindevertretungsämter bezieht sich auf die dazu gehörige Dienst- gewalt. Diese erscheint hier erheblich abgeschwächt. Der Grund liegt darin, daß diese Beamten als solche keinen Dienstvorgesetzten haben, der diese Gewalt namens des Selbstverwaltungskörpers aus- über könnte. Magistrat und Bürgermeister müssen gelten lassen, was die Stadt- verordneten in ihrer Zuständigkeit beschlossen haben; der Bürger- meister ist gebunden zur Vollziehung der zuständigerweise gefaßten Beschlüsse des Magistrats. Das sind Abhängigkeiten vergleichbar denen zwischen Untergericht und Obergericht 21. Die Aufsichtsgewalt (unten § 59) greift ein, um im Einzelfall zu bestimmen, was namens des Selbstverwaltungskörpers zu geschehen und nicht zu geschehen hat; das wirkt dann mittelbar zur Bestimmung des Inhalts der Dienst- pflicht der Gemeindevertretungsbeamten. Aber einen Dienstbefehl im Einzelakt oder Generalverfügung ihnen gegenüber giebt es nicht. Sie besitzen die amtliche Unabhängigkeit in dem oben § 45, I n. 3 entwickelten Begriffe. 20 Oertel, Städte-Ord. I S. 104: „Die getroffene Wahl und ihre wesentlichen Modalitäten“ werden perfekt durch die Bestätigung. 21 Jolly in Wörterbuch I S. 522 bezeichnet die Mitglieder des Gemeinde- vorstandes (Magistrat) und die Gemeindevorsteher ohne weiteres als „Personen, welche in dienstlicher Unterordnung unter ein Gemeinde-Organ kraft eines speciell auf ihre Person bezüglichen öffentlichrechtlichen Aktes Geschäfte der Gemeinde zu besorgen haben“. Als das dienstlich vorgesetzte Gemeinde-Organ kann er sich nur den Gemeinderat, die Stadtverordneten denken. Das gegenseitige Verhältnis dürfte aber damit durchaus nicht richtig bezeichnet sein.

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Zitationshilfe: Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 2. Leipzig, 1896, S. 407. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mayer_verwaltungsrecht02_1896/419>, abgerufen am 07.05.2024.