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Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 2. Leipzig, 1896.

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Das Recht der juristischen Personen.
Wille auf ihn gerichtet ist4. Das geschieht am vollkommensten in
der Form der Einzelverfügung, mit oder ohne ermächtigendes Gesetz
dahinter. Wo ein Rechtssatz bestimmt, daß in gewissen Fällen ein
Selbstverwaltungskörper entstehen soll, wird sich zur Wirksammachung
desselben im Einzelfall immer erst noch ein Verwaltungsakt, eine Ent-
scheidung dazwischen schieben, die dem staatlichen Schöpfungswillen
die Bestimmtheit des Gegenstandes giebt. Unmittelbare Wirkung wird
ein allgemein lautendes Gesetz dieses Inhalts nur dann beanspruchen,
wenn es die Fälle, für welche es zutrifft, in bestimmten Gestalten
schon vor sich hat. Das Hauptbeispiel dafür bietet die Erhebung von
bisherigen bloßen Verwaltungsbezirken zu Selbstverwaltungskörpern.

3. Der neugegründete Selbstverwaltungskörper erhält seine Ver-
fassung
. Gewisse wesentliche Stücke derselben sind in der Ent-
stehung der juristischen Person notwendig schon enthalten: sie be-
kommt ihre Individualität ja nur durch die Bestimmung ihres Zweckes
nach Gegenstand der Thätigkeit, räumlichen Grundlagen und An-
gehörigenschaft (oben S. 376 ff.). Zu ihrer Lebensfähigkeit gehört
aber auch die Vertretungsordnung. Diese kann nachträglich hinzu-
kommen ebenso wie etwaige genauere Bestimmungen des Zweckes.

Die Verfassung kann rechtssatzmäßig bestimmt sein. Das ist
namentlich der Fall bei den vorgefundenen Gemeinden, die neu ge-
ordnet, und bei neuen Gebietskörperschaften, die durch allgemein
lautendes Gesetz geschaffen werden. Aber auch wo die Entstehung
durch Verwaltungsakt bewirkt wird, kann eine solche rechtssatzmäßige
Ordnung im voraus gegeben sein. Das kann soweit gehen, daß der
Verwaltungsakt nur noch den Einzelfall bestimmt, in welchem eine
mit der fertigen Verfassung ausgerüstete juristische Person ins
Leben tritt.

Die Verfassung kann aber auch durch den schöpferischen Ver-
waltungsakt im Einzelfall bestimmt werden, neben rechtssatzmäßigen
Bestimmungen, soweit diese dafür Raum lassen, oder ganz frei, wo
solche nicht gegeben sind. Eine derartige Bestimmung der Verfassung
für den Einzelfall nennen wir das Statut des Selbstverwaltungs-
körpers
. Dabei kann eine Mitwirkung der Angehörigen des Selbst-

4 Gierke, Gen.Theorie S. 21 ff., führt aus, es sei bei der Entstehung der
juristischen Person scharf zu unterscheiden zwischen dem, "was der Staat als
Rechtsorgan, und dem, was der Staat als lebendiges Machtwesen leisten soll und
kann". Diese letztere Seite des Staates ist nach uns bei der Entstehung von Selbst-
verwaltungskörpern in Frage; er verwaltet, indem: er sie schafft. Dadurch ist
nicht ausgeschlossen, daß er damit zugleich etwas für die Rechtsordnung Bedeut-
sames setzt.

Das Recht der juristischen Personen.
Wille auf ihn gerichtet ist4. Das geschieht am vollkommensten in
der Form der Einzelverfügung, mit oder ohne ermächtigendes Gesetz
dahinter. Wo ein Rechtssatz bestimmt, daß in gewissen Fällen ein
Selbstverwaltungskörper entstehen soll, wird sich zur Wirksammachung
desselben im Einzelfall immer erst noch ein Verwaltungsakt, eine Ent-
scheidung dazwischen schieben, die dem staatlichen Schöpfungswillen
die Bestimmtheit des Gegenstandes giebt. Unmittelbare Wirkung wird
ein allgemein lautendes Gesetz dieses Inhalts nur dann beanspruchen,
wenn es die Fälle, für welche es zutrifft, in bestimmten Gestalten
schon vor sich hat. Das Hauptbeispiel dafür bietet die Erhebung von
bisherigen bloßen Verwaltungsbezirken zu Selbstverwaltungskörpern.

3. Der neugegründete Selbstverwaltungskörper erhält seine Ver-
fassung
. Gewisse wesentliche Stücke derselben sind in der Ent-
stehung der juristischen Person notwendig schon enthalten: sie be-
kommt ihre Individualität ja nur durch die Bestimmung ihres Zweckes
nach Gegenstand der Thätigkeit, räumlichen Grundlagen und An-
gehörigenschaft (oben S. 376 ff.). Zu ihrer Lebensfähigkeit gehört
aber auch die Vertretungsordnung. Diese kann nachträglich hinzu-
kommen ebenso wie etwaige genauere Bestimmungen des Zweckes.

Die Verfassung kann rechtssatzmäßig bestimmt sein. Das ist
namentlich der Fall bei den vorgefundenen Gemeinden, die neu ge-
ordnet, und bei neuen Gebietskörperschaften, die durch allgemein
lautendes Gesetz geschaffen werden. Aber auch wo die Entstehung
durch Verwaltungsakt bewirkt wird, kann eine solche rechtssatzmäßige
Ordnung im voraus gegeben sein. Das kann soweit gehen, daß der
Verwaltungsakt nur noch den Einzelfall bestimmt, in welchem eine
mit der fertigen Verfassung ausgerüstete juristische Person ins
Leben tritt.

Die Verfassung kann aber auch durch den schöpferischen Ver-
waltungsakt im Einzelfall bestimmt werden, neben rechtssatzmäßigen
Bestimmungen, soweit diese dafür Raum lassen, oder ganz frei, wo
solche nicht gegeben sind. Eine derartige Bestimmung der Verfassung
für den Einzelfall nennen wir das Statut des Selbstverwaltungs-
körpers
. Dabei kann eine Mitwirkung der Angehörigen des Selbst-

4 Gierke, Gen.Theorie S. 21 ff., führt aus, es sei bei der Entstehung der
juristischen Person scharf zu unterscheiden zwischen dem, „was der Staat als
Rechtsorgan, und dem, was der Staat als lebendiges Machtwesen leisten soll und
kann“. Diese letztere Seite des Staates ist nach uns bei der Entstehung von Selbst-
verwaltungskörpern in Frage; er verwaltet, indem: er sie schafft. Dadurch ist
nicht ausgeschlossen, daß er damit zugleich etwas für die Rechtsordnung Bedeut-
sames setzt.
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[390/0402] Das Recht der juristischen Personen. Wille auf ihn gerichtet ist 4. Das geschieht am vollkommensten in der Form der Einzelverfügung, mit oder ohne ermächtigendes Gesetz dahinter. Wo ein Rechtssatz bestimmt, daß in gewissen Fällen ein Selbstverwaltungskörper entstehen soll, wird sich zur Wirksammachung desselben im Einzelfall immer erst noch ein Verwaltungsakt, eine Ent- scheidung dazwischen schieben, die dem staatlichen Schöpfungswillen die Bestimmtheit des Gegenstandes giebt. Unmittelbare Wirkung wird ein allgemein lautendes Gesetz dieses Inhalts nur dann beanspruchen, wenn es die Fälle, für welche es zutrifft, in bestimmten Gestalten schon vor sich hat. Das Hauptbeispiel dafür bietet die Erhebung von bisherigen bloßen Verwaltungsbezirken zu Selbstverwaltungskörpern. 3. Der neugegründete Selbstverwaltungskörper erhält seine Ver- fassung. Gewisse wesentliche Stücke derselben sind in der Ent- stehung der juristischen Person notwendig schon enthalten: sie be- kommt ihre Individualität ja nur durch die Bestimmung ihres Zweckes nach Gegenstand der Thätigkeit, räumlichen Grundlagen und An- gehörigenschaft (oben S. 376 ff.). Zu ihrer Lebensfähigkeit gehört aber auch die Vertretungsordnung. Diese kann nachträglich hinzu- kommen ebenso wie etwaige genauere Bestimmungen des Zweckes. Die Verfassung kann rechtssatzmäßig bestimmt sein. Das ist namentlich der Fall bei den vorgefundenen Gemeinden, die neu ge- ordnet, und bei neuen Gebietskörperschaften, die durch allgemein lautendes Gesetz geschaffen werden. Aber auch wo die Entstehung durch Verwaltungsakt bewirkt wird, kann eine solche rechtssatzmäßige Ordnung im voraus gegeben sein. Das kann soweit gehen, daß der Verwaltungsakt nur noch den Einzelfall bestimmt, in welchem eine mit der fertigen Verfassung ausgerüstete juristische Person ins Leben tritt. Die Verfassung kann aber auch durch den schöpferischen Ver- waltungsakt im Einzelfall bestimmt werden, neben rechtssatzmäßigen Bestimmungen, soweit diese dafür Raum lassen, oder ganz frei, wo solche nicht gegeben sind. Eine derartige Bestimmung der Verfassung für den Einzelfall nennen wir das Statut des Selbstverwaltungs- körpers. Dabei kann eine Mitwirkung der Angehörigen des Selbst- 4 Gierke, Gen.Theorie S. 21 ff., führt aus, es sei bei der Entstehung der juristischen Person scharf zu unterscheiden zwischen dem, „was der Staat als Rechtsorgan, und dem, was der Staat als lebendiges Machtwesen leisten soll und kann“. Diese letztere Seite des Staates ist nach uns bei der Entstehung von Selbst- verwaltungskörpern in Frage; er verwaltet, indem: er sie schafft. Dadurch ist nicht ausgeschlossen, daß er damit zugleich etwas für die Rechtsordnung Bedeut- sames setzt.

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Zitationshilfe: Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 2. Leipzig, 1896, S. 390. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mayer_verwaltungsrecht02_1896/402>, abgerufen am 22.11.2024.