Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 2. Leipzig, 1896.

Bild:
<< vorherige Seite
Das Recht der juristischen Personen.

In einem besonderen Sinne ist aber Unterthan der subditus per-
petuus, der Staatseinwohner, der seinen ständigen Aufenthalt
auf dem Gebiete hat; er ist ausgezeichnet vor dem vorübergehend
anwesenden Fremden als Gegenstand besonderer Fürsorge und be-
sonderer Anforderungen von seiten des Staates. Indem nun die Staats-
persönlichkeit zu schärferer Ausprägung gelangt, tritt auch der Staats-
einwohner in die feste bestimmte Stellung, die zu diesem Begriff ge-
hört: er wird Staatsangehöriger. Der Staat ist die juristische
Person für das Volk, d. h. für die Einwohnerschaft seines Gebietes,
oder für das Vaterland, d. h. für das in der Einwohnerschaft
lebendige Gebiet12.

Die Gemeinde, die von ihrer genossenschaftlichen Vergangenheit
losgelöst, fast zum bloßen Verwaltungsbezirk herabgedrückt worden
war, erhält mit der Wiederbelebung ihrer Selbständigkeit die gleiche
Art von Grundlage ihrer juristischen Persönlichkeit. Der Kreis der
Gemeindeangehörigen grenzt sich ab durch das Gemeindegebiet:
die Gemeindeeinwohnerschaft, die Bevölkerung des Gemeindegebietes
bildet für sie ein Gemeindevolk, entsprechend dem großen Volk,
das in der juristischen Persönlichkeit des Staates die Zusammenfassung
seiner Interessen findet.

Vermittelt durch den Begriff des Gebietes, bestimmt also die that-
sächliche Gemeinschaft des Wohnsitzes den Kreis der Angehörigen
dieser juristischen Personen. Damit vereinbart es sich leicht, daß
familienrechtliche Beziehungen die Wirkungen dieser Thatsache noch
weiter erstrecken können: das Kind erbt die durch den Wohnsitz des
Vaters bestimmte Angehörigkeit, die Ehefrau erwirbt die des Mannes.
Die grundlegende Bedeutung des Gebietes verschwindet aber auch
dann nicht, wenn die Angehörigkeit geordnet ist nach den scheinbar
entgegengesetzten Grundsätzen des bayrischen Heimatsrechts und des
Reichsgesetzes über Bundes- und Staatsangehörigkeit. Der Wohnsitz
im Gebiet erscheint hier allerdings nicht mehr als selbständiger Grund
der Angehörigkeit. Aber die Verleihung derselben ist bedingt durch
ihn, und ihr Verlust knüpft sich an den dauernden Wohnsitz im Aus-
land. Vor allem wird der Zusammenhang zwischen Wohnsitz und
Angehörigkeit aufrecht erhalten durch die Möglichkeit der Versagung
des Aufenthaltes auf unserem Gebiete für Nichtangehörige, die Aus-

12 Seydel, Grundzüge S. 4, stellt als "begriffliche Erfordernisse" des Staates
auf: "1. Land und Leute, welche 2. ein höchster Wille beherrscht". N. 1 giebt
die Bestimmung der Angehörigen der juristischen Person, N. 2 ihre Vertretung.
Diese juristische Person selbst will Seydel allerdings nicht anerkennen. Darüber
Bernatzik in Arch. f. öff. R. V Seite 252 Note.
Das Recht der juristischen Personen.

In einem besonderen Sinne ist aber Unterthan der subditus per-
petuus, der Staatseinwohner, der seinen ständigen Aufenthalt
auf dem Gebiete hat; er ist ausgezeichnet vor dem vorübergehend
anwesenden Fremden als Gegenstand besonderer Fürsorge und be-
sonderer Anforderungen von seiten des Staates. Indem nun die Staats-
persönlichkeit zu schärferer Ausprägung gelangt, tritt auch der Staats-
einwohner in die feste bestimmte Stellung, die zu diesem Begriff ge-
hört: er wird Staatsangehöriger. Der Staat ist die juristische
Person für das Volk, d. h. für die Einwohnerschaft seines Gebietes,
oder für das Vaterland, d. h. für das in der Einwohnerschaft
lebendige Gebiet12.

Die Gemeinde, die von ihrer genossenschaftlichen Vergangenheit
losgelöst, fast zum bloßen Verwaltungsbezirk herabgedrückt worden
war, erhält mit der Wiederbelebung ihrer Selbständigkeit die gleiche
Art von Grundlage ihrer juristischen Persönlichkeit. Der Kreis der
Gemeindeangehörigen grenzt sich ab durch das Gemeindegebiet:
die Gemeindeeinwohnerschaft, die Bevölkerung des Gemeindegebietes
bildet für sie ein Gemeindevolk, entsprechend dem großen Volk,
das in der juristischen Persönlichkeit des Staates die Zusammenfassung
seiner Interessen findet.

Vermittelt durch den Begriff des Gebietes, bestimmt also die that-
sächliche Gemeinschaft des Wohnsitzes den Kreis der Angehörigen
dieser juristischen Personen. Damit vereinbart es sich leicht, daß
familienrechtliche Beziehungen die Wirkungen dieser Thatsache noch
weiter erstrecken können: das Kind erbt die durch den Wohnsitz des
Vaters bestimmte Angehörigkeit, die Ehefrau erwirbt die des Mannes.
Die grundlegende Bedeutung des Gebietes verschwindet aber auch
dann nicht, wenn die Angehörigkeit geordnet ist nach den scheinbar
entgegengesetzten Grundsätzen des bayrischen Heimatsrechts und des
Reichsgesetzes über Bundes- und Staatsangehörigkeit. Der Wohnsitz
im Gebiet erscheint hier allerdings nicht mehr als selbständiger Grund
der Angehörigkeit. Aber die Verleihung derselben ist bedingt durch
ihn, und ihr Verlust knüpft sich an den dauernden Wohnsitz im Aus-
land. Vor allem wird der Zusammenhang zwischen Wohnsitz und
Angehörigkeit aufrecht erhalten durch die Möglichkeit der Versagung
des Aufenthaltes auf unserem Gebiete für Nichtangehörige, die Aus-

12 Seydel, Grundzüge S. 4, stellt als „begriffliche Erfordernisse“ des Staates
auf: „1. Land und Leute, welche 2. ein höchster Wille beherrscht“. N. 1 giebt
die Bestimmung der Angehörigen der juristischen Person, N. 2 ihre Vertretung.
Diese juristische Person selbst will Seydel allerdings nicht anerkennen. Darüber
Bernatzik in Arch. f. öff. R. V Seite 252 Note.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <pb facs="#f0396" n="384"/>
              <fw place="top" type="header">Das Recht der juristischen Personen.</fw><lb/>
              <p>In einem besonderen Sinne ist aber Unterthan der subditus per-<lb/>
petuus, der <hi rendition="#g">Staatseinwohner,</hi> der seinen ständigen Aufenthalt<lb/>
auf dem Gebiete hat; er ist ausgezeichnet vor dem vorübergehend<lb/>
anwesenden Fremden als Gegenstand besonderer Fürsorge und be-<lb/>
sonderer Anforderungen von seiten des Staates. Indem nun die Staats-<lb/>
persönlichkeit zu schärferer Ausprägung gelangt, tritt auch der Staats-<lb/>
einwohner in die feste bestimmte Stellung, die zu diesem Begriff ge-<lb/>
hört: er wird <hi rendition="#g">Staatsangehöriger</hi>. Der Staat ist die juristische<lb/>
Person für das <hi rendition="#g">Volk,</hi> d. h. für die Einwohnerschaft seines Gebietes,<lb/>
oder für das <hi rendition="#g">Vaterland,</hi> d. h. für das in der Einwohnerschaft<lb/>
lebendige Gebiet<note place="foot" n="12"><hi rendition="#g">Seydel,</hi> Grundzüge S. 4, stellt als &#x201E;begriffliche Erfordernisse&#x201C; des Staates<lb/>
auf: &#x201E;1. Land und Leute, welche 2. ein höchster Wille beherrscht&#x201C;. N. 1 giebt<lb/>
die Bestimmung der Angehörigen der juristischen Person, N. 2 ihre Vertretung.<lb/>
Diese juristische Person selbst will <hi rendition="#g">Seydel</hi> allerdings nicht anerkennen. Darüber<lb/><hi rendition="#g">Bernatzik</hi> in Arch. f. öff. R. V Seite 252 Note.</note>.</p><lb/>
              <p>Die Gemeinde, die von ihrer genossenschaftlichen Vergangenheit<lb/>
losgelöst, fast zum bloßen Verwaltungsbezirk herabgedrückt worden<lb/>
war, erhält mit der Wiederbelebung ihrer Selbständigkeit die gleiche<lb/>
Art von Grundlage ihrer juristischen Persönlichkeit. Der Kreis der<lb/>
Gemeindeangehörigen grenzt sich ab durch das <hi rendition="#g">Gemeindegebiet:</hi><lb/>
die Gemeindeeinwohnerschaft, die Bevölkerung des Gemeindegebietes<lb/>
bildet für sie ein <hi rendition="#g">Gemeindevolk,</hi> entsprechend dem großen Volk,<lb/>
das in der juristischen Persönlichkeit des Staates die Zusammenfassung<lb/>
seiner Interessen findet.</p><lb/>
              <p>Vermittelt durch den Begriff des Gebietes, bestimmt also die that-<lb/>
sächliche Gemeinschaft des <hi rendition="#g">Wohnsitzes</hi> den Kreis der Angehörigen<lb/>
dieser juristischen Personen. Damit vereinbart es sich leicht, daß<lb/>
familienrechtliche Beziehungen die Wirkungen dieser Thatsache noch<lb/>
weiter erstrecken können: das Kind erbt die durch den Wohnsitz des<lb/>
Vaters bestimmte Angehörigkeit, die Ehefrau erwirbt die des Mannes.<lb/>
Die grundlegende Bedeutung des Gebietes verschwindet aber auch<lb/>
dann nicht, wenn die Angehörigkeit geordnet ist nach den scheinbar<lb/>
entgegengesetzten Grundsätzen des bayrischen Heimatsrechts und des<lb/>
Reichsgesetzes über Bundes- und Staatsangehörigkeit. Der Wohnsitz<lb/>
im Gebiet erscheint hier allerdings nicht mehr als selbständiger Grund<lb/>
der Angehörigkeit. Aber die Verleihung derselben ist bedingt durch<lb/>
ihn, und ihr Verlust knüpft sich an den dauernden Wohnsitz im Aus-<lb/>
land. Vor allem wird der Zusammenhang zwischen Wohnsitz und<lb/>
Angehörigkeit aufrecht erhalten durch die Möglichkeit der Versagung<lb/>
des Aufenthaltes auf unserem Gebiete für Nichtangehörige, die Aus-<lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[384/0396] Das Recht der juristischen Personen. In einem besonderen Sinne ist aber Unterthan der subditus per- petuus, der Staatseinwohner, der seinen ständigen Aufenthalt auf dem Gebiete hat; er ist ausgezeichnet vor dem vorübergehend anwesenden Fremden als Gegenstand besonderer Fürsorge und be- sonderer Anforderungen von seiten des Staates. Indem nun die Staats- persönlichkeit zu schärferer Ausprägung gelangt, tritt auch der Staats- einwohner in die feste bestimmte Stellung, die zu diesem Begriff ge- hört: er wird Staatsangehöriger. Der Staat ist die juristische Person für das Volk, d. h. für die Einwohnerschaft seines Gebietes, oder für das Vaterland, d. h. für das in der Einwohnerschaft lebendige Gebiet 12. Die Gemeinde, die von ihrer genossenschaftlichen Vergangenheit losgelöst, fast zum bloßen Verwaltungsbezirk herabgedrückt worden war, erhält mit der Wiederbelebung ihrer Selbständigkeit die gleiche Art von Grundlage ihrer juristischen Persönlichkeit. Der Kreis der Gemeindeangehörigen grenzt sich ab durch das Gemeindegebiet: die Gemeindeeinwohnerschaft, die Bevölkerung des Gemeindegebietes bildet für sie ein Gemeindevolk, entsprechend dem großen Volk, das in der juristischen Persönlichkeit des Staates die Zusammenfassung seiner Interessen findet. Vermittelt durch den Begriff des Gebietes, bestimmt also die that- sächliche Gemeinschaft des Wohnsitzes den Kreis der Angehörigen dieser juristischen Personen. Damit vereinbart es sich leicht, daß familienrechtliche Beziehungen die Wirkungen dieser Thatsache noch weiter erstrecken können: das Kind erbt die durch den Wohnsitz des Vaters bestimmte Angehörigkeit, die Ehefrau erwirbt die des Mannes. Die grundlegende Bedeutung des Gebietes verschwindet aber auch dann nicht, wenn die Angehörigkeit geordnet ist nach den scheinbar entgegengesetzten Grundsätzen des bayrischen Heimatsrechts und des Reichsgesetzes über Bundes- und Staatsangehörigkeit. Der Wohnsitz im Gebiet erscheint hier allerdings nicht mehr als selbständiger Grund der Angehörigkeit. Aber die Verleihung derselben ist bedingt durch ihn, und ihr Verlust knüpft sich an den dauernden Wohnsitz im Aus- land. Vor allem wird der Zusammenhang zwischen Wohnsitz und Angehörigkeit aufrecht erhalten durch die Möglichkeit der Versagung des Aufenthaltes auf unserem Gebiete für Nichtangehörige, die Aus- 12 Seydel, Grundzüge S. 4, stellt als „begriffliche Erfordernisse“ des Staates auf: „1. Land und Leute, welche 2. ein höchster Wille beherrscht“. N. 1 giebt die Bestimmung der Angehörigen der juristischen Person, N. 2 ihre Vertretung. Diese juristische Person selbst will Seydel allerdings nicht anerkennen. Darüber Bernatzik in Arch. f. öff. R. V Seite 252 Note.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/mayer_verwaltungsrecht02_1896
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/mayer_verwaltungsrecht02_1896/396
Zitationshilfe: Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 2. Leipzig, 1896, S. 384. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mayer_verwaltungsrecht02_1896/396>, abgerufen am 18.05.2024.