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Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 2. Leipzig, 1896.

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Das Recht der juristischen Personen.
Kreises von Menschen, für welche die juristische Person da ist, tritt
dabei ganz in den Hintergrund. Man gebraucht für solche juristische
Personen wohl auch den Ausdruck "öffentliche Stiftung" und findet
ihre Eigentümlichkeit darin, daß ihr "Substrat" ein Vermögen schlecht-
hin sei, im Gegensatz zur Körperschaft und Genossenschaft, die zu-
gleich einen Verein natürlicher Personen hinter sich haben4. Die
Verneinung überschießt aber das Ziel, wenn sie sagen will, daß diese
Anstaltspersönlichkeiten überhaupt keine Angehörigen haben. Eine
juristische Person ist nie um ihrer selbst willen da, sondern um anderer
Personen willen. Diese anderen sind hier nur ungenau bezeichnet.
Wer sind sie?

Es kann sich nicht handeln um diejenigen juristischen Personen,
welchen die Anstalt gehören würde, wenn sie nicht selbst mit
juristischer Persönlichkeit ausgestattet wäre. Man kann sich ja alle
diese Anstalten denken ohne eine solche; dann würden sie einfach
unmittelbare Anstalten des Staates oder eines allgemeineren Selbst-
verwaltungskörpers, einer Gemeinde sein. Diese erscheinen also als
die Nächstbeteiligten an der Anstalt. Wie sehr sie das sind, das wird
namentlich im Falle der Auflösung der Anstaltspersönlichkeit sich
zeigen (unten § 61, I). Aber die Anstalt und ihre juristische Persön-
lichkeit sind zu unterscheiden; die letztere kann nicht um des Mutter-
gemeinwesens willen gegeben sein: sie ist es ja vielmehr, welche
diesem die Anstalt zunächst entfremdet5.

S. 717; aber jetzt wieder Regelsberger, Pand. I. S. 345 ("Anstalt oder Stiftung"),
Gierke, D.P.R. I S. 637 (öffentlichrechtliche "Verbandsperson" mit "von außen
eingepflanztem Stiftungswillen"). Vgl. oben § 55 Note 11.
4 Das Wort Stiftung wird auch gebraucht für das Stiftungsgeschäft, die Her-
gabe von Mitteln zu einem solchen Zweck (Regelsberger, Pand. § 75 Note 15).
Man muß sich auch hier wieder vor Verwechslungen hüten. Zur Bezeichnung der
juristischen Person würde das Wort namentlich da geeignet sein, wo sie mit einer
solchen Zuwendung thatsächlich begonnen hat. Für ihr Wesen macht das keinen
Unterschied. Sartorius in Wörterbuch, Erg.-Bd. II S. 279: "Ohne rechtliche
Bedeutung ist die Unterscheidung von Stiftungen und Anstalten". Vgl. auch
Pfeifer, Jur. Pers. S. 127; Bolze, Begriff der jur. Pers. S. 187; Regels-
berger,
Pand. I S. 294. Rosin, Öff. Gen. S. 21, 48, will das Wort Stiftung
nur für civilrechtliche Stiftungen gelten lassen: "Die Anstalten des Privatrechts sind
die Stiftungen". Im Wortsinn liegt das nicht, und der Sprachgebrauch ist gegen
diese Einschränkung.
5 Richtig Pfeifer, Jur. Pers. S. 127. Gierke, Gen. R. II S. 962, nennt
die Anstalten "lediglich Verselbständigungen eines von dem höheren öffentlichen
Willen abgezweigten Teilwillens". Solche Verselbständigung geschieht aber doch
nicht wegen eines bloßen Spaltungstriebes; wenn der höhere Wille bloß die An-

Das Recht der juristischen Personen.
Kreises von Menschen, für welche die juristische Person da ist, tritt
dabei ganz in den Hintergrund. Man gebraucht für solche juristische
Personen wohl auch den Ausdruck „öffentliche Stiftung“ und findet
ihre Eigentümlichkeit darin, daß ihr „Substrat“ ein Vermögen schlecht-
hin sei, im Gegensatz zur Körperschaft und Genossenschaft, die zu-
gleich einen Verein natürlicher Personen hinter sich haben4. Die
Verneinung überschießt aber das Ziel, wenn sie sagen will, daß diese
Anstaltspersönlichkeiten überhaupt keine Angehörigen haben. Eine
juristische Person ist nie um ihrer selbst willen da, sondern um anderer
Personen willen. Diese anderen sind hier nur ungenau bezeichnet.
Wer sind sie?

Es kann sich nicht handeln um diejenigen juristischen Personen,
welchen die Anstalt gehören würde, wenn sie nicht selbst mit
juristischer Persönlichkeit ausgestattet wäre. Man kann sich ja alle
diese Anstalten denken ohne eine solche; dann würden sie einfach
unmittelbare Anstalten des Staates oder eines allgemeineren Selbst-
verwaltungskörpers, einer Gemeinde sein. Diese erscheinen also als
die Nächstbeteiligten an der Anstalt. Wie sehr sie das sind, das wird
namentlich im Falle der Auflösung der Anstaltspersönlichkeit sich
zeigen (unten § 61, I). Aber die Anstalt und ihre juristische Persön-
lichkeit sind zu unterscheiden; die letztere kann nicht um des Mutter-
gemeinwesens willen gegeben sein: sie ist es ja vielmehr, welche
diesem die Anstalt zunächst entfremdet5.

S. 717; aber jetzt wieder Regelsberger, Pand. I. S. 345 („Anstalt oder Stiftung“),
Gierke, D.P.R. I S. 637 (öffentlichrechtliche „Verbandsperson“ mit „von außen
eingepflanztem Stiftungswillen“). Vgl. oben § 55 Note 11.
4 Das Wort Stiftung wird auch gebraucht für das Stiftungsgeschäft, die Her-
gabe von Mitteln zu einem solchen Zweck (Regelsberger, Pand. § 75 Note 15).
Man muß sich auch hier wieder vor Verwechslungen hüten. Zur Bezeichnung der
juristischen Person würde das Wort namentlich da geeignet sein, wo sie mit einer
solchen Zuwendung thatsächlich begonnen hat. Für ihr Wesen macht das keinen
Unterschied. Sartorius in Wörterbuch, Erg.-Bd. II S. 279: „Ohne rechtliche
Bedeutung ist die Unterscheidung von Stiftungen und Anstalten“. Vgl. auch
Pfeifer, Jur. Pers. S. 127; Bolze, Begriff der jur. Pers. S. 187; Regels-
berger,
Pand. I S. 294. Rosin, Öff. Gen. S. 21, 48, will das Wort Stiftung
nur für civilrechtliche Stiftungen gelten lassen: „Die Anstalten des Privatrechts sind
die Stiftungen“. Im Wortsinn liegt das nicht, und der Sprachgebrauch ist gegen
diese Einschränkung.
5 Richtig Pfeifer, Jur. Pers. S. 127. Gierke, Gen. R. II S. 962, nennt
die Anstalten „lediglich Verselbständigungen eines von dem höheren öffentlichen
Willen abgezweigten Teilwillens“. Solche Verselbständigung geschieht aber doch
nicht wegen eines bloßen Spaltungstriebes; wenn der höhere Wille bloß die An-
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[378/0390] Das Recht der juristischen Personen. Kreises von Menschen, für welche die juristische Person da ist, tritt dabei ganz in den Hintergrund. Man gebraucht für solche juristische Personen wohl auch den Ausdruck „öffentliche Stiftung“ und findet ihre Eigentümlichkeit darin, daß ihr „Substrat“ ein Vermögen schlecht- hin sei, im Gegensatz zur Körperschaft und Genossenschaft, die zu- gleich einen Verein natürlicher Personen hinter sich haben 4. Die Verneinung überschießt aber das Ziel, wenn sie sagen will, daß diese Anstaltspersönlichkeiten überhaupt keine Angehörigen haben. Eine juristische Person ist nie um ihrer selbst willen da, sondern um anderer Personen willen. Diese anderen sind hier nur ungenau bezeichnet. Wer sind sie? Es kann sich nicht handeln um diejenigen juristischen Personen, welchen die Anstalt gehören würde, wenn sie nicht selbst mit juristischer Persönlichkeit ausgestattet wäre. Man kann sich ja alle diese Anstalten denken ohne eine solche; dann würden sie einfach unmittelbare Anstalten des Staates oder eines allgemeineren Selbst- verwaltungskörpers, einer Gemeinde sein. Diese erscheinen also als die Nächstbeteiligten an der Anstalt. Wie sehr sie das sind, das wird namentlich im Falle der Auflösung der Anstaltspersönlichkeit sich zeigen (unten § 61, I). Aber die Anstalt und ihre juristische Persön- lichkeit sind zu unterscheiden; die letztere kann nicht um des Mutter- gemeinwesens willen gegeben sein: sie ist es ja vielmehr, welche diesem die Anstalt zunächst entfremdet 5. 3 4 Das Wort Stiftung wird auch gebraucht für das Stiftungsgeschäft, die Her- gabe von Mitteln zu einem solchen Zweck (Regelsberger, Pand. § 75 Note 15). Man muß sich auch hier wieder vor Verwechslungen hüten. Zur Bezeichnung der juristischen Person würde das Wort namentlich da geeignet sein, wo sie mit einer solchen Zuwendung thatsächlich begonnen hat. Für ihr Wesen macht das keinen Unterschied. Sartorius in Wörterbuch, Erg.-Bd. II S. 279: „Ohne rechtliche Bedeutung ist die Unterscheidung von Stiftungen und Anstalten“. Vgl. auch Pfeifer, Jur. Pers. S. 127; Bolze, Begriff der jur. Pers. S. 187; Regels- berger, Pand. I S. 294. Rosin, Öff. Gen. S. 21, 48, will das Wort Stiftung nur für civilrechtliche Stiftungen gelten lassen: „Die Anstalten des Privatrechts sind die Stiftungen“. Im Wortsinn liegt das nicht, und der Sprachgebrauch ist gegen diese Einschränkung. 5 Richtig Pfeifer, Jur. Pers. S. 127. Gierke, Gen. R. II S. 962, nennt die Anstalten „lediglich Verselbständigungen eines von dem höheren öffentlichen Willen abgezweigten Teilwillens“. Solche Verselbständigung geschieht aber doch nicht wegen eines bloßen Spaltungstriebes; wenn der höhere Wille bloß die An- 3 S. 717; aber jetzt wieder Regelsberger, Pand. I. S. 345 („Anstalt oder Stiftung“), Gierke, D.P.R. I S. 637 (öffentlichrechtliche „Verbandsperson“ mit „von außen eingepflanztem Stiftungswillen“). Vgl. oben § 55 Note 11.

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Zitationshilfe: Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 2. Leipzig, 1896, S. 378. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mayer_verwaltungsrecht02_1896/390>, abgerufen am 22.11.2024.