Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 2. Leipzig, 1896.§ 55. Die juristische Persönlichkeit des öffentlichen Rechtes. Verwaltung; also muß man schließlich doch wieder auf diese Rück-sicht zurückkommen12. Es ist ferner für den Selbstverwaltungskörper eine natürliche Folge 12 In dieser Weise scheint E. Mayer im Wörterbuch I S. 693 die Be- deutung der Verleihung der juristischen Persönlichkeit zu überschätzen. Die Gemeinnützigkeit oder das öffentliche Interesse, die nach ihm durch die Ver- leihung bekundet werden, können ja möglicherweise gerade in der Schaffung einer juristischen Person des Civilrechts ihre Befriedigung finden. Das Gleiche gilt von dem Merkmale, daß die juristische Person durch staatlichen Zwang zustande ge- bracht wird: Blodig, Selbstverw. S. 25 ff. 13 Rosin, Öff. Gen. S. 18: öffentlichrechtlich ist diejenige Genossenschaft, welche "kraft öffentlichen Rechts dem Staate zur Erfüllung ihres Zweckes ver- pflichtet ist". Darüber Gierke, Gen.Theorie S. 657 Note 1; Bornhak in Ztschft. f. H.R. 39 S. 222; Tezner zu Jellineks Syst. der subj. öff. R. S. 91; Regels- berger, Pand. I S. 319 Note 4. 14 Beispiel: Bayr. Ges. v. 29. April 1869, die privatrechtliche Stellung von
Vereinen betr. Art. 30 Abs. 2, Art. 34. Vor allem gehören aber hierher die mit öffentlichen Unternehmungen beliehenen Aktiengesellschaften. Tezner zu Jellineks System S. 91 thut Rosin Unrecht, wenn er ihm vorwirft, daß seine Formel auch diese Fälle umfasse (vgl. oben Note 11). Aber Haenel, der diese Formel über- nommen hat, ohne zugleich zu betonen, daß es sich um den "Lebenszweck" der Person handeln müsse, kommt thatsächlich dazu, auch Eisenbahngesellschaften, Zettelbanken, Gewerkschaften als "zur Selbstverwaltung regulierte korporative Ver- bände" anzuerkennen. Daß ihr nächster Zweck "privatwirtschaftlicher Gewinn" des Unternehmers ist, macht nichts aus, wenn sie nur durch Aufsichtsrechte des Staates diesem zur Erfüllung ihres Gemeinzweckes verpflichtet sind. Warum sollte dann ein wohlbeaufsichtigter Einzelunternehmer solcher Dinge nicht am Ende auch Selbstverwaltung üben? Dieser Selbstverwaltungsbegriff nähert sich bedenklich dem Roesler'schen, welchen Laband, St.R. 2. Aufl. I S. 97 ff., so scharf gekenn- zeichnet hat. § 55. Die juristische Persönlichkeit des öffentlichen Rechtes. Verwaltung; also muß man schließlich doch wieder auf diese Rück-sicht zurückkommen12. Es ist ferner für den Selbstverwaltungskörper eine natürliche Folge 12 In dieser Weise scheint E. Mayer im Wörterbuch I S. 693 die Be- deutung der Verleihung der juristischen Persönlichkeit zu überschätzen. Die Gemeinnützigkeit oder das öffentliche Interesse, die nach ihm durch die Ver- leihung bekundet werden, können ja möglicherweise gerade in der Schaffung einer juristischen Person des Civilrechts ihre Befriedigung finden. Das Gleiche gilt von dem Merkmale, daß die juristische Person durch staatlichen Zwang zustande ge- bracht wird: Blodig, Selbstverw. S. 25 ff. 13 Rosin, Öff. Gen. S. 18: öffentlichrechtlich ist diejenige Genossenschaft, welche „kraft öffentlichen Rechts dem Staate zur Erfüllung ihres Zweckes ver- pflichtet ist“. Darüber Gierke, Gen.Theorie S. 657 Note 1; Bornhak in Ztschft. f. H.R. 39 S. 222; Tezner zu Jellineks Syst. der subj. öff. R. S. 91; Regels- berger, Pand. I S. 319 Note 4. 14 Beispiel: Bayr. Ges. v. 29. April 1869, die privatrechtliche Stellung von
Vereinen betr. Art. 30 Abs. 2, Art. 34. Vor allem gehören aber hierher die mit öffentlichen Unternehmungen beliehenen Aktiengesellschaften. Tezner zu Jellineks System S. 91 thut Rosin Unrecht, wenn er ihm vorwirft, daß seine Formel auch diese Fälle umfasse (vgl. oben Note 11). Aber Haenel, der diese Formel über- nommen hat, ohne zugleich zu betonen, daß es sich um den „Lebenszweck“ der Person handeln müsse, kommt thatsächlich dazu, auch Eisenbahngesellschaften, Zettelbanken, Gewerkschaften als „zur Selbstverwaltung regulierte korporative Ver- bände“ anzuerkennen. Daß ihr nächster Zweck „privatwirtschaftlicher Gewinn“ des Unternehmers ist, macht nichts aus, wenn sie nur durch Aufsichtsrechte des Staates diesem zur Erfüllung ihres Gemeinzweckes verpflichtet sind. Warum sollte dann ein wohlbeaufsichtigter Einzelunternehmer solcher Dinge nicht am Ende auch Selbstverwaltung üben? Dieser Selbstverwaltungsbegriff nähert sich bedenklich dem Roesler’schen, welchen Laband, St.R. 2. Aufl. I S. 97 ff., so scharf gekenn- zeichnet hat. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <p><pb facs="#f0387" n="375"/><fw place="top" type="header">§ 55. Die juristische Persönlichkeit des öffentlichen Rechtes.</fw><lb/> Verwaltung; also muß man schließlich doch wieder auf diese Rück-<lb/> sicht zurückkommen<note place="foot" n="12">In dieser Weise scheint E. <hi rendition="#g">Mayer</hi> im Wörterbuch I S. 693 die Be-<lb/> deutung der Verleihung der juristischen Persönlichkeit zu überschätzen. Die<lb/> Gemeinnützigkeit oder das öffentliche Interesse, die nach ihm durch die Ver-<lb/> leihung bekundet werden, können ja möglicherweise gerade in der Schaffung einer<lb/> juristischen Person des Civilrechts ihre Befriedigung finden. Das Gleiche gilt von<lb/> dem Merkmale, daß die juristische Person durch staatlichen Zwang zustande ge-<lb/> bracht wird: <hi rendition="#g">Blodig,</hi> Selbstverw. S. 25 ff.</note>.</p><lb/> <p>Es ist ferner für den Selbstverwaltungskörper eine natürliche Folge<lb/> seines Wesens, daß er unter einer besonderen <hi rendition="#g">Aufsicht</hi> des Staates<lb/> steht, um bei seinem Zwecke erhalten zu bleiben durch Zwang zur<lb/> Erfüllung, oder um vernichtet zu werden, wenn er nicht mehr dazu<lb/> geeignet erscheint<note place="foot" n="13"><hi rendition="#g">Rosin,</hi> Öff. Gen. S. 18: öffentlichrechtlich ist diejenige Genossenschaft,<lb/> welche „kraft öffentlichen Rechts dem Staate zur Erfüllung ihres Zweckes ver-<lb/> pflichtet ist“. Darüber <hi rendition="#g">Gierke,</hi> Gen.Theorie S. 657 Note 1; <hi rendition="#g">Bornhak</hi> in Ztschft.<lb/> f. H.R. 39 S. 222; <hi rendition="#g">Tezner</hi> zu Jellineks Syst. der subj. öff. R. S. 91; <hi rendition="#g">Regels-<lb/> berger,</hi> Pand. I S. 319 Note 4.</note>. Allein ganz die gleichen aufsichtsrechtlichen Be-<lb/> fugnisse nimmt der Staat möglicherweise auch in Anspruch gegen<lb/> civilrechtliche juristische Personen; der Unterschied ist nur der, daß<lb/> es hier nicht geschieht aus Rücksicht auf eine von ihnen zu führende<lb/> öffentliche Verwaltung; auf diesen Begriff wird man also doch wieder<lb/> verwiesen sein<note place="foot" n="14">Beispiel: Bayr. Ges. v. 29. April 1869, die privatrechtliche Stellung von<lb/> Vereinen betr. Art. 30 Abs. 2, Art. 34. Vor allem gehören aber hierher die mit<lb/> öffentlichen Unternehmungen beliehenen Aktiengesellschaften. <hi rendition="#g">Tezner</hi> zu Jellineks<lb/> System S. 91 thut <hi rendition="#g">Rosin</hi> Unrecht, wenn er ihm vorwirft, daß seine Formel auch<lb/> diese Fälle umfasse (vgl. oben Note 11). Aber <hi rendition="#g">Haenel,</hi> der diese Formel über-<lb/> nommen hat, ohne zugleich zu betonen, daß es sich um den „Lebenszweck“ der<lb/> Person handeln müsse, kommt thatsächlich dazu, auch Eisenbahngesellschaften,<lb/> Zettelbanken, Gewerkschaften als „zur Selbstverwaltung regulierte korporative Ver-<lb/> bände“ anzuerkennen. Daß ihr nächster Zweck „privatwirtschaftlicher Gewinn“ des<lb/> Unternehmers ist, macht nichts aus, wenn sie nur durch Aufsichtsrechte des<lb/> Staates diesem zur Erfüllung ihres Gemeinzweckes verpflichtet sind. Warum sollte<lb/> dann ein wohlbeaufsichtigter Einzelunternehmer solcher Dinge nicht am Ende auch<lb/> Selbstverwaltung üben? Dieser Selbstverwaltungsbegriff nähert sich bedenklich<lb/> dem Roesler’schen, welchen <hi rendition="#g">Laband,</hi> St.R. 2. Aufl. I S. 97 ff., so scharf gekenn-<lb/> zeichnet hat.</note>. Und andererseits kann die Erfüllung des Zweckes<lb/> durch die eigne Ordnung des Selbstverwaltungskörpers so genügend<lb/> gesichert sein, daß für eine staatliche Aufsicht gar nichts vor-<lb/> gesehen ist; nur im äußersten Falle greift eine solche ein, von<lb/> selbst, aus dem einzigen Grunde, daß öffentliche Verwaltung in<lb/></p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [375/0387]
§ 55. Die juristische Persönlichkeit des öffentlichen Rechtes.
Verwaltung; also muß man schließlich doch wieder auf diese Rück-
sicht zurückkommen 12.
Es ist ferner für den Selbstverwaltungskörper eine natürliche Folge
seines Wesens, daß er unter einer besonderen Aufsicht des Staates
steht, um bei seinem Zwecke erhalten zu bleiben durch Zwang zur
Erfüllung, oder um vernichtet zu werden, wenn er nicht mehr dazu
geeignet erscheint 13. Allein ganz die gleichen aufsichtsrechtlichen Be-
fugnisse nimmt der Staat möglicherweise auch in Anspruch gegen
civilrechtliche juristische Personen; der Unterschied ist nur der, daß
es hier nicht geschieht aus Rücksicht auf eine von ihnen zu führende
öffentliche Verwaltung; auf diesen Begriff wird man also doch wieder
verwiesen sein 14. Und andererseits kann die Erfüllung des Zweckes
durch die eigne Ordnung des Selbstverwaltungskörpers so genügend
gesichert sein, daß für eine staatliche Aufsicht gar nichts vor-
gesehen ist; nur im äußersten Falle greift eine solche ein, von
selbst, aus dem einzigen Grunde, daß öffentliche Verwaltung in
12 In dieser Weise scheint E. Mayer im Wörterbuch I S. 693 die Be-
deutung der Verleihung der juristischen Persönlichkeit zu überschätzen. Die
Gemeinnützigkeit oder das öffentliche Interesse, die nach ihm durch die Ver-
leihung bekundet werden, können ja möglicherweise gerade in der Schaffung einer
juristischen Person des Civilrechts ihre Befriedigung finden. Das Gleiche gilt von
dem Merkmale, daß die juristische Person durch staatlichen Zwang zustande ge-
bracht wird: Blodig, Selbstverw. S. 25 ff.
13 Rosin, Öff. Gen. S. 18: öffentlichrechtlich ist diejenige Genossenschaft,
welche „kraft öffentlichen Rechts dem Staate zur Erfüllung ihres Zweckes ver-
pflichtet ist“. Darüber Gierke, Gen.Theorie S. 657 Note 1; Bornhak in Ztschft.
f. H.R. 39 S. 222; Tezner zu Jellineks Syst. der subj. öff. R. S. 91; Regels-
berger, Pand. I S. 319 Note 4.
14 Beispiel: Bayr. Ges. v. 29. April 1869, die privatrechtliche Stellung von
Vereinen betr. Art. 30 Abs. 2, Art. 34. Vor allem gehören aber hierher die mit
öffentlichen Unternehmungen beliehenen Aktiengesellschaften. Tezner zu Jellineks
System S. 91 thut Rosin Unrecht, wenn er ihm vorwirft, daß seine Formel auch
diese Fälle umfasse (vgl. oben Note 11). Aber Haenel, der diese Formel über-
nommen hat, ohne zugleich zu betonen, daß es sich um den „Lebenszweck“ der
Person handeln müsse, kommt thatsächlich dazu, auch Eisenbahngesellschaften,
Zettelbanken, Gewerkschaften als „zur Selbstverwaltung regulierte korporative Ver-
bände“ anzuerkennen. Daß ihr nächster Zweck „privatwirtschaftlicher Gewinn“ des
Unternehmers ist, macht nichts aus, wenn sie nur durch Aufsichtsrechte des
Staates diesem zur Erfüllung ihres Gemeinzweckes verpflichtet sind. Warum sollte
dann ein wohlbeaufsichtigter Einzelunternehmer solcher Dinge nicht am Ende auch
Selbstverwaltung üben? Dieser Selbstverwaltungsbegriff nähert sich bedenklich
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