Dritter Abschnitt. Das Recht der juristischen Personen.
§ 55. Die juristische Persönlichkeit des öffentlichen Rechtes.
I. Das Wesen der juristischen Person überhaupt ist sehr um- stritten. Wir müssen in Kürze darlegen, von welcher Auffassung wir bei unseren weiteren Erörterungen ausgehen werden1.
1. Das Recht ist die Ordnung von Verhältnissen. Es setzt also eine Mehrzahl von Einheiten voraus, zwischen welchen zu ordnende Verhältnisse entstehen können. Die Einheit, mit welcher das Recht rechnet, ist die Person. Persönlichkeit ist die Fähigkeit, in recht- lich geordneten Verhältnissen zu anderen Personen zu stehen. Sie ist nicht gleichbedeutend mit Rechtsfähigkeit, sondern umfaßt auch noch die Kehrseite davon, die Pflichtfähigkeit, ist überhaupt Empfäng- lichkeit für die Wirkungen der Rechtsordnung.
Die Rechtsordnung ist um der Menschen willen da. Die von selbst gegebene Einheit, mit der sie rechnet, ist darum der Mensch. Der Mensch ist die natürliche Person. Nicht als ob er von Natur Person wäre. Persönlichkeit entsteht immer erst durch die Rechts- ordnung. Aber es ist naturgemäß, daß sie bei dem Menschen ent- steht; es ist gegen die Natur, sie ihm zu versagen, und nicht von der Natur gefordert, daß sie sonst noch entstehe.
1 Wir folgen im wesentlichen G. Rümelin, Methodisches über die juristi- schen Personen. Daß der gewählte Standpunkt richtig ist, wird sich durch seine Brauchbarkeit für die Erkenntnis des Rechts unserer juristischen Personen er- weisen.
Dritter Abschnitt. Das Recht der juristischen Personen.
§ 55. Die juristische Persönlichkeit des öffentlichen Rechtes.
I. Das Wesen der juristischen Person überhaupt ist sehr um- stritten. Wir müssen in Kürze darlegen, von welcher Auffassung wir bei unseren weiteren Erörterungen ausgehen werden1.
1. Das Recht ist die Ordnung von Verhältnissen. Es setzt also eine Mehrzahl von Einheiten voraus, zwischen welchen zu ordnende Verhältnisse entstehen können. Die Einheit, mit welcher das Recht rechnet, ist die Person. Persönlichkeit ist die Fähigkeit, in recht- lich geordneten Verhältnissen zu anderen Personen zu stehen. Sie ist nicht gleichbedeutend mit Rechtsfähigkeit, sondern umfaßt auch noch die Kehrseite davon, die Pflichtfähigkeit, ist überhaupt Empfäng- lichkeit für die Wirkungen der Rechtsordnung.
Die Rechtsordnung ist um der Menschen willen da. Die von selbst gegebene Einheit, mit der sie rechnet, ist darum der Mensch. Der Mensch ist die natürliche Person. Nicht als ob er von Natur Person wäre. Persönlichkeit entsteht immer erst durch die Rechts- ordnung. Aber es ist naturgemäß, daß sie bei dem Menschen ent- steht; es ist gegen die Natur, sie ihm zu versagen, und nicht von der Natur gefordert, daß sie sonst noch entstehe.
1 Wir folgen im wesentlichen G. Rümelin, Methodisches über die juristi- schen Personen. Daß der gewählte Standpunkt richtig ist, wird sich durch seine Brauchbarkeit für die Erkenntnis des Rechts unserer juristischen Personen er- weisen.
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Dritter Abschnitt.
Das Recht der juristischen Personen.
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Die juristische Persönlichkeit des öffentlichen Rechtes.
I. Das Wesen der juristischen Person überhaupt ist sehr um-
stritten. Wir müssen in Kürze darlegen, von welcher Auffassung wir
bei unseren weiteren Erörterungen ausgehen werden 1.
1. Das Recht ist die Ordnung von Verhältnissen. Es setzt also
eine Mehrzahl von Einheiten voraus, zwischen welchen zu ordnende
Verhältnisse entstehen können. Die Einheit, mit welcher das Recht
rechnet, ist die Person. Persönlichkeit ist die Fähigkeit, in recht-
lich geordneten Verhältnissen zu anderen Personen zu stehen. Sie
ist nicht gleichbedeutend mit Rechtsfähigkeit, sondern umfaßt auch
noch die Kehrseite davon, die Pflichtfähigkeit, ist überhaupt Empfäng-
lichkeit für die Wirkungen der Rechtsordnung.
Die Rechtsordnung ist um der Menschen willen da. Die von
selbst gegebene Einheit, mit der sie rechnet, ist darum der Mensch.
Der Mensch ist die natürliche Person. Nicht als ob er von Natur
Person wäre. Persönlichkeit entsteht immer erst durch die Rechts-
ordnung. Aber es ist naturgemäß, daß sie bei dem Menschen ent-
steht; es ist gegen die Natur, sie ihm zu versagen, und nicht von der
Natur gefordert, daß sie sonst noch entstehe.
1 Wir folgen im wesentlichen G. Rümelin, Methodisches über die juristi-
schen Personen. Daß der gewählte Standpunkt richtig ist, wird sich durch seine
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Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 2. Leipzig, 1896, S. [366]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mayer_verwaltungsrecht02_1896/378>, abgerufen am 22.11.2024.
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