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Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 2. Leipzig, 1896.

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§ 53. Öffentlichrechtliche Entschädigung.

Dieselbe Idee der Gerechtigkeit, welche die Staatsthätigkeit be-
stimmt, besondere Opfer möglichst nicht aufzulegen, fordert alsdann,
wenn es einmal doch geschehen ist, den nachträglichen Ausgleich durch
eine Vergütung, welche dem Betroffenen dafür gewährt wird. Indem
der Staat die Vergütung leistet durch Zahlung des Betrags des zu-
gefügten Nachteils in Geld, vollzieht er die Aufhebung der Un-
gerechtigkeit: er nimmt das Geld dazu aus der gemeinen Kasse, die
er durch seine Finanzgewalt in den auf Ausgleich gerichteten Formen
der Belastung der Unterthanen jeder Zeit wieder füllt; er verteilt auf
solche Art den Schaden auf alle seine Leistungspflichtigen. Die Ent-
schädigung ist also hier die Form, um eine ungleiche
Belastung in eine gleiche zu verwandeln
2. Auf diese Weise
steht sie im vollen Gegensatz zu der Erstattung einer Bereicherung
und zu der Sühne für rechtswidrige Schädigung; sie hängt aber auch
mit allen ihren Wurzeln im öffentlichen Recht3. Der Name öffent-
lichrechtliche Entschädigung
kennzeichnet sie wenigstens in
dieser Richtung. Es ist zu wünschen, daß sich für den immer klarer
erkannten Begriff auch ein Ausdruck finde, der ihre Eigenart noch
bestimmter wiedergiebt.

Die Forderungen der Gerechtigkeit -- mit solchen haben wir es
bisher allein zu thun -- haben für sich noch keine rechtlich verbindende
Kraft. Ein Rechtsinstitut entsteht erst dadurch, daß diese Forderungen

2 Daher die Betonung, daß durch den Staat hier "die Gesamtheit" zahlt:
v. Sarwey, Öff. R. u. V.R.Pfl. S. 373; "aus dem Gesamtvermögen" wird Entschädi-
gung geleistet: Kgl. preuß. Deklaration v. 4. Dez. 1831; sie ist nur notwendig,
wo nicht ohnehin "eine Ausgleichung unter alle unterstellt werden kann": Bähr,
Rechtsstaat S. 163. Als Mittel der Verteilung der Last unter die Staatsgenossen
behandeln die Entschädigung vor allem auch jene alten Theorien, welche sie auf
eine actio pro socio oder auf die lex Rhodia de jactu gründen wollen; vgl.
unten Note 5.
3 Jhering, Zweck im R. I S. 352: "gerecht oder ungerecht ist nur der-
jenige, welcher zu befehlen hat." -- Das Civilrecht, auch wenn es die außer-
kontraktliche Schadensersatzpflicht noch so sehr auf die bloße Verursachung des
Schadens stellt (Gutachten zum 17. deutschen Jur.-Tag, Verhandl. S. 77 ff., 127 ff.),
kommt von dem Gesichtspunkt nicht los, daß das zur Schuld angerechnet wird.
Wo es ausnahmsweise eine Ersatzpflicht auferlegt unter Anerkennung der vollen
Rechtmäßigkeit der Schädigung (tignum junctum; Bayr. Wasserges. v. 28. Mai
1852 art. 89; c. c. art. 643), ist das Hereinragen eines besonderen öffentlichen
Interesses unverkennbar. Ein gemeinsamer Gedanke, auf welchen civilrechtliche
und öffentlichrechtliche Entschädigungspflicht beruhte (Merkel, Encyklop. § 683)
besteht nicht; gemeinsam ist beiden nur die eine Voraussetzung, die Verursachung
des Schadens, die Rücksicht, aus welcher diese haftbar macht, bleibt ver-
schieden.
§ 53. Öffentlichrechtliche Entschädigung.

Dieselbe Idee der Gerechtigkeit, welche die Staatsthätigkeit be-
stimmt, besondere Opfer möglichst nicht aufzulegen, fordert alsdann,
wenn es einmal doch geschehen ist, den nachträglichen Ausgleich durch
eine Vergütung, welche dem Betroffenen dafür gewährt wird. Indem
der Staat die Vergütung leistet durch Zahlung des Betrags des zu-
gefügten Nachteils in Geld, vollzieht er die Aufhebung der Un-
gerechtigkeit: er nimmt das Geld dazu aus der gemeinen Kasse, die
er durch seine Finanzgewalt in den auf Ausgleich gerichteten Formen
der Belastung der Unterthanen jeder Zeit wieder füllt; er verteilt auf
solche Art den Schaden auf alle seine Leistungspflichtigen. Die Ent-
schädigung ist also hier die Form, um eine ungleiche
Belastung in eine gleiche zu verwandeln
2. Auf diese Weise
steht sie im vollen Gegensatz zu der Erstattung einer Bereicherung
und zu der Sühne für rechtswidrige Schädigung; sie hängt aber auch
mit allen ihren Wurzeln im öffentlichen Recht3. Der Name öffent-
lichrechtliche Entschädigung
kennzeichnet sie wenigstens in
dieser Richtung. Es ist zu wünschen, daß sich für den immer klarer
erkannten Begriff auch ein Ausdruck finde, der ihre Eigenart noch
bestimmter wiedergiebt.

Die Forderungen der Gerechtigkeit — mit solchen haben wir es
bisher allein zu thun — haben für sich noch keine rechtlich verbindende
Kraft. Ein Rechtsinstitut entsteht erst dadurch, daß diese Forderungen

2 Daher die Betonung, daß durch den Staat hier „die Gesamtheit“ zahlt:
v. Sarwey, Öff. R. u. V.R.Pfl. S. 373; „aus dem Gesamtvermögen“ wird Entschädi-
gung geleistet: Kgl. preuß. Deklaration v. 4. Dez. 1831; sie ist nur notwendig,
wo nicht ohnehin „eine Ausgleichung unter alle unterstellt werden kann“: Bähr,
Rechtsstaat S. 163. Als Mittel der Verteilung der Last unter die Staatsgenossen
behandeln die Entschädigung vor allem auch jene alten Theorien, welche sie auf
eine actio pro socio oder auf die lex Rhodia de jactu gründen wollen; vgl.
unten Note 5.
3 Jhering, Zweck im R. I S. 352: „gerecht oder ungerecht ist nur der-
jenige, welcher zu befehlen hat.“ — Das Civilrecht, auch wenn es die außer-
kontraktliche Schadensersatzpflicht noch so sehr auf die bloße Verursachung des
Schadens stellt (Gutachten zum 17. deutschen Jur.-Tag, Verhandl. S. 77 ff., 127 ff.),
kommt von dem Gesichtspunkt nicht los, daß das zur Schuld angerechnet wird.
Wo es ausnahmsweise eine Ersatzpflicht auferlegt unter Anerkennung der vollen
Rechtmäßigkeit der Schädigung (tignum junctum; Bayr. Wasserges. v. 28. Mai
1852 art. 89; c. c. art. 643), ist das Hereinragen eines besonderen öffentlichen
Interesses unverkennbar. Ein gemeinsamer Gedanke, auf welchen civilrechtliche
und öffentlichrechtliche Entschädigungspflicht beruhte (Merkel, Encyklop. § 683)
besteht nicht; gemeinsam ist beiden nur die eine Voraussetzung, die Verursachung
des Schadens, die Rücksicht, aus welcher diese haftbar macht, bleibt ver-
schieden.
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[347/0359] § 53. Öffentlichrechtliche Entschädigung. Dieselbe Idee der Gerechtigkeit, welche die Staatsthätigkeit be- stimmt, besondere Opfer möglichst nicht aufzulegen, fordert alsdann, wenn es einmal doch geschehen ist, den nachträglichen Ausgleich durch eine Vergütung, welche dem Betroffenen dafür gewährt wird. Indem der Staat die Vergütung leistet durch Zahlung des Betrags des zu- gefügten Nachteils in Geld, vollzieht er die Aufhebung der Un- gerechtigkeit: er nimmt das Geld dazu aus der gemeinen Kasse, die er durch seine Finanzgewalt in den auf Ausgleich gerichteten Formen der Belastung der Unterthanen jeder Zeit wieder füllt; er verteilt auf solche Art den Schaden auf alle seine Leistungspflichtigen. Die Ent- schädigung ist also hier die Form, um eine ungleiche Belastung in eine gleiche zu verwandeln 2. Auf diese Weise steht sie im vollen Gegensatz zu der Erstattung einer Bereicherung und zu der Sühne für rechtswidrige Schädigung; sie hängt aber auch mit allen ihren Wurzeln im öffentlichen Recht 3. Der Name öffent- lichrechtliche Entschädigung kennzeichnet sie wenigstens in dieser Richtung. Es ist zu wünschen, daß sich für den immer klarer erkannten Begriff auch ein Ausdruck finde, der ihre Eigenart noch bestimmter wiedergiebt. Die Forderungen der Gerechtigkeit — mit solchen haben wir es bisher allein zu thun — haben für sich noch keine rechtlich verbindende Kraft. Ein Rechtsinstitut entsteht erst dadurch, daß diese Forderungen 2 Daher die Betonung, daß durch den Staat hier „die Gesamtheit“ zahlt: v. Sarwey, Öff. R. u. V.R.Pfl. S. 373; „aus dem Gesamtvermögen“ wird Entschädi- gung geleistet: Kgl. preuß. Deklaration v. 4. Dez. 1831; sie ist nur notwendig, wo nicht ohnehin „eine Ausgleichung unter alle unterstellt werden kann“: Bähr, Rechtsstaat S. 163. Als Mittel der Verteilung der Last unter die Staatsgenossen behandeln die Entschädigung vor allem auch jene alten Theorien, welche sie auf eine actio pro socio oder auf die lex Rhodia de jactu gründen wollen; vgl. unten Note 5. 3 Jhering, Zweck im R. I S. 352: „gerecht oder ungerecht ist nur der- jenige, welcher zu befehlen hat.“ — Das Civilrecht, auch wenn es die außer- kontraktliche Schadensersatzpflicht noch so sehr auf die bloße Verursachung des Schadens stellt (Gutachten zum 17. deutschen Jur.-Tag, Verhandl. S. 77 ff., 127 ff.), kommt von dem Gesichtspunkt nicht los, daß das zur Schuld angerechnet wird. Wo es ausnahmsweise eine Ersatzpflicht auferlegt unter Anerkennung der vollen Rechtmäßigkeit der Schädigung (tignum junctum; Bayr. Wasserges. v. 28. Mai 1852 art. 89; c. c. art. 643), ist das Hereinragen eines besonderen öffentlichen Interesses unverkennbar. Ein gemeinsamer Gedanke, auf welchen civilrechtliche und öffentlichrechtliche Entschädigungspflicht beruhte (Merkel, Encyklop. § 683) besteht nicht; gemeinsam ist beiden nur die eine Voraussetzung, die Verursachung des Schadens, die Rücksicht, aus welcher diese haftbar macht, bleibt ver- schieden.

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Zitationshilfe: Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 2. Leipzig, 1896, S. 347. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mayer_verwaltungsrecht02_1896/359>, abgerufen am 23.11.2024.