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Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 2. Leipzig, 1896.

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Recht der besonderen Schuldverhältnisse.

Das neuere Recht verwischt die Selbständigkeit dieses gesellschaft-
lichen Elementes mehr und mehr, ersetzt dafür auch die Verbandlast
selbst in immer größerem Umfang durch die neubelebte juristische
Person des öffentlichen Rechts. Soweit sie fortbesteht, bietet die
Verbandlast auch jetzt noch gewisse Eigentümlichkeiten, die aus jener
alten Grundidee sich ergeben.

Die Verteilung, welche zwischen den Verpflichteten geordnet
ist, ist auch maßgebend für das, was die öffentliche Gewalt von jedem
zu fordern hat. Alte Vereinbarungen zwischen den Rechtsvorgängern,
Herkommen und rechtsbegründende Verjährung, die zwischen ihnen
sich gebildet haben, bestimmen den Umfang des Anteils an der Last-
pflicht auch dem Staate gegenüber. Das ist dann die bestehende
Verfassung des Verbandes, welche nur zu handhaben ist. Die
neueren Gesetze, wo sie selbst die Art und den Maßstab der Ver-
teilung der Last ordnen, beanspruchen grundsätzlich unbedingte Gel-
tung, heben also die älteren gesellschaftlichen Ordnungen auf und
lassen neue Abweichungen auf diesem Wege nicht zu15. Soweit ein
Spielraum noch gelassen ist, sind Verschiebungen der Anteile durch
Vereinbarung der Lastträger auch jetzt noch denkbar. Aber sie wirken
ohne weiteres jetzt nur zwischen den sich Vereinbarenden, so daß eine

polizeistaatlichen Entwicklung folgendermaßen wieder: "Nach der Rechtsauffassung
im vorigen Jahrhundert standen dem Staat in der Ausübung der Polizeihoheit zur
Förderung der Wohlfahrt und Sicherheit des Ganzen als die ihm zunächst Ver-
pflichteten die für obrigkeitliche Verwaltung verantwortlichen Korpora, die
Magistrate, Dominien, Domänenämter gegenüber, vorbehaltlich der Unterverteilung
jure collectandi. In welchem Maße Domminium und Unterthanen zu den Polizei-
anstalten beizutragen hatten, regelte sich meist nach Vertrag und Herkommen."
Diese "zunächst verpflichteten Korpora" sind aber nichts anderes als Behörden,
keine juristischen Personen; sie sind verpflichtet als Werkzeuge der Beitreibung
zu dienen; auf die Einzelnen, welche unter ihnen zu Gruppen verbunden sind, ist
es abgesehen; diese sind die unmittelbaren Träger der Lasten, ihre Vereinigung
nur eine Form der Erhebung und Ausgleichung.
15 Bezüglich der Deichlasten z. B. hat das Preuß. Deichges. v. 28. Jan. 1848
§ 16 einen allgemein gültigen Verteilungsmaßstab geordnet und zu dessen Gunsten
in § 17 ausdrücklich die "auf Grund specieller Rechtstitel zwischen diesen Per-
sonen" bisher bestehende andere Verteilungsart aufgehoben. Für das bayrische
Recht spricht V.G.H. 13. Mai 1884 (Samml. V S. 209) den allgemeinen Grundsatz
aus: "das Herkommen ist in Angelegenheiten des öffentlichen Rechts, für welche
durch die Gesetzgebung ein neuer Rechtsboden geschaffen wurde, als Entstehungs-
grund für Rechte und Pflichten nur dann anerkannt, wenn dies das Gesetz aus-
drücklich zuläßt." Es handelte sich um die Beteiligung an den Kosten der Unter-
haltung einer Brücke im Gemeindeweg. -- Die gesetzliche Neuordnung solcher
Lasten wird auch frühere vertragsmäßige Ordnungen beseitigen; V.G.H. 25. Mai
1880 (Samml. I S. 322).
Recht der besonderen Schuldverhältnisse.

Das neuere Recht verwischt die Selbständigkeit dieses gesellschaft-
lichen Elementes mehr und mehr, ersetzt dafür auch die Verbandlast
selbst in immer größerem Umfang durch die neubelebte juristische
Person des öffentlichen Rechts. Soweit sie fortbesteht, bietet die
Verbandlast auch jetzt noch gewisse Eigentümlichkeiten, die aus jener
alten Grundidee sich ergeben.

Die Verteilung, welche zwischen den Verpflichteten geordnet
ist, ist auch maßgebend für das, was die öffentliche Gewalt von jedem
zu fordern hat. Alte Vereinbarungen zwischen den Rechtsvorgängern,
Herkommen und rechtsbegründende Verjährung, die zwischen ihnen
sich gebildet haben, bestimmen den Umfang des Anteils an der Last-
pflicht auch dem Staate gegenüber. Das ist dann die bestehende
Verfassung des Verbandes, welche nur zu handhaben ist. Die
neueren Gesetze, wo sie selbst die Art und den Maßstab der Ver-
teilung der Last ordnen, beanspruchen grundsätzlich unbedingte Gel-
tung, heben also die älteren gesellschaftlichen Ordnungen auf und
lassen neue Abweichungen auf diesem Wege nicht zu15. Soweit ein
Spielraum noch gelassen ist, sind Verschiebungen der Anteile durch
Vereinbarung der Lastträger auch jetzt noch denkbar. Aber sie wirken
ohne weiteres jetzt nur zwischen den sich Vereinbarenden, so daß eine

polizeistaatlichen Entwicklung folgendermaßen wieder: „Nach der Rechtsauffassung
im vorigen Jahrhundert standen dem Staat in der Ausübung der Polizeihoheit zur
Förderung der Wohlfahrt und Sicherheit des Ganzen als die ihm zunächst Ver-
pflichteten die für obrigkeitliche Verwaltung verantwortlichen Korpora, die
Magistrate, Dominien, Domänenämter gegenüber, vorbehaltlich der Unterverteilung
jure collectandi. In welchem Maße Domminium und Unterthanen zu den Polizei-
anstalten beizutragen hatten, regelte sich meist nach Vertrag und Herkommen.“
Diese „zunächst verpflichteten Korpora“ sind aber nichts anderes als Behörden,
keine juristischen Personen; sie sind verpflichtet als Werkzeuge der Beitreibung
zu dienen; auf die Einzelnen, welche unter ihnen zu Gruppen verbunden sind, ist
es abgesehen; diese sind die unmittelbaren Träger der Lasten, ihre Vereinigung
nur eine Form der Erhebung und Ausgleichung.
15 Bezüglich der Deichlasten z. B. hat das Preuß. Deichges. v. 28. Jan. 1848
§ 16 einen allgemein gültigen Verteilungsmaßstab geordnet und zu dessen Gunsten
in § 17 ausdrücklich die „auf Grund specieller Rechtstitel zwischen diesen Per-
sonen“ bisher bestehende andere Verteilungsart aufgehoben. Für das bayrische
Recht spricht V.G.H. 13. Mai 1884 (Samml. V S. 209) den allgemeinen Grundsatz
aus: „das Herkommen ist in Angelegenheiten des öffentlichen Rechts, für welche
durch die Gesetzgebung ein neuer Rechtsboden geschaffen wurde, als Entstehungs-
grund für Rechte und Pflichten nur dann anerkannt, wenn dies das Gesetz aus-
drücklich zuläßt.“ Es handelte sich um die Beteiligung an den Kosten der Unter-
haltung einer Brücke im Gemeindeweg. — Die gesetzliche Neuordnung solcher
Lasten wird auch frühere vertragsmäßige Ordnungen beseitigen; V.G.H. 25. Mai
1880 (Samml. I S. 322).
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[288/0300] Recht der besonderen Schuldverhältnisse. Das neuere Recht verwischt die Selbständigkeit dieses gesellschaft- lichen Elementes mehr und mehr, ersetzt dafür auch die Verbandlast selbst in immer größerem Umfang durch die neubelebte juristische Person des öffentlichen Rechts. Soweit sie fortbesteht, bietet die Verbandlast auch jetzt noch gewisse Eigentümlichkeiten, die aus jener alten Grundidee sich ergeben. Die Verteilung, welche zwischen den Verpflichteten geordnet ist, ist auch maßgebend für das, was die öffentliche Gewalt von jedem zu fordern hat. Alte Vereinbarungen zwischen den Rechtsvorgängern, Herkommen und rechtsbegründende Verjährung, die zwischen ihnen sich gebildet haben, bestimmen den Umfang des Anteils an der Last- pflicht auch dem Staate gegenüber. Das ist dann die bestehende Verfassung des Verbandes, welche nur zu handhaben ist. Die neueren Gesetze, wo sie selbst die Art und den Maßstab der Ver- teilung der Last ordnen, beanspruchen grundsätzlich unbedingte Gel- tung, heben also die älteren gesellschaftlichen Ordnungen auf und lassen neue Abweichungen auf diesem Wege nicht zu 15. Soweit ein Spielraum noch gelassen ist, sind Verschiebungen der Anteile durch Vereinbarung der Lastträger auch jetzt noch denkbar. Aber sie wirken ohne weiteres jetzt nur zwischen den sich Vereinbarenden, so daß eine 14 15 Bezüglich der Deichlasten z. B. hat das Preuß. Deichges. v. 28. Jan. 1848 § 16 einen allgemein gültigen Verteilungsmaßstab geordnet und zu dessen Gunsten in § 17 ausdrücklich die „auf Grund specieller Rechtstitel zwischen diesen Per- sonen“ bisher bestehende andere Verteilungsart aufgehoben. Für das bayrische Recht spricht V.G.H. 13. Mai 1884 (Samml. V S. 209) den allgemeinen Grundsatz aus: „das Herkommen ist in Angelegenheiten des öffentlichen Rechts, für welche durch die Gesetzgebung ein neuer Rechtsboden geschaffen wurde, als Entstehungs- grund für Rechte und Pflichten nur dann anerkannt, wenn dies das Gesetz aus- drücklich zuläßt.“ Es handelte sich um die Beteiligung an den Kosten der Unter- haltung einer Brücke im Gemeindeweg. — Die gesetzliche Neuordnung solcher Lasten wird auch frühere vertragsmäßige Ordnungen beseitigen; V.G.H. 25. Mai 1880 (Samml. I S. 322). 14 polizeistaatlichen Entwicklung folgendermaßen wieder: „Nach der Rechtsauffassung im vorigen Jahrhundert standen dem Staat in der Ausübung der Polizeihoheit zur Förderung der Wohlfahrt und Sicherheit des Ganzen als die ihm zunächst Ver- pflichteten die für obrigkeitliche Verwaltung verantwortlichen Korpora, die Magistrate, Dominien, Domänenämter gegenüber, vorbehaltlich der Unterverteilung jure collectandi. In welchem Maße Domminium und Unterthanen zu den Polizei- anstalten beizutragen hatten, regelte sich meist nach Vertrag und Herkommen.“ Diese „zunächst verpflichteten Korpora“ sind aber nichts anderes als Behörden, keine juristischen Personen; sie sind verpflichtet als Werkzeuge der Beitreibung zu dienen; auf die Einzelnen, welche unter ihnen zu Gruppen verbunden sind, ist es abgesehen; diese sind die unmittelbaren Träger der Lasten, ihre Vereinigung nur eine Form der Erhebung und Ausgleichung.

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Zitationshilfe: Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 2. Leipzig, 1896, S. 288. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mayer_verwaltungsrecht02_1896/300>, abgerufen am 24.11.2024.