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Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 2. Leipzig, 1896.

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Recht der besonderen Schuldverhältnisse.
mittel seiner Natur nach nicht das entsprechende (Bd. I § 23, III),
und daher nicht von selbst zulässig16.

III. Die Erfüllung der Lastpflicht hat Wirkungen nach zwei
Seiten hin.

1. Sie setzt die Verwaltung in den Besitz der Mittel, welche
der Pflichtige ihr zur Durchführung des öffentlichen Unternehmens zu
gewähren hat. Die rechtliche Macht, die dadurch für sie begründet
wird, hat je nach dem Inhalt der Leistung eine verschiedene Gestalt.

Handelt es sich um eine persönliche Thätigkeit, Arbeits-
leistung, Auskunftserteilung, so tritt der Erfüllende damit in die Ab-
hängigkeit von den Anweisungen, welche ihm behufs Ausführung des
Unternehmens von dem Leiter derselben gegeben werden. Es ent-
steht ein ähnliches Verhältnis, wie es bei der öffentlichen Dienstpflicht
in der Dienstgewalt zum Ausdruck kommt, nur äußerlicher und form-
loser; es ist einfach die Entfaltung der Lastpflicht in ihre Einzel-
heiten. Nichtbefolgung der Anweisungen wird in Rücksicht auf Strafen
und Zwangsmittel ebenso behandelt wie die Weigerung der Erfüllung
überhaupt. Überdies wird der Widerspenstige wegen Störung des
Unternehmens den Maßregeln der besonderen Polizei desselben aus-
gesetzt sein17.

Wo Sachen zum Gebrauch überlassen werden mußten, tritt die
Verwaltung in den körperlichen Besitz dieser Sachen, in welchem sie
sich durch Selbsthülfe schützt (oben Bd. I § 24, I). Das Maß des
Gebrauchs ist durch den Zweck des Unternehmens inhaltlich und zeit-
lich bestimmt; er kann auch zum Verbrauch führen. Die Sache bleibt
Eigentum des Pflichtigen und ist nach Endigung des lastmäßigen Ge-
brauchs zurückzugeben wie sie ist18.

16 Für gesetzlich vorgesehene Kriegsleistungen wird allerdings auch zur Er-
zwingung von Handlungen das Mittel der Gewalt und Drohung verwendet werden
können. Einen Versuch mit Gewaltanwendung zur Erzwingung einer Handlung,
die kraft Lastpflicht geschuldet ist, gestattet Stf.Pr.O. § 50, wonach der geladene
Zeuge zwangsweise vorgeführt werden darf. Mehr als ein Versuch ist das nicht,
denn zum Reden kann man ihn mangels einer Foltereinrichtung doch nicht zwingen.
-- Thatsächliche Besitzergreifung an Sachen kann auch ohne vorhergehende An-
forderung geschehen, wenn die sonstigen Voraussetzungen gegeben sind und man
des Besitzers nicht gleich habhaft werden kann, um die Form zu erfüllen: so wird
man Quartier, Gerätschaften, Lebensmittel auch in Abwesenheit des Lastpflichtigen
sich beschaffen können. Das ist aber nur ein summarisches Verfahren und immer
noch verschieden von dem einfachen Notstandsrecht (oben Note 6).
17 So unterliegt der Zeuge, der Sachverständige der Sitzungspolizei (G.V.G.
§ 177 ff.), der zu Löscharbeiten Herangezogene den Anordnungen des die Arbeiten
leitenden Polizeibeamten (O.V.G. 16. Nov. 1881).
18 Eine eigentümliche Art von Inanspruchnahme des Privateigentums zum

Recht der besonderen Schuldverhältnisse.
mittel seiner Natur nach nicht das entsprechende (Bd. I § 23, III),
und daher nicht von selbst zulässig16.

III. Die Erfüllung der Lastpflicht hat Wirkungen nach zwei
Seiten hin.

1. Sie setzt die Verwaltung in den Besitz der Mittel, welche
der Pflichtige ihr zur Durchführung des öffentlichen Unternehmens zu
gewähren hat. Die rechtliche Macht, die dadurch für sie begründet
wird, hat je nach dem Inhalt der Leistung eine verschiedene Gestalt.

Handelt es sich um eine persönliche Thätigkeit, Arbeits-
leistung, Auskunftserteilung, so tritt der Erfüllende damit in die Ab-
hängigkeit von den Anweisungen, welche ihm behufs Ausführung des
Unternehmens von dem Leiter derselben gegeben werden. Es ent-
steht ein ähnliches Verhältnis, wie es bei der öffentlichen Dienstpflicht
in der Dienstgewalt zum Ausdruck kommt, nur äußerlicher und form-
loser; es ist einfach die Entfaltung der Lastpflicht in ihre Einzel-
heiten. Nichtbefolgung der Anweisungen wird in Rücksicht auf Strafen
und Zwangsmittel ebenso behandelt wie die Weigerung der Erfüllung
überhaupt. Überdies wird der Widerspenstige wegen Störung des
Unternehmens den Maßregeln der besonderen Polizei desselben aus-
gesetzt sein17.

Wo Sachen zum Gebrauch überlassen werden mußten, tritt die
Verwaltung in den körperlichen Besitz dieser Sachen, in welchem sie
sich durch Selbsthülfe schützt (oben Bd. I § 24, I). Das Maß des
Gebrauchs ist durch den Zweck des Unternehmens inhaltlich und zeit-
lich bestimmt; er kann auch zum Verbrauch führen. Die Sache bleibt
Eigentum des Pflichtigen und ist nach Endigung des lastmäßigen Ge-
brauchs zurückzugeben wie sie ist18.

16 Für gesetzlich vorgesehene Kriegsleistungen wird allerdings auch zur Er-
zwingung von Handlungen das Mittel der Gewalt und Drohung verwendet werden
können. Einen Versuch mit Gewaltanwendung zur Erzwingung einer Handlung,
die kraft Lastpflicht geschuldet ist, gestattet Stf.Pr.O. § 50, wonach der geladene
Zeuge zwangsweise vorgeführt werden darf. Mehr als ein Versuch ist das nicht,
denn zum Reden kann man ihn mangels einer Foltereinrichtung doch nicht zwingen.
— Thatsächliche Besitzergreifung an Sachen kann auch ohne vorhergehende An-
forderung geschehen, wenn die sonstigen Voraussetzungen gegeben sind und man
des Besitzers nicht gleich habhaft werden kann, um die Form zu erfüllen: so wird
man Quartier, Gerätschaften, Lebensmittel auch in Abwesenheit des Lastpflichtigen
sich beschaffen können. Das ist aber nur ein summarisches Verfahren und immer
noch verschieden von dem einfachen Notstandsrecht (oben Note 6).
17 So unterliegt der Zeuge, der Sachverständige der Sitzungspolizei (G.V.G.
§ 177 ff.), der zu Löscharbeiten Herangezogene den Anordnungen des die Arbeiten
leitenden Polizeibeamten (O.V.G. 16. Nov. 1881).
18 Eine eigentümliche Art von Inanspruchnahme des Privateigentums zum
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[274/0286] Recht der besonderen Schuldverhältnisse. mittel seiner Natur nach nicht das entsprechende (Bd. I § 23, III), und daher nicht von selbst zulässig 16. III. Die Erfüllung der Lastpflicht hat Wirkungen nach zwei Seiten hin. 1. Sie setzt die Verwaltung in den Besitz der Mittel, welche der Pflichtige ihr zur Durchführung des öffentlichen Unternehmens zu gewähren hat. Die rechtliche Macht, die dadurch für sie begründet wird, hat je nach dem Inhalt der Leistung eine verschiedene Gestalt. Handelt es sich um eine persönliche Thätigkeit, Arbeits- leistung, Auskunftserteilung, so tritt der Erfüllende damit in die Ab- hängigkeit von den Anweisungen, welche ihm behufs Ausführung des Unternehmens von dem Leiter derselben gegeben werden. Es ent- steht ein ähnliches Verhältnis, wie es bei der öffentlichen Dienstpflicht in der Dienstgewalt zum Ausdruck kommt, nur äußerlicher und form- loser; es ist einfach die Entfaltung der Lastpflicht in ihre Einzel- heiten. Nichtbefolgung der Anweisungen wird in Rücksicht auf Strafen und Zwangsmittel ebenso behandelt wie die Weigerung der Erfüllung überhaupt. Überdies wird der Widerspenstige wegen Störung des Unternehmens den Maßregeln der besonderen Polizei desselben aus- gesetzt sein 17. Wo Sachen zum Gebrauch überlassen werden mußten, tritt die Verwaltung in den körperlichen Besitz dieser Sachen, in welchem sie sich durch Selbsthülfe schützt (oben Bd. I § 24, I). Das Maß des Gebrauchs ist durch den Zweck des Unternehmens inhaltlich und zeit- lich bestimmt; er kann auch zum Verbrauch führen. Die Sache bleibt Eigentum des Pflichtigen und ist nach Endigung des lastmäßigen Ge- brauchs zurückzugeben wie sie ist 18. 16 Für gesetzlich vorgesehene Kriegsleistungen wird allerdings auch zur Er- zwingung von Handlungen das Mittel der Gewalt und Drohung verwendet werden können. Einen Versuch mit Gewaltanwendung zur Erzwingung einer Handlung, die kraft Lastpflicht geschuldet ist, gestattet Stf.Pr.O. § 50, wonach der geladene Zeuge zwangsweise vorgeführt werden darf. Mehr als ein Versuch ist das nicht, denn zum Reden kann man ihn mangels einer Foltereinrichtung doch nicht zwingen. — Thatsächliche Besitzergreifung an Sachen kann auch ohne vorhergehende An- forderung geschehen, wenn die sonstigen Voraussetzungen gegeben sind und man des Besitzers nicht gleich habhaft werden kann, um die Form zu erfüllen: so wird man Quartier, Gerätschaften, Lebensmittel auch in Abwesenheit des Lastpflichtigen sich beschaffen können. Das ist aber nur ein summarisches Verfahren und immer noch verschieden von dem einfachen Notstandsrecht (oben Note 6). 17 So unterliegt der Zeuge, der Sachverständige der Sitzungspolizei (G.V.G. § 177 ff.), der zu Löscharbeiten Herangezogene den Anordnungen des die Arbeiten leitenden Polizeibeamten (O.V.G. 16. Nov. 1881). 18 Eine eigentümliche Art von Inanspruchnahme des Privateigentums zum

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Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




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Zitationshilfe: Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 2. Leipzig, 1896, S. 274. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mayer_verwaltungsrecht02_1896/286>, abgerufen am 24.11.2024.