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Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 2. Leipzig, 1896.

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§ 46. Vermögensrechtliche Ansprüche aus dem Dienstverhältnisse.
so geschieht das nur als Verhandlung über eine sie etwa treffende
Ersatzpflicht (unten n. 2). Sind abzuliefernde Sachen noch zurück-
behalten worden, so besteht ein civilrechtlicher Anspruch auf Heraus-
gabe. Daß, im Falle eine Störung des Betriebs der öffentlichen Ver-
waltung sich mit der Vorenthaltung verbindet, unmittelbarer Polizei-
zwang eingreifen kann (Bd. I S. 351), ist eine Sache für sich.

2. Im civilrechtlichen Dienstverhältnisse steht hinter jeder Ver-
fehlung gegen die Dienstpflicht, aus welcher dem Dienstherrn Schade
erwächst, der Anspruch auf Schadensersatz. Die Verbindlichkeit
dazu ist eine vertragsmäßige, sie ist nichts anderes als die um-
gewandelte Diensterfüllungspflicht.

Bei dem öffentlichen Dienstverhältnisse findet das nicht statt. Es
handelt sich dabei um einen viel allgemeineren Grundsatz: öffentlich-
rechtliche Leistungspflichten verwandeln sich im Falle
der Nichterfüllung oder nicht gehöriger Erfüllung über-
haupt nicht in Schadensersatzpflichten
. Diese Umwand-
lung ist eine Regel, die dem Obligationenrecht des Civilrechts eigen
ist; wir sind aber nicht befugt, solche Regeln ohne weiteres auf
äußerlich verwandte öffentlichrechtliche Beziehungen zu übertragen.

Damit ist nicht gesagt, daß der öffentliche Diener seinem Herrn
für den Schaden, den er ihm rechtswidrig zufügt, Schadensersatz über-
haupt nicht zu leisten habe. Nur dienstrechtlich schuldet er ihn nicht,
aus dem Dienstverhältnisse entspringt keine Schadensersatzpflicht.
Aber er schuldet ihn seinem Dienstherrn in derselben Weise, wie
jedem Anderen, welchen er in dem von ihm zu verrichtenden Dienste
rechtswidrig geschädigt hat. Im geltenden Rechte kommt dies zum
Ausdruck dadurch, daß es anerkennt: die vermögensrechtliche Haf-
tung des öffentlichen Dieners für rechtswidrige Schädigung sei ihrer
rechtlichen Grundlage nach die gleiche gegenüber dem Staate, wie
gegenüber einem Dritten. Damit ist eine besondere öffentlichrecht-
liche Haftung aus dem Dienstverhältnisse verneint. Die Schadens-
ersatzpflicht kann nur die civilrechtliche ex delicto oder quasi ex
delicto sein; denn nur eine solche ist auch dem Dritten gegenüber
möglich22.

Für diese außerkontraktliche Schadensersatzpflicht ist das Dienst-
verhältnis nicht gleichgültig. Sie setzt ein Verschulden, eine Rechts-
widrigkeit voraus, und ob diese vorhanden ist, wird allerdings ge-
messen werden müssen an der Dienstpflicht. Verschuldet, rechts-

22 Laband, St.R. I S. 455 (3. Aufl. S. 433); Kanngießer, R.B.R. S. 64;
Krais in Bl. f. adm. Pr. 33 S. 33 ff., insbes. S. 68. 163.
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§ 46. Vermögensrechtliche Ansprüche aus dem Dienstverhältnisse.
so geschieht das nur als Verhandlung über eine sie etwa treffende
Ersatzpflicht (unten n. 2). Sind abzuliefernde Sachen noch zurück-
behalten worden, so besteht ein civilrechtlicher Anspruch auf Heraus-
gabe. Daß, im Falle eine Störung des Betriebs der öffentlichen Ver-
waltung sich mit der Vorenthaltung verbindet, unmittelbarer Polizei-
zwang eingreifen kann (Bd. I S. 351), ist eine Sache für sich.

2. Im civilrechtlichen Dienstverhältnisse steht hinter jeder Ver-
fehlung gegen die Dienstpflicht, aus welcher dem Dienstherrn Schade
erwächst, der Anspruch auf Schadensersatz. Die Verbindlichkeit
dazu ist eine vertragsmäßige, sie ist nichts anderes als die um-
gewandelte Diensterfüllungspflicht.

Bei dem öffentlichen Dienstverhältnisse findet das nicht statt. Es
handelt sich dabei um einen viel allgemeineren Grundsatz: öffentlich-
rechtliche Leistungspflichten verwandeln sich im Falle
der Nichterfüllung oder nicht gehöriger Erfüllung über-
haupt nicht in Schadensersatzpflichten
. Diese Umwand-
lung ist eine Regel, die dem Obligationenrecht des Civilrechts eigen
ist; wir sind aber nicht befugt, solche Regeln ohne weiteres auf
äußerlich verwandte öffentlichrechtliche Beziehungen zu übertragen.

Damit ist nicht gesagt, daß der öffentliche Diener seinem Herrn
für den Schaden, den er ihm rechtswidrig zufügt, Schadensersatz über-
haupt nicht zu leisten habe. Nur dienstrechtlich schuldet er ihn nicht,
aus dem Dienstverhältnisse entspringt keine Schadensersatzpflicht.
Aber er schuldet ihn seinem Dienstherrn in derselben Weise, wie
jedem Anderen, welchen er in dem von ihm zu verrichtenden Dienste
rechtswidrig geschädigt hat. Im geltenden Rechte kommt dies zum
Ausdruck dadurch, daß es anerkennt: die vermögensrechtliche Haf-
tung des öffentlichen Dieners für rechtswidrige Schädigung sei ihrer
rechtlichen Grundlage nach die gleiche gegenüber dem Staate, wie
gegenüber einem Dritten. Damit ist eine besondere öffentlichrecht-
liche Haftung aus dem Dienstverhältnisse verneint. Die Schadens-
ersatzpflicht kann nur die civilrechtliche ex delicto oder quasi ex
delicto sein; denn nur eine solche ist auch dem Dritten gegenüber
möglich22.

Für diese außerkontraktliche Schadensersatzpflicht ist das Dienst-
verhältnis nicht gleichgültig. Sie setzt ein Verschulden, eine Rechts-
widrigkeit voraus, und ob diese vorhanden ist, wird allerdings ge-
messen werden müssen an der Dienstpflicht. Verschuldet, rechts-

22 Laband, St.R. I S. 455 (3. Aufl. S. 433); Kanngießer, R.B.R. S. 64;
Krais in Bl. f. adm. Pr. 33 S. 33 ff., insbes. S. 68. 163.
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[259/0271] § 46. Vermögensrechtliche Ansprüche aus dem Dienstverhältnisse. so geschieht das nur als Verhandlung über eine sie etwa treffende Ersatzpflicht (unten n. 2). Sind abzuliefernde Sachen noch zurück- behalten worden, so besteht ein civilrechtlicher Anspruch auf Heraus- gabe. Daß, im Falle eine Störung des Betriebs der öffentlichen Ver- waltung sich mit der Vorenthaltung verbindet, unmittelbarer Polizei- zwang eingreifen kann (Bd. I S. 351), ist eine Sache für sich. 2. Im civilrechtlichen Dienstverhältnisse steht hinter jeder Ver- fehlung gegen die Dienstpflicht, aus welcher dem Dienstherrn Schade erwächst, der Anspruch auf Schadensersatz. Die Verbindlichkeit dazu ist eine vertragsmäßige, sie ist nichts anderes als die um- gewandelte Diensterfüllungspflicht. Bei dem öffentlichen Dienstverhältnisse findet das nicht statt. Es handelt sich dabei um einen viel allgemeineren Grundsatz: öffentlich- rechtliche Leistungspflichten verwandeln sich im Falle der Nichterfüllung oder nicht gehöriger Erfüllung über- haupt nicht in Schadensersatzpflichten. Diese Umwand- lung ist eine Regel, die dem Obligationenrecht des Civilrechts eigen ist; wir sind aber nicht befugt, solche Regeln ohne weiteres auf äußerlich verwandte öffentlichrechtliche Beziehungen zu übertragen. Damit ist nicht gesagt, daß der öffentliche Diener seinem Herrn für den Schaden, den er ihm rechtswidrig zufügt, Schadensersatz über- haupt nicht zu leisten habe. Nur dienstrechtlich schuldet er ihn nicht, aus dem Dienstverhältnisse entspringt keine Schadensersatzpflicht. Aber er schuldet ihn seinem Dienstherrn in derselben Weise, wie jedem Anderen, welchen er in dem von ihm zu verrichtenden Dienste rechtswidrig geschädigt hat. Im geltenden Rechte kommt dies zum Ausdruck dadurch, daß es anerkennt: die vermögensrechtliche Haf- tung des öffentlichen Dieners für rechtswidrige Schädigung sei ihrer rechtlichen Grundlage nach die gleiche gegenüber dem Staate, wie gegenüber einem Dritten. Damit ist eine besondere öffentlichrecht- liche Haftung aus dem Dienstverhältnisse verneint. Die Schadens- ersatzpflicht kann nur die civilrechtliche ex delicto oder quasi ex delicto sein; denn nur eine solche ist auch dem Dritten gegenüber möglich 22. Für diese außerkontraktliche Schadensersatzpflicht ist das Dienst- verhältnis nicht gleichgültig. Sie setzt ein Verschulden, eine Rechts- widrigkeit voraus, und ob diese vorhanden ist, wird allerdings ge- messen werden müssen an der Dienstpflicht. Verschuldet, rechts- 22 Laband, St.R. I S. 455 (3. Aufl. S. 433); Kanngießer, R.B.R. S. 64; Krais in Bl. f. adm. Pr. 33 S. 33 ff., insbes. S. 68. 163. 17*

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Zitationshilfe: Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 2. Leipzig, 1896, S. 259. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mayer_verwaltungsrecht02_1896/271>, abgerufen am 18.05.2024.