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Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 2. Leipzig, 1896.

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Recht der besonderen Schuldverhältnisse.
gewachsen aus seiner Natur und seinen besonderen Zwecken. Sie
erscheint auch sonst noch, wo in einem Gewaltverhältnisse ähnliche
Voraussetzungen gegeben sind; aber hier hat sie ihre maßgebende
Ausprägung erhalten. Das öffentlichrechtliche Dienstverhältnis enthält
die Forderung einer besonderen Hingabe und Treue. Jede Verfehlung
stellt deshalb nicht bloß in sich selbst eine Unordnung dar, die be-
seitigt werden muß, soweit noch etwas davon übrig geblieben ist.
Viel wichtiger ist dieser einzelne Thatbestand durch den Schluß, den
er machen läßt auf das Vorhandensein einer Gesinnung, die jener
Forderung nicht entspricht. Es geht nicht an, ein derartiges Element
im öffentlichen Dienste mit fortzuschleppen. Deshalb wird gegen den
Fehlenden vorgegangen mit Strafen. Diese Strafen sind poenae medi-
cinales. Sie haben ihre ganze Rechtfertigung in dem Erfolge, der da-
durch erzielt werden soll, in der für den Dienst zu erzielen-
den Besserung
. Diese Besserung kann an dem Fehlenden selbst
erstrebt werden. Ist sie da nicht möglich, so bleibt als letztes Mittel
nur übrig die Entfernung des schadhaften Gliedes aus dem Dienst,
so daß wenigstens dieser, der die Hauptsache ist, gereinigt und ge-
bessert wird: quod medicamenta non sanant, ferrum sanat15a.

15a Wegen der Verwandtschaft mit der censura des Kan.R. vgl. Hinschius
in Holtzendorffs Rechtslex. I S. 458; Ders., System des kath. K.R. IV S. 748 und
S. 756 Note 8. -- Binding, Grundriß des Stf.R. S. 153: "keine Strafe im Rechts-
sinn, sondern ein pädagogisches Zuchtmittel". Die letztere Bezeichnung ist vor-
trefflich, nur kann unseres Erachtens ein Zuchtmittel zugleich Strafe sein, wenn
auch keine Strafe von der Art wie die Strafen des gemeinen Strafrechts. Laband,
St.R. I S. 463 (3. Aufl. S. 441): "keine Strafe im Sinne des Strafrechts, sondern
Mittel zur Erhaltung der Zucht und Ordnung innerhalb des Dienstverhältnisses und
zur Sicherung der Erfüllung der Dienstpflicht". In dem Bestreben, den Gegensatz
zu der früheren Auffassung, die hier nur ein besonderes Gebiet des gemeinen
Strafrechts, ein Specialstrafrecht sehen wollte, recht scharf zu betonen, hat man
dann allerdings die Disciplinarstrafe wieder zu stark der Ungehorsamsstrafe ge-
nähert. Man bezeichnet sie zugleich als "das Mittel, um die Erfüllung der Dienst-
pflicht zu erzwingen" (Laband a. a. O. S. 464); sie steht "an Stelle der Kon-
traktsklage auf Leistung" (Laband a. a. O. S. 465); ist eine "Form des Er-
füllungszwanges" (Binding, Stf.R. I S. 278). G. Meyer in Annalen 1876 S. 673 ff.
hat mit Recht hervorgehoben, daß gerade die schärfste Disciplinarstrafe, die Dienst-
entlassung, die auf alle fernere Leistung verzichtet, jeden Gedanken an einen Er-
füllungszwang ausschließen muß. Wenn Laband, St.R. 2. Aufl. I S. 664 Note 2
(3. Aufl. S. 442 Note 2), sich dem gegenüber darauf beruft, "daß die Androhung
einer Strafe ein indirektes Zwangsmittel sei", so verläßt er damit den Boden, auf
den er seine Auffassung ursprünglich gebaut hatte. Denn das Zuchtmittel und das
Seitenstück der Kontraktsklage kann doch nur die Verhängung der Strafe sein,
nicht die Ausrüstung der Behörden mit der rechtlichen Macht dazu für den Fall

Recht der besonderen Schuldverhältnisse.
gewachsen aus seiner Natur und seinen besonderen Zwecken. Sie
erscheint auch sonst noch, wo in einem Gewaltverhältnisse ähnliche
Voraussetzungen gegeben sind; aber hier hat sie ihre maßgebende
Ausprägung erhalten. Das öffentlichrechtliche Dienstverhältnis enthält
die Forderung einer besonderen Hingabe und Treue. Jede Verfehlung
stellt deshalb nicht bloß in sich selbst eine Unordnung dar, die be-
seitigt werden muß, soweit noch etwas davon übrig geblieben ist.
Viel wichtiger ist dieser einzelne Thatbestand durch den Schluß, den
er machen läßt auf das Vorhandensein einer Gesinnung, die jener
Forderung nicht entspricht. Es geht nicht an, ein derartiges Element
im öffentlichen Dienste mit fortzuschleppen. Deshalb wird gegen den
Fehlenden vorgegangen mit Strafen. Diese Strafen sind poenae medi-
cinales. Sie haben ihre ganze Rechtfertigung in dem Erfolge, der da-
durch erzielt werden soll, in der für den Dienst zu erzielen-
den Besserung
. Diese Besserung kann an dem Fehlenden selbst
erstrebt werden. Ist sie da nicht möglich, so bleibt als letztes Mittel
nur übrig die Entfernung des schadhaften Gliedes aus dem Dienst,
so daß wenigstens dieser, der die Hauptsache ist, gereinigt und ge-
bessert wird: quod medicamenta non sanant, ferrum sanat15a.

15a Wegen der Verwandtschaft mit der censura des Kan.R. vgl. Hinschius
in Holtzendorffs Rechtslex. I S. 458; Ders., System des kath. K.R. IV S. 748 und
S. 756 Note 8. — Binding, Grundriß des Stf.R. S. 153: „keine Strafe im Rechts-
sinn, sondern ein pädagogisches Zuchtmittel“. Die letztere Bezeichnung ist vor-
trefflich, nur kann unseres Erachtens ein Zuchtmittel zugleich Strafe sein, wenn
auch keine Strafe von der Art wie die Strafen des gemeinen Strafrechts. Laband,
St.R. I S. 463 (3. Aufl. S. 441): „keine Strafe im Sinne des Strafrechts, sondern
Mittel zur Erhaltung der Zucht und Ordnung innerhalb des Dienstverhältnisses und
zur Sicherung der Erfüllung der Dienstpflicht“. In dem Bestreben, den Gegensatz
zu der früheren Auffassung, die hier nur ein besonderes Gebiet des gemeinen
Strafrechts, ein Specialstrafrecht sehen wollte, recht scharf zu betonen, hat man
dann allerdings die Disciplinarstrafe wieder zu stark der Ungehorsamsstrafe ge-
nähert. Man bezeichnet sie zugleich als „das Mittel, um die Erfüllung der Dienst-
pflicht zu erzwingen“ (Laband a. a. O. S. 464); sie steht „an Stelle der Kon-
traktsklage auf Leistung“ (Laband a. a. O. S. 465); ist eine „Form des Er-
füllungszwanges“ (Binding, Stf.R. I S. 278). G. Meyer in Annalen 1876 S. 673 ff.
hat mit Recht hervorgehoben, daß gerade die schärfste Disciplinarstrafe, die Dienst-
entlassung, die auf alle fernere Leistung verzichtet, jeden Gedanken an einen Er-
füllungszwang ausschließen muß. Wenn Laband, St.R. 2. Aufl. I S. 664 Note 2
(3. Aufl. S. 442 Note 2), sich dem gegenüber darauf beruft, „daß die Androhung
einer Strafe ein indirektes Zwangsmittel sei“, so verläßt er damit den Boden, auf
den er seine Auffassung ursprünglich gebaut hatte. Denn das Zuchtmittel und das
Seitenstück der Kontraktsklage kann doch nur die Verhängung der Strafe sein,
nicht die Ausrüstung der Behörden mit der rechtlichen Macht dazu für den Fall
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[242/0254] Recht der besonderen Schuldverhältnisse. gewachsen aus seiner Natur und seinen besonderen Zwecken. Sie erscheint auch sonst noch, wo in einem Gewaltverhältnisse ähnliche Voraussetzungen gegeben sind; aber hier hat sie ihre maßgebende Ausprägung erhalten. Das öffentlichrechtliche Dienstverhältnis enthält die Forderung einer besonderen Hingabe und Treue. Jede Verfehlung stellt deshalb nicht bloß in sich selbst eine Unordnung dar, die be- seitigt werden muß, soweit noch etwas davon übrig geblieben ist. Viel wichtiger ist dieser einzelne Thatbestand durch den Schluß, den er machen läßt auf das Vorhandensein einer Gesinnung, die jener Forderung nicht entspricht. Es geht nicht an, ein derartiges Element im öffentlichen Dienste mit fortzuschleppen. Deshalb wird gegen den Fehlenden vorgegangen mit Strafen. Diese Strafen sind poenae medi- cinales. Sie haben ihre ganze Rechtfertigung in dem Erfolge, der da- durch erzielt werden soll, in der für den Dienst zu erzielen- den Besserung. Diese Besserung kann an dem Fehlenden selbst erstrebt werden. Ist sie da nicht möglich, so bleibt als letztes Mittel nur übrig die Entfernung des schadhaften Gliedes aus dem Dienst, so daß wenigstens dieser, der die Hauptsache ist, gereinigt und ge- bessert wird: quod medicamenta non sanant, ferrum sanat 15a. 15a Wegen der Verwandtschaft mit der censura des Kan.R. vgl. Hinschius in Holtzendorffs Rechtslex. I S. 458; Ders., System des kath. K.R. IV S. 748 und S. 756 Note 8. — Binding, Grundriß des Stf.R. S. 153: „keine Strafe im Rechts- sinn, sondern ein pädagogisches Zuchtmittel“. Die letztere Bezeichnung ist vor- trefflich, nur kann unseres Erachtens ein Zuchtmittel zugleich Strafe sein, wenn auch keine Strafe von der Art wie die Strafen des gemeinen Strafrechts. Laband, St.R. I S. 463 (3. Aufl. S. 441): „keine Strafe im Sinne des Strafrechts, sondern Mittel zur Erhaltung der Zucht und Ordnung innerhalb des Dienstverhältnisses und zur Sicherung der Erfüllung der Dienstpflicht“. In dem Bestreben, den Gegensatz zu der früheren Auffassung, die hier nur ein besonderes Gebiet des gemeinen Strafrechts, ein Specialstrafrecht sehen wollte, recht scharf zu betonen, hat man dann allerdings die Disciplinarstrafe wieder zu stark der Ungehorsamsstrafe ge- nähert. Man bezeichnet sie zugleich als „das Mittel, um die Erfüllung der Dienst- pflicht zu erzwingen“ (Laband a. a. O. S. 464); sie steht „an Stelle der Kon- traktsklage auf Leistung“ (Laband a. a. O. S. 465); ist eine „Form des Er- füllungszwanges“ (Binding, Stf.R. I S. 278). G. Meyer in Annalen 1876 S. 673 ff. hat mit Recht hervorgehoben, daß gerade die schärfste Disciplinarstrafe, die Dienst- entlassung, die auf alle fernere Leistung verzichtet, jeden Gedanken an einen Er- füllungszwang ausschließen muß. Wenn Laband, St.R. 2. Aufl. I S. 664 Note 2 (3. Aufl. S. 442 Note 2), sich dem gegenüber darauf beruft, „daß die Androhung einer Strafe ein indirektes Zwangsmittel sei“, so verläßt er damit den Boden, auf den er seine Auffassung ursprünglich gebaut hatte. Denn das Zuchtmittel und das Seitenstück der Kontraktsklage kann doch nur die Verhängung der Strafe sein, nicht die Ausrüstung der Behörden mit der rechtlichen Macht dazu für den Fall

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Zitationshilfe: Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 2. Leipzig, 1896, S. 242. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mayer_verwaltungsrecht02_1896/254>, abgerufen am 23.11.2024.