Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 2. Leipzig, 1896.

Bild:
<< vorherige Seite

Recht der besonderen Schuldverhältnisse.
denselben Gesichtspunkten zu behandeln sein, wie beim wirklichen
Staatsdiener, nur ist das Verfahren hier formloser, patriarchalischer.
Die Unfähigkeit dagegen kann nur in entsprechender Umgestaltung
als Entlassungsgrund wirken; denn sie ist ja bei Begründung des Ver-
hältnisses vorausgesetzt und soll durch dieses mit seiner erziehlichen
Kraft erst gehoben werden. An ihre Stelle tritt deshalb der Mangel
an den zu fordernden Fortschritten, der das ganze Unternehmen als
zwecklos erscheinen läßt31.

§ 45.
Fortsetzung; die Dienstgewalt.

Die öffentliche Dienstpflicht, wie sie auch entstanden sein mag,
begründet eine besondere rechtliche Macht, die namens des Staates
oder des Selbstverwaltungskörpers über den Dienstpflichtigen geübt
wird, um ihn in der richtigen Erfüllung seiner Pflichten zu halten und
zu leiten. Diese Macht ist die Dienstgewalt. Die amtliche Stelle,
welche dem einzelnen Dienstpflichtigen gegenüber berufen ist, diese
Macht zu üben, ist seine Dienstbehörde, sein Dienstvor-
gesetzter
.

Die Dienstgewalt entfaltet sich dabei in zweierlei Formen: in
Dienstbefehl und in Dienststrafgewalt oder Disciplin.

I. Der Dienstbefehl.

Der Inhalt der Dienstpflicht ist teils rechtssatzmäßig gegeben,
teils durch den Verwaltungsakt, der sie begründete, im allgemeinen
bestimmt.

Die Folgerungen daraus richtig zu ziehen für das, was nun im
einzelnen zu thun ist, ist selbst ein Stück der Dienstpflicht. Diese
Folgerungen können aber auch gezogen werden durch Anweisungen,
die der Dienstherr erteilen läßt.

Die öffentliche Dienstpflicht ist ein Gewaltverhältnis (Bd. I
S. 101 ff.)1; die Anweisung ist die darauf gegründete bindende Be-

31 So für Referendare das Preuß. Ges. v. 21. Juli 1852 § 84. Wegen der
Entlassung von Supernumeraren: Fr. Seydel, Dienstvergehen S. 265 ff. Die be-
sonderen Voraussetzungen der Entlassung werden bei der Annahme zu Protokoll
festgestellt und kundgegeben. Wiederum eine "vertragsmäßige" Festsetzung, wenn
man so reden will.
1 Mit Recht spricht Laband, St.R. I S. 408 u. 412 (3. Aufl. S. 386, 387
u. 391), hier abwechselnd von "Gewaltverhältnis" und "öffentlichem Dienstverhältnis".
Ebenso Rehm in Annalen 1885 S. 146.

Recht der besonderen Schuldverhältnisse.
denselben Gesichtspunkten zu behandeln sein, wie beim wirklichen
Staatsdiener, nur ist das Verfahren hier formloser, patriarchalischer.
Die Unfähigkeit dagegen kann nur in entsprechender Umgestaltung
als Entlassungsgrund wirken; denn sie ist ja bei Begründung des Ver-
hältnisses vorausgesetzt und soll durch dieses mit seiner erziehlichen
Kraft erst gehoben werden. An ihre Stelle tritt deshalb der Mangel
an den zu fordernden Fortschritten, der das ganze Unternehmen als
zwecklos erscheinen läßt31.

§ 45.
Fortsetzung; die Dienstgewalt.

Die öffentliche Dienstpflicht, wie sie auch entstanden sein mag,
begründet eine besondere rechtliche Macht, die namens des Staates
oder des Selbstverwaltungskörpers über den Dienstpflichtigen geübt
wird, um ihn in der richtigen Erfüllung seiner Pflichten zu halten und
zu leiten. Diese Macht ist die Dienstgewalt. Die amtliche Stelle,
welche dem einzelnen Dienstpflichtigen gegenüber berufen ist, diese
Macht zu üben, ist seine Dienstbehörde, sein Dienstvor-
gesetzter
.

Die Dienstgewalt entfaltet sich dabei in zweierlei Formen: in
Dienstbefehl und in Dienststrafgewalt oder Disciplin.

I. Der Dienstbefehl.

Der Inhalt der Dienstpflicht ist teils rechtssatzmäßig gegeben,
teils durch den Verwaltungsakt, der sie begründete, im allgemeinen
bestimmt.

Die Folgerungen daraus richtig zu ziehen für das, was nun im
einzelnen zu thun ist, ist selbst ein Stück der Dienstpflicht. Diese
Folgerungen können aber auch gezogen werden durch Anweisungen,
die der Dienstherr erteilen läßt.

Die öffentliche Dienstpflicht ist ein Gewaltverhältnis (Bd. I
S. 101 ff.)1; die Anweisung ist die darauf gegründete bindende Be-

31 So für Referendare das Preuß. Ges. v. 21. Juli 1852 § 84. Wegen der
Entlassung von Supernumeraren: Fr. Seydel, Dienstvergehen S. 265 ff. Die be-
sonderen Voraussetzungen der Entlassung werden bei der Annahme zu Protokoll
festgestellt und kundgegeben. Wiederum eine „vertragsmäßige“ Festsetzung, wenn
man so reden will.
1 Mit Recht spricht Laband, St.R. I S. 408 u. 412 (3. Aufl. S. 386, 387
u. 391), hier abwechselnd von „Gewaltverhältnis“ und „öffentlichem Dienstverhältnis“.
Ebenso Rehm in Annalen 1885 S. 146.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0246" n="234"/><fw place="top" type="header">Recht der besonderen Schuldverhältnisse.</fw><lb/>
denselben Gesichtspunkten zu behandeln sein, wie beim wirklichen<lb/>
Staatsdiener, nur ist das Verfahren hier formloser, patriarchalischer.<lb/>
Die Unfähigkeit dagegen kann nur in entsprechender Umgestaltung<lb/>
als Entlassungsgrund wirken; denn sie ist ja bei Begründung des Ver-<lb/>
hältnisses vorausgesetzt und soll durch dieses mit seiner erziehlichen<lb/>
Kraft erst gehoben werden. An ihre Stelle tritt deshalb der Mangel<lb/>
an den zu fordernden Fortschritten, der das ganze Unternehmen als<lb/>
zwecklos erscheinen läßt<note place="foot" n="31">So für Referendare das Preuß. Ges. v. 21. Juli 1852 § 84. Wegen der<lb/>
Entlassung von Supernumeraren: Fr. <hi rendition="#g">Seydel,</hi> Dienstvergehen S. 265 ff. Die be-<lb/>
sonderen Voraussetzungen der Entlassung werden bei der Annahme zu Protokoll<lb/>
festgestellt und kundgegeben. Wiederum eine &#x201E;vertragsmäßige&#x201C; Festsetzung, wenn<lb/>
man so reden will.</note>.</p>
            </div><lb/>
            <div n="4">
              <head>§ 45.<lb/><hi rendition="#b">Fortsetzung; die Dienstgewalt.</hi></head><lb/>
              <p>Die öffentliche Dienstpflicht, wie sie auch entstanden sein mag,<lb/>
begründet eine besondere rechtliche Macht, die namens des Staates<lb/>
oder des Selbstverwaltungskörpers über den Dienstpflichtigen geübt<lb/>
wird, um ihn in der richtigen Erfüllung seiner Pflichten zu halten und<lb/>
zu leiten. Diese Macht ist die <hi rendition="#g">Dienstgewalt</hi>. Die amtliche Stelle,<lb/>
welche dem einzelnen Dienstpflichtigen gegenüber berufen ist, diese<lb/>
Macht zu üben, ist seine <hi rendition="#g">Dienstbehörde,</hi> sein <hi rendition="#g">Dienstvor-<lb/>
gesetzter</hi>.</p><lb/>
              <p>Die Dienstgewalt entfaltet sich dabei in zweierlei Formen: in<lb/><hi rendition="#g">Dienstbefehl</hi> und in <hi rendition="#g">Dienststrafgewalt</hi> oder Disciplin.</p><lb/>
              <p>I. Der <hi rendition="#g">Dienstbefehl</hi>.</p><lb/>
              <p>Der Inhalt der Dienstpflicht ist teils rechtssatzmäßig gegeben,<lb/>
teils durch den Verwaltungsakt, der sie begründete, im allgemeinen<lb/>
bestimmt.</p><lb/>
              <p>Die Folgerungen daraus richtig zu ziehen für das, was nun im<lb/>
einzelnen zu thun ist, ist selbst ein Stück der Dienstpflicht. Diese<lb/>
Folgerungen können aber auch gezogen werden durch Anweisungen,<lb/>
die der Dienstherr erteilen läßt.</p><lb/>
              <p>Die öffentliche Dienstpflicht ist ein <hi rendition="#g">Gewaltverhältnis</hi> (Bd. I<lb/>
S. 101 ff.)<note place="foot" n="1">Mit Recht spricht <hi rendition="#g">Laband,</hi> St.R. I S. 408 u. 412 (3. Aufl. S. 386, 387<lb/>
u. 391), hier abwechselnd von &#x201E;Gewaltverhältnis&#x201C; und &#x201E;öffentlichem Dienstverhältnis&#x201C;.<lb/>
Ebenso <hi rendition="#g">Rehm</hi> in Annalen 1885 S. 146.</note>; die Anweisung ist die darauf gegründete bindende Be-<lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[234/0246] Recht der besonderen Schuldverhältnisse. denselben Gesichtspunkten zu behandeln sein, wie beim wirklichen Staatsdiener, nur ist das Verfahren hier formloser, patriarchalischer. Die Unfähigkeit dagegen kann nur in entsprechender Umgestaltung als Entlassungsgrund wirken; denn sie ist ja bei Begründung des Ver- hältnisses vorausgesetzt und soll durch dieses mit seiner erziehlichen Kraft erst gehoben werden. An ihre Stelle tritt deshalb der Mangel an den zu fordernden Fortschritten, der das ganze Unternehmen als zwecklos erscheinen läßt 31. § 45. Fortsetzung; die Dienstgewalt. Die öffentliche Dienstpflicht, wie sie auch entstanden sein mag, begründet eine besondere rechtliche Macht, die namens des Staates oder des Selbstverwaltungskörpers über den Dienstpflichtigen geübt wird, um ihn in der richtigen Erfüllung seiner Pflichten zu halten und zu leiten. Diese Macht ist die Dienstgewalt. Die amtliche Stelle, welche dem einzelnen Dienstpflichtigen gegenüber berufen ist, diese Macht zu üben, ist seine Dienstbehörde, sein Dienstvor- gesetzter. Die Dienstgewalt entfaltet sich dabei in zweierlei Formen: in Dienstbefehl und in Dienststrafgewalt oder Disciplin. I. Der Dienstbefehl. Der Inhalt der Dienstpflicht ist teils rechtssatzmäßig gegeben, teils durch den Verwaltungsakt, der sie begründete, im allgemeinen bestimmt. Die Folgerungen daraus richtig zu ziehen für das, was nun im einzelnen zu thun ist, ist selbst ein Stück der Dienstpflicht. Diese Folgerungen können aber auch gezogen werden durch Anweisungen, die der Dienstherr erteilen läßt. Die öffentliche Dienstpflicht ist ein Gewaltverhältnis (Bd. I S. 101 ff.) 1; die Anweisung ist die darauf gegründete bindende Be- 31 So für Referendare das Preuß. Ges. v. 21. Juli 1852 § 84. Wegen der Entlassung von Supernumeraren: Fr. Seydel, Dienstvergehen S. 265 ff. Die be- sonderen Voraussetzungen der Entlassung werden bei der Annahme zu Protokoll festgestellt und kundgegeben. Wiederum eine „vertragsmäßige“ Festsetzung, wenn man so reden will. 1 Mit Recht spricht Laband, St.R. I S. 408 u. 412 (3. Aufl. S. 386, 387 u. 391), hier abwechselnd von „Gewaltverhältnis“ und „öffentlichem Dienstverhältnis“. Ebenso Rehm in Annalen 1885 S. 146.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/mayer_verwaltungsrecht02_1896
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/mayer_verwaltungsrecht02_1896/246
Zitationshilfe: Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 2. Leipzig, 1896, S. 234. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mayer_verwaltungsrecht02_1896/246>, abgerufen am 23.11.2024.