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Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 2. Leipzig, 1896.

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Das öffentliche Sachenrecht.

Der Polizeistaat verwischt die vorgefundenen Rechtsschranken
auch für diesen schwerwiegenden Eingriff. Bezeichnend ist, daß die
Rechtslehre sich immer gesträubt hat, gerade in diesem Punkte die
Schrankenlosigkeit der Staatsgewalt anzuerkennen. Thatsächlich be-
stand sie3. Indem dabei wieder für alle "civilrechtlichen Wirkungen"
der Fiskus sich darbieten muß, wird aus dem Rechtsinstitut das be-
kannte polizeistaatliche Mischgebilde (Bd. I S. 51).

Der Verfassungs- und Rechtsstaat der Neuzeit setzt feste,
greifbare Formen des Rechts für das Verhältnis der öffentlichen Ge-
walt zum Unterthanen. Gerade für die Enteignung und das dabei zu
beobachtende Verfahren hat er die ihm eigentümlichen Formen in be-
sonders scharf ausgeprägter Weise zur Geltung gebracht. Sie sind
leicht wieder zu erkennen. Die Aufgabe ist, hinter ihnen die ein-
fache ursprüngliche Grundidee der Enteignung zu erkennen und fest-
zuhalten. Nur aus ihr bleibt das Ganze verständlich und bestimmt
sich Sinn und Tragweite dessen, was im einzelnen gewollt ist4.

1. Unsere Verfassungsurkunden sagen zum Teil geradezu: Ent-
eignung findet nur nach Maßgabe des Gesetzes statt. Zum Teil be-
gnügen sie sich, das Eigentum für gewährleistet, zugesichert, geschützt
zu erklären, was die gleiche Wirkung hat. Auch wo gar nichts gesagt
ist, versteht sich dieser Vorbehalt des Gesetzes überall von selbst
(Bd. I S. 74 ff.).

Die Enteignung bedarf also, um rechtmäßig vorgenommen zu
werden, der gesetzlichen Grundlage. Dieser verfassungsrecht-

Teils Willkür. Wenn er aber die Stufenfolge unterscheidet: Regalität, verordnungs-
mäßiges Enteignungsrecht, verfassungsmäßiges Enteignungsrecht, so schwebt ihm
dabei entschieden das Richtige vor.
3 Moser, Landeshoh. in Ansehung der Unterthanen Pers. u. Verm. cap. 20
§ 3, giebt sich noch die Mühe, die gemäß dem alten Hoheitsrechte zulässigen Ent-
eignungsfälle aufzuzählen, kommt aber dann auf zweifelhaftes Gebiet und schließt
mit dem Satze: "Man wird aber in solcherlei Fällen schwerlich fragen, was
Rechtens sei." Das ist eben der Polizeistaat. Ein Beispiel von völlig formloser
Enteignung durch thatsächliche Besitzergreifung in Bd. I § 4 Note 4 (C.C.H.
8. April 1854).
4 Insofern damit diese Grundidee festgestellt wird, haben also auch gegen-
über dem gesetzten Rechte Erörterungen noch ihren guten Zweck, wie sie z. B.
G. Meyer, R. d. Expropr. S. 163 ff., unter der Überschrift "Das staatsrechtliche
Prinzip der Expropriation" anstellt. Ähnlich v. Rohland, Ent.R. S. 6, sowie
Grünhut, Ent.R. S. 4, beide unter der Überschrift "Begründung des Enteignungs-
rechts". Etwas ganz anderes ist es, wenn v. Stein, V.lehre VII S. 295, in solchen
Begründungen erst suchen zu müssen glaubt, wie die vom Gesetz gewollte Ent-
eignung "ein Recht sein könne". Das ist eine müßige Frage.
Das öffentliche Sachenrecht.

Der Polizeistaat verwischt die vorgefundenen Rechtsschranken
auch für diesen schwerwiegenden Eingriff. Bezeichnend ist, daß die
Rechtslehre sich immer gesträubt hat, gerade in diesem Punkte die
Schrankenlosigkeit der Staatsgewalt anzuerkennen. Thatsächlich be-
stand sie3. Indem dabei wieder für alle „civilrechtlichen Wirkungen“
der Fiskus sich darbieten muß, wird aus dem Rechtsinstitut das be-
kannte polizeistaatliche Mischgebilde (Bd. I S. 51).

Der Verfassungs- und Rechtsstaat der Neuzeit setzt feste,
greifbare Formen des Rechts für das Verhältnis der öffentlichen Ge-
walt zum Unterthanen. Gerade für die Enteignung und das dabei zu
beobachtende Verfahren hat er die ihm eigentümlichen Formen in be-
sonders scharf ausgeprägter Weise zur Geltung gebracht. Sie sind
leicht wieder zu erkennen. Die Aufgabe ist, hinter ihnen die ein-
fache ursprüngliche Grundidee der Enteignung zu erkennen und fest-
zuhalten. Nur aus ihr bleibt das Ganze verständlich und bestimmt
sich Sinn und Tragweite dessen, was im einzelnen gewollt ist4.

1. Unsere Verfassungsurkunden sagen zum Teil geradezu: Ent-
eignung findet nur nach Maßgabe des Gesetzes statt. Zum Teil be-
gnügen sie sich, das Eigentum für gewährleistet, zugesichert, geschützt
zu erklären, was die gleiche Wirkung hat. Auch wo gar nichts gesagt
ist, versteht sich dieser Vorbehalt des Gesetzes überall von selbst
(Bd. I S. 74 ff.).

Die Enteignung bedarf also, um rechtmäßig vorgenommen zu
werden, der gesetzlichen Grundlage. Dieser verfassungsrecht-

Teils Willkür. Wenn er aber die Stufenfolge unterscheidet: Regalität, verordnungs-
mäßiges Enteignungsrecht, verfassungsmäßiges Enteignungsrecht, so schwebt ihm
dabei entschieden das Richtige vor.
3 Moser, Landeshoh. in Ansehung der Unterthanen Pers. u. Verm. cap. 20
§ 3, giebt sich noch die Mühe, die gemäß dem alten Hoheitsrechte zulässigen Ent-
eignungsfälle aufzuzählen, kommt aber dann auf zweifelhaftes Gebiet und schließt
mit dem Satze: „Man wird aber in solcherlei Fällen schwerlich fragen, was
Rechtens sei.“ Das ist eben der Polizeistaat. Ein Beispiel von völlig formloser
Enteignung durch thatsächliche Besitzergreifung in Bd. I § 4 Note 4 (C.C.H.
8. April 1854).
4 Insofern damit diese Grundidee festgestellt wird, haben also auch gegen-
über dem gesetzten Rechte Erörterungen noch ihren guten Zweck, wie sie z. B.
G. Meyer, R. d. Expropr. S. 163 ff., unter der Überschrift „Das staatsrechtliche
Prinzip der Expropriation“ anstellt. Ähnlich v. Rohland, Ent.R. S. 6, sowie
Grünhut, Ent.R. S. 4, beide unter der Überschrift „Begründung des Enteignungs-
rechts“. Etwas ganz anderes ist es, wenn v. Stein, V.lehre VII S. 295, in solchen
Begründungen erst suchen zu müssen glaubt, wie die vom Gesetz gewollte Ent-
eignung „ein Recht sein könne“. Das ist eine müßige Frage.
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[6/0018] Das öffentliche Sachenrecht. Der Polizeistaat verwischt die vorgefundenen Rechtsschranken auch für diesen schwerwiegenden Eingriff. Bezeichnend ist, daß die Rechtslehre sich immer gesträubt hat, gerade in diesem Punkte die Schrankenlosigkeit der Staatsgewalt anzuerkennen. Thatsächlich be- stand sie 3. Indem dabei wieder für alle „civilrechtlichen Wirkungen“ der Fiskus sich darbieten muß, wird aus dem Rechtsinstitut das be- kannte polizeistaatliche Mischgebilde (Bd. I S. 51). Der Verfassungs- und Rechtsstaat der Neuzeit setzt feste, greifbare Formen des Rechts für das Verhältnis der öffentlichen Ge- walt zum Unterthanen. Gerade für die Enteignung und das dabei zu beobachtende Verfahren hat er die ihm eigentümlichen Formen in be- sonders scharf ausgeprägter Weise zur Geltung gebracht. Sie sind leicht wieder zu erkennen. Die Aufgabe ist, hinter ihnen die ein- fache ursprüngliche Grundidee der Enteignung zu erkennen und fest- zuhalten. Nur aus ihr bleibt das Ganze verständlich und bestimmt sich Sinn und Tragweite dessen, was im einzelnen gewollt ist 4. 1. Unsere Verfassungsurkunden sagen zum Teil geradezu: Ent- eignung findet nur nach Maßgabe des Gesetzes statt. Zum Teil be- gnügen sie sich, das Eigentum für gewährleistet, zugesichert, geschützt zu erklären, was die gleiche Wirkung hat. Auch wo gar nichts gesagt ist, versteht sich dieser Vorbehalt des Gesetzes überall von selbst (Bd. I S. 74 ff.). Die Enteignung bedarf also, um rechtmäßig vorgenommen zu werden, der gesetzlichen Grundlage. Dieser verfassungsrecht- 2 3 Moser, Landeshoh. in Ansehung der Unterthanen Pers. u. Verm. cap. 20 § 3, giebt sich noch die Mühe, die gemäß dem alten Hoheitsrechte zulässigen Ent- eignungsfälle aufzuzählen, kommt aber dann auf zweifelhaftes Gebiet und schließt mit dem Satze: „Man wird aber in solcherlei Fällen schwerlich fragen, was Rechtens sei.“ Das ist eben der Polizeistaat. Ein Beispiel von völlig formloser Enteignung durch thatsächliche Besitzergreifung in Bd. I § 4 Note 4 (C.C.H. 8. April 1854). 4 Insofern damit diese Grundidee festgestellt wird, haben also auch gegen- über dem gesetzten Rechte Erörterungen noch ihren guten Zweck, wie sie z. B. G. Meyer, R. d. Expropr. S. 163 ff., unter der Überschrift „Das staatsrechtliche Prinzip der Expropriation“ anstellt. Ähnlich v. Rohland, Ent.R. S. 6, sowie Grünhut, Ent.R. S. 4, beide unter der Überschrift „Begründung des Enteignungs- rechts“. Etwas ganz anderes ist es, wenn v. Stein, V.lehre VII S. 295, in solchen Begründungen erst suchen zu müssen glaubt, wie die vom Gesetz gewollte Ent- eignung „ein Recht sein könne“. Das ist eine müßige Frage. 2 Teils Willkür. Wenn er aber die Stufenfolge unterscheidet: Regalität, verordnungs- mäßiges Enteignungsrecht, verfassungsmäßiges Enteignungsrecht, so schwebt ihm dabei entschieden das Richtige vor.

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Zitationshilfe: Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 2. Leipzig, 1896, S. 6. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mayer_verwaltungsrecht02_1896/18>, abgerufen am 22.11.2024.