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Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 2. Leipzig, 1896.

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Das öffentliche Sachenrecht.

Eine Aufhebung der Eigenschaft als öffentliche Sache unmittel-
bar durch Veränderung der Beschaffenheit erscheint nur bei den natür-
lichen öffentlichen Sachen und auch da nur in Form einer Verschiebung
der Grenzen: das frei werdende Gelände bei einer Änderung des
Flußlaufes, des Meeresstrandes, des Seeufers besitzt nicht mehr die
Merkmale der öffentlichen Sache. Die äußerliche Thatsache wirkt für
sich allein ohne alle Willensauslegung27. --

Entsprechend der verschiedenen Art, wie die Aufhebung der
öffentlichen Sache vor sich geht, bestimmt sich auch der Zeit-
punkt
verschieden, in welchem diese Änderung als vollzogen an-
zusehen ist.

Geschieht die Auflassung durch Beschluß der Behörde, so wird
sie wirksam in dem Augenblicke, in welchem dieser Beschluß nach
außen sich kundgiebt: das kann durch eine Bekanntmachung geschehen
oder durch Wegnahme der Zeichen, welche die Bestimmung der Sache
andeuteten, durch Absperrung für den Verkehr bei Straßen, umge-
kehrt durch Freigabe des Zutritts bei Festungswerken. Irgendwie
muß der Beschluß zu Tage getreten sein, um zu wirken; an die
Formen der Kundgabe der Verordnung oder des Verwaltungsaktes ist
er nicht gebunden.

Weniger bestimmt erkennbar ist der entscheidende Zeitpunkt bei
der stillschweigenden Auflassung, welche in dem Verfallenlassen und
Verwahrlosen liegt. Dieses thatsächliche Verhalten dient hier nicht
als Kundgabe eines ohnehin vorhandenen Willensentschlusses, sondern
dieser soll erst aus ihm gefolgert werden. Es muß also so entschieden
auftreten, daß eine andere Auslegung, die Annahme bloßer Säumigkeit

27 v. Stengel, V.R. S. 54, unterscheidet wieder wie bei der Widmung:
Aufhebung der Eigenschaft der öffentlichen Sache durch Gesetz, durch behördliche
Verfügung und dadurch, daß sie thatsächlich nicht mehr als solche behandelt
wird. Die beiden letzten Arten sind die Auflassung, die ausdrückliche und die
stillschweigende; ein Untergang der öffentlichen Sache durch gesetzliche Be-
stimmung dürfte nicht nachzuweisen sein. Der weitere Grund, den v. Stengel
hier noch hinzufügt und der kein Seitenstück in der Widmung hat: Untergang
des Gegenstandes, an welchem die Eigenschaft der öffentlichen Sache haftete, ist
wohl nicht als ein selbständiger zu denken. Anwendungsfälle dafür könnten nur
bei Bauwerken, Brücken oder Kirchen gesucht werden; aber auch hier wird
es wohl eher das Verfallenlassen und Nichtwiederinstandsetzen, also die still-
schweigende Auflassung sein, was wirkt. Wenn freilich die Sache ganz und gar
verschwindet, also etwa die Holzbrücke durch Feuer zerstört wird, so ist alles
aus. Das ist aber bei allen dinglichen Rechten so und keiner besonderen Er-
wähnung würdig.
Das öffentliche Sachenrecht.

Eine Aufhebung der Eigenschaft als öffentliche Sache unmittel-
bar durch Veränderung der Beschaffenheit erscheint nur bei den natür-
lichen öffentlichen Sachen und auch da nur in Form einer Verschiebung
der Grenzen: das frei werdende Gelände bei einer Änderung des
Flußlaufes, des Meeresstrandes, des Seeufers besitzt nicht mehr die
Merkmale der öffentlichen Sache. Die äußerliche Thatsache wirkt für
sich allein ohne alle Willensauslegung27. —

Entsprechend der verschiedenen Art, wie die Aufhebung der
öffentlichen Sache vor sich geht, bestimmt sich auch der Zeit-
punkt
verschieden, in welchem diese Änderung als vollzogen an-
zusehen ist.

Geschieht die Auflassung durch Beschluß der Behörde, so wird
sie wirksam in dem Augenblicke, in welchem dieser Beschluß nach
außen sich kundgiebt: das kann durch eine Bekanntmachung geschehen
oder durch Wegnahme der Zeichen, welche die Bestimmung der Sache
andeuteten, durch Absperrung für den Verkehr bei Straßen, umge-
kehrt durch Freigabe des Zutritts bei Festungswerken. Irgendwie
muß der Beschluß zu Tage getreten sein, um zu wirken; an die
Formen der Kundgabe der Verordnung oder des Verwaltungsaktes ist
er nicht gebunden.

Weniger bestimmt erkennbar ist der entscheidende Zeitpunkt bei
der stillschweigenden Auflassung, welche in dem Verfallenlassen und
Verwahrlosen liegt. Dieses thatsächliche Verhalten dient hier nicht
als Kundgabe eines ohnehin vorhandenen Willensentschlusses, sondern
dieser soll erst aus ihm gefolgert werden. Es muß also so entschieden
auftreten, daß eine andere Auslegung, die Annahme bloßer Säumigkeit

27 v. Stengel, V.R. S. 54, unterscheidet wieder wie bei der Widmung:
Aufhebung der Eigenschaft der öffentlichen Sache durch Gesetz, durch behördliche
Verfügung und dadurch, daß sie thatsächlich nicht mehr als solche behandelt
wird. Die beiden letzten Arten sind die Auflassung, die ausdrückliche und die
stillschweigende; ein Untergang der öffentlichen Sache durch gesetzliche Be-
stimmung dürfte nicht nachzuweisen sein. Der weitere Grund, den v. Stengel
hier noch hinzufügt und der kein Seitenstück in der Widmung hat: Untergang
des Gegenstandes, an welchem die Eigenschaft der öffentlichen Sache haftete, ist
wohl nicht als ein selbständiger zu denken. Anwendungsfälle dafür könnten nur
bei Bauwerken, Brücken oder Kirchen gesucht werden; aber auch hier wird
es wohl eher das Verfallenlassen und Nichtwiederinstandsetzen, also die still-
schweigende Auflassung sein, was wirkt. Wenn freilich die Sache ganz und gar
verschwindet, also etwa die Holzbrücke durch Feuer zerstört wird, so ist alles
aus. Das ist aber bei allen dinglichen Rechten so und keiner besonderen Er-
wähnung würdig.
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[108/0120] Das öffentliche Sachenrecht. Eine Aufhebung der Eigenschaft als öffentliche Sache unmittel- bar durch Veränderung der Beschaffenheit erscheint nur bei den natür- lichen öffentlichen Sachen und auch da nur in Form einer Verschiebung der Grenzen: das frei werdende Gelände bei einer Änderung des Flußlaufes, des Meeresstrandes, des Seeufers besitzt nicht mehr die Merkmale der öffentlichen Sache. Die äußerliche Thatsache wirkt für sich allein ohne alle Willensauslegung 27. — Entsprechend der verschiedenen Art, wie die Aufhebung der öffentlichen Sache vor sich geht, bestimmt sich auch der Zeit- punkt verschieden, in welchem diese Änderung als vollzogen an- zusehen ist. Geschieht die Auflassung durch Beschluß der Behörde, so wird sie wirksam in dem Augenblicke, in welchem dieser Beschluß nach außen sich kundgiebt: das kann durch eine Bekanntmachung geschehen oder durch Wegnahme der Zeichen, welche die Bestimmung der Sache andeuteten, durch Absperrung für den Verkehr bei Straßen, umge- kehrt durch Freigabe des Zutritts bei Festungswerken. Irgendwie muß der Beschluß zu Tage getreten sein, um zu wirken; an die Formen der Kundgabe der Verordnung oder des Verwaltungsaktes ist er nicht gebunden. Weniger bestimmt erkennbar ist der entscheidende Zeitpunkt bei der stillschweigenden Auflassung, welche in dem Verfallenlassen und Verwahrlosen liegt. Dieses thatsächliche Verhalten dient hier nicht als Kundgabe eines ohnehin vorhandenen Willensentschlusses, sondern dieser soll erst aus ihm gefolgert werden. Es muß also so entschieden auftreten, daß eine andere Auslegung, die Annahme bloßer Säumigkeit 27 v. Stengel, V.R. S. 54, unterscheidet wieder wie bei der Widmung: Aufhebung der Eigenschaft der öffentlichen Sache durch Gesetz, durch behördliche Verfügung und dadurch, daß sie thatsächlich nicht mehr als solche behandelt wird. Die beiden letzten Arten sind die Auflassung, die ausdrückliche und die stillschweigende; ein Untergang der öffentlichen Sache durch gesetzliche Be- stimmung dürfte nicht nachzuweisen sein. Der weitere Grund, den v. Stengel hier noch hinzufügt und der kein Seitenstück in der Widmung hat: Untergang des Gegenstandes, an welchem die Eigenschaft der öffentlichen Sache haftete, ist wohl nicht als ein selbständiger zu denken. Anwendungsfälle dafür könnten nur bei Bauwerken, Brücken oder Kirchen gesucht werden; aber auch hier wird es wohl eher das Verfallenlassen und Nichtwiederinstandsetzen, also die still- schweigende Auflassung sein, was wirkt. Wenn freilich die Sache ganz und gar verschwindet, also etwa die Holzbrücke durch Feuer zerstört wird, so ist alles aus. Das ist aber bei allen dinglichen Rechten so und keiner besonderen Er- wähnung würdig.

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Zitationshilfe: Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 2. Leipzig, 1896, S. 108. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mayer_verwaltungsrecht02_1896/120>, abgerufen am 24.11.2024.