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Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 1. Leipzig, 1895.

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Geschichtliche Entwicklungsstufen.

Die Appellation beider Art unterlag Beschränkungen durch
die in bunter Mannigfaltigkeit den einzelnen Reichsständen nach und
nach erteilten privilegia de non appellando.

2. Ausserdem haben die Landesherren bei den Reichsgerichten
ihren ordentlichen Gerichtsstand, um vor ihnen verklagt werden
zu können wegen dessen, was sie dem Kaiser, ihren Mitständen oder
anderen Personen, insbesondere auch ihren eigenen Unterthanen
schuldig sind.

Die einfache Klage im ordentlichen Verfahren, simplex querela,
führt bei dem schleppenden Geschäftsgang der Reichsgerichte nur all-
zu schwer zu einem Ergebnis. Wenn irgend möglich, wird die Klage
gegen den eigenen Landesherrn im summarischen Verfahren eingeleitet.
Der Mandatsprozess ist die regelmässige Form. Man beginnt
damit, ein mandatum prohibitorium, inhibitorium oder restitutorium
zu beantragen ob factum nullo jure justificabile oder ob damnum
irreparabile. Auch diese Klagen gegen den Landesherrn haben ihre
Beschränkung: in dem Institute der Austräge, gesetzlicher Schieds-
gerichte, an welche die Sache zunächst gebracht werden muss, um
erst in zweiter Instanz an die Reichsgerichte zu gelangen. Doch
bestanden solche nicht ausnahmslos, es wurde leicht darauf verzichtet
und auf jeden Fall suchte man sie mit allen Mitteln zu umgehen22.

Diese Grundeinteilung gilt für alle Rechtsprechung der Reichs-
gerichte über die Landesherren. Sie unterscheidet nicht nach der
Art der Rechtsverhältnisse, nicht ob ein Hoheitsrecht in Frage ist
oder ein Rechtsverhältnis, in welchem der Landesherr wie ein ge-
wöhnlicher Privatmann stünde. Besser gesagt: sie schneidet nach
einem eignen Massstabe mitten durch: auch die Civilrechtspflege
ist ja Ausübung eines Hoheitsrechts; für sie und alles was an
Hoheitsrechten in gleichartiger Weise geübt wird, gilt die Appellation,
für alles übrige die Klage.

Darnach zerlegt sich die Aufgabe der Reichsgerichte gegenüber
allem, was wir heute Verwaltungssachen nennen, in folgender Weise:

1. Wenn die Obrigkeit einen Ausspruch thut, der die bereits
bestehende Ordnung auf den Einzelfall anwendet oder über Bestand
und Wirksamkeit eines subjektiven Rechtes erkennt, so handelt sie
als Richter und die Appellation ist am Platze, ohne Unterschied

22 Moser, Teutsch. Just.Verfassung I Cap. 3 § 78; v. Kreittmayr,
St.R. § 84.
Geschichtliche Entwicklungsstufen.

Die Appellation beider Art unterlag Beschränkungen durch
die in bunter Mannigfaltigkeit den einzelnen Reichsständen nach und
nach erteilten privilegia de non appellando.

2. Auſserdem haben die Landesherren bei den Reichsgerichten
ihren ordentlichen Gerichtsstand, um vor ihnen verklagt werden
zu können wegen dessen, was sie dem Kaiser, ihren Mitständen oder
anderen Personen, insbesondere auch ihren eigenen Unterthanen
schuldig sind.

Die einfache Klage im ordentlichen Verfahren, simplex querela,
führt bei dem schleppenden Geschäftsgang der Reichsgerichte nur all-
zu schwer zu einem Ergebnis. Wenn irgend möglich, wird die Klage
gegen den eigenen Landesherrn im summarischen Verfahren eingeleitet.
Der Mandatsprozeſs ist die regelmäſsige Form. Man beginnt
damit, ein mandatum prohibitorium, inhibitorium oder restitutorium
zu beantragen ob factum nullo jure justificabile oder ob damnum
irreparabile. Auch diese Klagen gegen den Landesherrn haben ihre
Beschränkung: in dem Institute der Austräge, gesetzlicher Schieds-
gerichte, an welche die Sache zunächst gebracht werden muſs, um
erst in zweiter Instanz an die Reichsgerichte zu gelangen. Doch
bestanden solche nicht ausnahmslos, es wurde leicht darauf verzichtet
und auf jeden Fall suchte man sie mit allen Mitteln zu umgehen22.

Diese Grundeinteilung gilt für alle Rechtsprechung der Reichs-
gerichte über die Landesherren. Sie unterscheidet nicht nach der
Art der Rechtsverhältnisse, nicht ob ein Hoheitsrecht in Frage ist
oder ein Rechtsverhältnis, in welchem der Landesherr wie ein ge-
wöhnlicher Privatmann stünde. Besser gesagt: sie schneidet nach
einem eignen Maſsstabe mitten durch: auch die Civilrechtspflege
ist ja Ausübung eines Hoheitsrechts; für sie und alles was an
Hoheitsrechten in gleichartiger Weise geübt wird, gilt die Appellation,
für alles übrige die Klage.

Darnach zerlegt sich die Aufgabe der Reichsgerichte gegenüber
allem, was wir heute Verwaltungssachen nennen, in folgender Weise:

1. Wenn die Obrigkeit einen Ausspruch thut, der die bereits
bestehende Ordnung auf den Einzelfall anwendet oder über Bestand
und Wirksamkeit eines subjektiven Rechtes erkennt, so handelt sie
als Richter und die Appellation ist am Platze, ohne Unterschied

22 Moser, Teutsch. Just.Verfassung I Cap. 3 § 78; v. Kreittmayr,
St.R. § 84.
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[34/0054] Geschichtliche Entwicklungsstufen. Die Appellation beider Art unterlag Beschränkungen durch die in bunter Mannigfaltigkeit den einzelnen Reichsständen nach und nach erteilten privilegia de non appellando. 2. Auſserdem haben die Landesherren bei den Reichsgerichten ihren ordentlichen Gerichtsstand, um vor ihnen verklagt werden zu können wegen dessen, was sie dem Kaiser, ihren Mitständen oder anderen Personen, insbesondere auch ihren eigenen Unterthanen schuldig sind. Die einfache Klage im ordentlichen Verfahren, simplex querela, führt bei dem schleppenden Geschäftsgang der Reichsgerichte nur all- zu schwer zu einem Ergebnis. Wenn irgend möglich, wird die Klage gegen den eigenen Landesherrn im summarischen Verfahren eingeleitet. Der Mandatsprozeſs ist die regelmäſsige Form. Man beginnt damit, ein mandatum prohibitorium, inhibitorium oder restitutorium zu beantragen ob factum nullo jure justificabile oder ob damnum irreparabile. Auch diese Klagen gegen den Landesherrn haben ihre Beschränkung: in dem Institute der Austräge, gesetzlicher Schieds- gerichte, an welche die Sache zunächst gebracht werden muſs, um erst in zweiter Instanz an die Reichsgerichte zu gelangen. Doch bestanden solche nicht ausnahmslos, es wurde leicht darauf verzichtet und auf jeden Fall suchte man sie mit allen Mitteln zu umgehen 22. Diese Grundeinteilung gilt für alle Rechtsprechung der Reichs- gerichte über die Landesherren. Sie unterscheidet nicht nach der Art der Rechtsverhältnisse, nicht ob ein Hoheitsrecht in Frage ist oder ein Rechtsverhältnis, in welchem der Landesherr wie ein ge- wöhnlicher Privatmann stünde. Besser gesagt: sie schneidet nach einem eignen Maſsstabe mitten durch: auch die Civilrechtspflege ist ja Ausübung eines Hoheitsrechts; für sie und alles was an Hoheitsrechten in gleichartiger Weise geübt wird, gilt die Appellation, für alles übrige die Klage. Darnach zerlegt sich die Aufgabe der Reichsgerichte gegenüber allem, was wir heute Verwaltungssachen nennen, in folgender Weise: 1. Wenn die Obrigkeit einen Ausspruch thut, der die bereits bestehende Ordnung auf den Einzelfall anwendet oder über Bestand und Wirksamkeit eines subjektiven Rechtes erkennt, so handelt sie als Richter und die Appellation ist am Platze, ohne Unterschied 22 Moser, Teutsch. Just.Verfassung I Cap. 3 § 78; v. Kreittmayr, St.R. § 84.

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Zitationshilfe: Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 1. Leipzig, 1895, S. 34. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mayer_verwaltungsrecht01_1895/54>, abgerufen am 28.11.2024.