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Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 1. Leipzig, 1895.

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Die Finanzgewalt.

Gewaltmassregeln dieser Art können gleichzeitig der Entdeckung
von entstandenen Steuerpflichten und des begangenen Finanzdeliktes
dienen, also gemeinsam sein mit der zugehörigen gerichtlichen Polizei:
so die Durchsuchung von Personen nach defraudierten Waren, das
Eindringen in die Wohnung, um nach solchen Umschau zu halten4.

Auch ohne Verdacht eines Deliktes können Waren und Trans-
portmittel angehalten werden bis zur Erledigung der Steuerpflicht
oder erteilter Auskunft. Amtliche Verschlüsse werden an Transport-
vorrichtungen und Warenlagern angebracht, Messapparate an den Ge-
fässen, durch welche das steuerpflichtige Erzeugnis geht. In die über-
wachten Betriebsräume wird eingedrungen, von den geführten Kon-
trollbüchern Einsicht genommen, alles nötigenfalls mit Gewalt.

II. Die administrative Zwangsbeitreibung ist obrig-
keitlicher Eingriff in Freiheit und Eigentum des Unterthanen zum
Zwecke thatsächlicher Befriedigung einer Geldschuld5.

4 Grundlegend sind hier wieder die Bestimmungen des Zollges. § 126 u. 127.
Dass die Ermächtigung zu solchen Gewaltmassregeln auch durch Verwaltungs-
vorschriften gegeben werden kann, dafür giebt Niederlageregulativ § 1 Abs. 2
(Centr.Bl. 1888 S. 551) ein Beispiel: "Wer die Niederlage betreten will oder die-
selbe verlässt, hat sich bei dem die Aufsicht führenden Zollbeamten zu melden.
Auch können Personen, welche die Niederlage verlassen, nach Massgabe des § 127
des Vereinszollgesetzes einer körperlichen Visitation unterworfen werden". Der
§ 127, auf welchen zur "Massgabe" Bezug genommen wird, trifft nicht unmittelbar
zu. Das Regulativ ermächtigt zu der Gewaltmassregel ohne gesetzliche Grund-
lage aus eigner Kraft, vermöge des Gewaltverhältnisses, in welches der Besucher
des vorbehaltenen Raumes sich begeben hat. Vgl. oben S. 441.
5 Die administrative Zwangsbeitreibung kommt in ihrer rechtlichen Eigenart
nicht zur Geltung, wenn man sie in den allgemeinen Begriff der "Verwaltungs-
exekution" aufgehen lässt. Da gerät sie ganz ins Schlepptau des Polizeizwangs.
So bei Gneist in Holtzendorff Rechtslexikon III, 2 S. 1106 ff. Noch ausgeprägter
ist diese Unselbständigkeit bei Bornhak, Preuss. St.R. III S. 519. Dort heisst es:
"Die zwangsweise Beitreibung der Steuern erfolgt auf Verfügung der zuständigen
Behörde im Verwaltungszwangsverfahren. Vgl. darüber § 167". Der § 167 ist
aber überschrieben: "die Formen der Polizeiverwaltung" und giebt auf S. 140 eine
gute Übersicht der bekannten Mittel des Polizeizwangs. Von Geldbeitreibung ist nur
bei der Verwaltungsgerichtsbarkeit (II S. 453) die Rede. -- Seydel, Bayr. St.R. III,
unterscheidet (S. 613 ff.) "das staatliche Zwangsrecht gegen die Person" und (S. 617 ff.)
"das staatliche Zwangsrecht gegen das Vermögen". Das letztere ist ihm aber im wesent-
lichen die Enteignung, für die sonst im System kein Platz zu finden war. Zum
ersteren soll dagegen auch die Zwangsbeitreibung gehören: "Der Zwang wird ent-
weder gegen die Person selbst oder gegen deren Vermögen geübt. Auch in dem
letzteren Falle ist jedoch die Person der Angriffsgegenstand. Der Zweck des
Zwanges ist nicht, über die Sache, sondern über die Person Herr zu werden". Das
dürfte aber bei Erzwingung einer Geldzahlung durchaus nicht die Meinung des
Die Finanzgewalt.

Gewaltmaſsregeln dieser Art können gleichzeitig der Entdeckung
von entstandenen Steuerpflichten und des begangenen Finanzdeliktes
dienen, also gemeinsam sein mit der zugehörigen gerichtlichen Polizei:
so die Durchsuchung von Personen nach defraudierten Waren, das
Eindringen in die Wohnung, um nach solchen Umschau zu halten4.

Auch ohne Verdacht eines Deliktes können Waren und Trans-
portmittel angehalten werden bis zur Erledigung der Steuerpflicht
oder erteilter Auskunft. Amtliche Verschlüsse werden an Transport-
vorrichtungen und Warenlagern angebracht, Meſsapparate an den Ge-
fäſsen, durch welche das steuerpflichtige Erzeugnis geht. In die über-
wachten Betriebsräume wird eingedrungen, von den geführten Kon-
trollbüchern Einsicht genommen, alles nötigenfalls mit Gewalt.

II. Die administrative Zwangsbeitreibung ist obrig-
keitlicher Eingriff in Freiheit und Eigentum des Unterthanen zum
Zwecke thatsächlicher Befriedigung einer Geldschuld5.

4 Grundlegend sind hier wieder die Bestimmungen des Zollges. § 126 u. 127.
Daſs die Ermächtigung zu solchen Gewaltmaſsregeln auch durch Verwaltungs-
vorschriften gegeben werden kann, dafür giebt Niederlageregulativ § 1 Abs. 2
(Centr.Bl. 1888 S. 551) ein Beispiel: „Wer die Niederlage betreten will oder die-
selbe verläſst, hat sich bei dem die Aufsicht führenden Zollbeamten zu melden.
Auch können Personen, welche die Niederlage verlassen, nach Maſsgabe des § 127
des Vereinszollgesetzes einer körperlichen Visitation unterworfen werden“. Der
§ 127, auf welchen zur „Maſsgabe“ Bezug genommen wird, trifft nicht unmittelbar
zu. Das Regulativ ermächtigt zu der Gewaltmaſsregel ohne gesetzliche Grund-
lage aus eigner Kraft, vermöge des Gewaltverhältnisses, in welches der Besucher
des vorbehaltenen Raumes sich begeben hat. Vgl. oben S. 441.
5 Die administrative Zwangsbeitreibung kommt in ihrer rechtlichen Eigenart
nicht zur Geltung, wenn man sie in den allgemeinen Begriff der „Verwaltungs-
exekution“ aufgehen läſst. Da gerät sie ganz ins Schlepptau des Polizeizwangs.
So bei Gneist in Holtzendorff Rechtslexikon III, 2 S. 1106 ff. Noch ausgeprägter
ist diese Unselbständigkeit bei Bornhak, Preuſs. St.R. III S. 519. Dort heiſst es:
„Die zwangsweise Beitreibung der Steuern erfolgt auf Verfügung der zuständigen
Behörde im Verwaltungszwangsverfahren. Vgl. darüber § 167“. Der § 167 ist
aber überschrieben: „die Formen der Polizeiverwaltung“ und giebt auf S. 140 eine
gute Übersicht der bekannten Mittel des Polizeizwangs. Von Geldbeitreibung ist nur
bei der Verwaltungsgerichtsbarkeit (II S. 453) die Rede. — Seydel, Bayr. St.R. III,
unterscheidet (S. 613 ff.) „das staatliche Zwangsrecht gegen die Person“ und (S. 617 ff.)
„das staatliche Zwangsrecht gegen das Vermögen“. Das letztere ist ihm aber im wesent-
lichen die Enteignung, für die sonst im System kein Platz zu finden war. Zum
ersteren soll dagegen auch die Zwangsbeitreibung gehören: „Der Zwang wird ent-
weder gegen die Person selbst oder gegen deren Vermögen geübt. Auch in dem
letzteren Falle ist jedoch die Person der Angriffsgegenstand. Der Zweck des
Zwanges ist nicht, über die Sache, sondern über die Person Herr zu werden“. Das
dürfte aber bei Erzwingung einer Geldzahlung durchaus nicht die Meinung des
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[474/0494] Die Finanzgewalt. Gewaltmaſsregeln dieser Art können gleichzeitig der Entdeckung von entstandenen Steuerpflichten und des begangenen Finanzdeliktes dienen, also gemeinsam sein mit der zugehörigen gerichtlichen Polizei: so die Durchsuchung von Personen nach defraudierten Waren, das Eindringen in die Wohnung, um nach solchen Umschau zu halten 4. Auch ohne Verdacht eines Deliktes können Waren und Trans- portmittel angehalten werden bis zur Erledigung der Steuerpflicht oder erteilter Auskunft. Amtliche Verschlüsse werden an Transport- vorrichtungen und Warenlagern angebracht, Meſsapparate an den Ge- fäſsen, durch welche das steuerpflichtige Erzeugnis geht. In die über- wachten Betriebsräume wird eingedrungen, von den geführten Kon- trollbüchern Einsicht genommen, alles nötigenfalls mit Gewalt. II. Die administrative Zwangsbeitreibung ist obrig- keitlicher Eingriff in Freiheit und Eigentum des Unterthanen zum Zwecke thatsächlicher Befriedigung einer Geldschuld 5. 4 Grundlegend sind hier wieder die Bestimmungen des Zollges. § 126 u. 127. Daſs die Ermächtigung zu solchen Gewaltmaſsregeln auch durch Verwaltungs- vorschriften gegeben werden kann, dafür giebt Niederlageregulativ § 1 Abs. 2 (Centr.Bl. 1888 S. 551) ein Beispiel: „Wer die Niederlage betreten will oder die- selbe verläſst, hat sich bei dem die Aufsicht führenden Zollbeamten zu melden. Auch können Personen, welche die Niederlage verlassen, nach Maſsgabe des § 127 des Vereinszollgesetzes einer körperlichen Visitation unterworfen werden“. Der § 127, auf welchen zur „Maſsgabe“ Bezug genommen wird, trifft nicht unmittelbar zu. Das Regulativ ermächtigt zu der Gewaltmaſsregel ohne gesetzliche Grund- lage aus eigner Kraft, vermöge des Gewaltverhältnisses, in welches der Besucher des vorbehaltenen Raumes sich begeben hat. Vgl. oben S. 441. 5 Die administrative Zwangsbeitreibung kommt in ihrer rechtlichen Eigenart nicht zur Geltung, wenn man sie in den allgemeinen Begriff der „Verwaltungs- exekution“ aufgehen läſst. Da gerät sie ganz ins Schlepptau des Polizeizwangs. So bei Gneist in Holtzendorff Rechtslexikon III, 2 S. 1106 ff. Noch ausgeprägter ist diese Unselbständigkeit bei Bornhak, Preuſs. St.R. III S. 519. Dort heiſst es: „Die zwangsweise Beitreibung der Steuern erfolgt auf Verfügung der zuständigen Behörde im Verwaltungszwangsverfahren. Vgl. darüber § 167“. Der § 167 ist aber überschrieben: „die Formen der Polizeiverwaltung“ und giebt auf S. 140 eine gute Übersicht der bekannten Mittel des Polizeizwangs. Von Geldbeitreibung ist nur bei der Verwaltungsgerichtsbarkeit (II S. 453) die Rede. — Seydel, Bayr. St.R. III, unterscheidet (S. 613 ff.) „das staatliche Zwangsrecht gegen die Person“ und (S. 617 ff.) „das staatliche Zwangsrecht gegen das Vermögen“. Das letztere ist ihm aber im wesent- lichen die Enteignung, für die sonst im System kein Platz zu finden war. Zum ersteren soll dagegen auch die Zwangsbeitreibung gehören: „Der Zwang wird ent- weder gegen die Person selbst oder gegen deren Vermögen geübt. Auch in dem letzteren Falle ist jedoch die Person der Angriffsgegenstand. Der Zweck des Zwanges ist nicht, über die Sache, sondern über die Person Herr zu werden“. Das dürfte aber bei Erzwingung einer Geldzahlung durchaus nicht die Meinung des

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Zitationshilfe: Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 1. Leipzig, 1895, S. 474. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mayer_verwaltungsrecht01_1895/494>, abgerufen am 23.12.2024.