Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 1. Leipzig, 1895.

Bild:
<< vorherige Seite

§ 31. Die Finanzstrafe.
setzung eines eigenen Verschuldens des Gewaltshabers gebunden sein
oder schlechthin an das bestehende Abhängigkeitsverhältnis.

Die Haftbarerklärung ist kein Strafausspruch. Es soll keine
weitere Strafe damit verhängt werden; es giebt bloss eine Strafe: die
gegen den Thäter. Der Haftende wird nur hereingezogen, damit der
Staat die ihm in dieser Form zukommende Zahlung sicher erhalte.
Die massgebenden Verhältnisse sind die nämlichen, an welche auch
das Civilrecht Haftungen für seine Schadensersatzansprüche zu knüpfen
pflegt.

Die Haftbarkeit umfasst immer nur die verwirkte Geldstrafe und
die Kosten, nicht auch die etwaigen Freiheitsstrafen.

Sie ist teilweise ausdrücklich beschränkt auf den Fall, dass der
Thäter selbst zahlungsunfähig ist und die Finanzstrafe von ihm nicht
beigetrieben werden kann35. Immer wird der Haftende, ungleich
dem Mitthäter, seinen Rückgriff nehmen können gegen den eigent-
lichen Schuldigen.

Soweit ein eignes Verschulden des Gewalthabers nicht voraus-
gesetzt ist, kann diese Haftung auch handlungsunfähige Personen
treffen. Es kommt bloss darauf an, dass der eigentlich Schuldige zu
ihnen in dem bestimmten Abhängigkeitsverhältnis steht, das die Haf-
tung begründet. Deshalb kann die Haftbarkeit für die Finanzstrafe
auch ausgesprochen werden gegen Gesellschaften und juristische Per-
sonen, namentlich auch gegen den Fiskus36.

2. Die andere Folge dieser Auffassung der Finanzstrafe als einer
Art Schadensersatzanspruches ist die eigentümliche Verfügungs-
gewalt der Finanzbehörden über die verwirkte Strafe
.

Den Finanzbehörden steht thatsächlich eine solche Verfügung in
bedeutendem Umfange zu. Sie können von der Verfolgung absehen,
die Sache auf sich beruhen lassen, oder sich mit der Entrichtung
einer geringeren Summe begnügen. Sie können auch die schon er-
kannte
Strafe erlassen oder mildern. Wir sehen geradezu Ver-
gleiche
über die Strafe für zulässig erklärt, wobei diese mit Ein-
willigung des Betroffenen festgesetzt wird, regelmässig natürlich auf
eine geringere Summe als die gesetzlich verwirkte37.

35 Branntweinsteuerges. v. 1868 § 66; desgl. von 1887 § 32.
36 Loebe, Zollstrafrecht S. 139, 144. Die Strafe selbst trifft die juristische
Person niemals, weil hierzu auch bei der Finanzstrafe ein strafrechtliches Ver-
schulden gehört, dessen sie unfähig ist (oben II n. 1). Wegen der Haftung des
Fiskus vgl. oben § 11 Note 11.
37 In dieser Beziehung ist grundlegend geworden das preussische Finanz-
ministerialreskript v. 14. Nov. 1827, wonach die Hauptamtsdirigenten befugt sind,
30*

§ 31. Die Finanzstrafe.
setzung eines eigenen Verschuldens des Gewaltshabers gebunden sein
oder schlechthin an das bestehende Abhängigkeitsverhältnis.

Die Haftbarerklärung ist kein Strafausspruch. Es soll keine
weitere Strafe damit verhängt werden; es giebt bloſs eine Strafe: die
gegen den Thäter. Der Haftende wird nur hereingezogen, damit der
Staat die ihm in dieser Form zukommende Zahlung sicher erhalte.
Die maſsgebenden Verhältnisse sind die nämlichen, an welche auch
das Civilrecht Haftungen für seine Schadensersatzansprüche zu knüpfen
pflegt.

Die Haftbarkeit umfaſst immer nur die verwirkte Geldstrafe und
die Kosten, nicht auch die etwaigen Freiheitsstrafen.

Sie ist teilweise ausdrücklich beschränkt auf den Fall, daſs der
Thäter selbst zahlungsunfähig ist und die Finanzstrafe von ihm nicht
beigetrieben werden kann35. Immer wird der Haftende, ungleich
dem Mitthäter, seinen Rückgriff nehmen können gegen den eigent-
lichen Schuldigen.

Soweit ein eignes Verschulden des Gewalthabers nicht voraus-
gesetzt ist, kann diese Haftung auch handlungsunfähige Personen
treffen. Es kommt bloſs darauf an, daſs der eigentlich Schuldige zu
ihnen in dem bestimmten Abhängigkeitsverhältnis steht, das die Haf-
tung begründet. Deshalb kann die Haftbarkeit für die Finanzstrafe
auch ausgesprochen werden gegen Gesellschaften und juristische Per-
sonen, namentlich auch gegen den Fiskus36.

2. Die andere Folge dieser Auffassung der Finanzstrafe als einer
Art Schadensersatzanspruches ist die eigentümliche Verfügungs-
gewalt der Finanzbehörden über die verwirkte Strafe
.

Den Finanzbehörden steht thatsächlich eine solche Verfügung in
bedeutendem Umfange zu. Sie können von der Verfolgung absehen,
die Sache auf sich beruhen lassen, oder sich mit der Entrichtung
einer geringeren Summe begnügen. Sie können auch die schon er-
kannte
Strafe erlassen oder mildern. Wir sehen geradezu Ver-
gleiche
über die Strafe für zulässig erklärt, wobei diese mit Ein-
willigung des Betroffenen festgesetzt wird, regelmäſsig natürlich auf
eine geringere Summe als die gesetzlich verwirkte37.

35 Branntweinsteuerges. v. 1868 § 66; desgl. von 1887 § 32.
36 Loebe, Zollstrafrecht S. 139, 144. Die Strafe selbst trifft die juristische
Person niemals, weil hierzu auch bei der Finanzstrafe ein strafrechtliches Ver-
schulden gehört, dessen sie unfähig ist (oben II n. 1). Wegen der Haftung des
Fiskus vgl. oben § 11 Note 11.
37 In dieser Beziehung ist grundlegend geworden das preuſsische Finanz-
ministerialreskript v. 14. Nov. 1827, wonach die Hauptamtsdirigenten befugt sind,
30*
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0487" n="467"/><fw place="top" type="header">§ 31. Die Finanzstrafe.</fw><lb/>
setzung eines eigenen Verschuldens des Gewaltshabers gebunden sein<lb/>
oder schlechthin an das bestehende Abhängigkeitsverhältnis.</p><lb/>
              <p>Die Haftbarerklärung ist kein Strafausspruch. Es soll keine<lb/>
weitere Strafe damit verhängt werden; es giebt blo&#x017F;s <hi rendition="#g">eine</hi> Strafe: die<lb/>
gegen den Thäter. Der Haftende wird nur hereingezogen, damit der<lb/>
Staat die ihm in dieser Form zukommende Zahlung sicher erhalte.<lb/>
Die ma&#x017F;sgebenden Verhältnisse sind die nämlichen, an welche auch<lb/>
das Civilrecht Haftungen für seine Schadensersatzansprüche zu knüpfen<lb/>
pflegt.</p><lb/>
              <p>Die Haftbarkeit umfa&#x017F;st immer nur die verwirkte Geldstrafe und<lb/>
die Kosten, nicht auch die etwaigen Freiheitsstrafen.</p><lb/>
              <p>Sie ist teilweise ausdrücklich beschränkt auf den Fall, da&#x017F;s der<lb/>
Thäter selbst zahlungsunfähig ist und die Finanzstrafe von ihm nicht<lb/>
beigetrieben werden kann<note place="foot" n="35">Branntweinsteuerges. v. 1868 § 66; desgl. von 1887 § 32.</note>. Immer wird der Haftende, ungleich<lb/>
dem Mitthäter, seinen Rückgriff nehmen können gegen den eigent-<lb/>
lichen Schuldigen.</p><lb/>
              <p>Soweit ein eignes Verschulden des Gewalthabers nicht voraus-<lb/>
gesetzt ist, kann diese Haftung auch handlungsunfähige Personen<lb/>
treffen. Es kommt blo&#x017F;s darauf an, da&#x017F;s der eigentlich Schuldige zu<lb/>
ihnen in dem bestimmten Abhängigkeitsverhältnis steht, das die Haf-<lb/>
tung begründet. Deshalb kann die Haftbarkeit für die Finanzstrafe<lb/>
auch ausgesprochen werden gegen Gesellschaften und juristische Per-<lb/>
sonen, namentlich auch gegen den Fiskus<note place="foot" n="36"><hi rendition="#g">Loebe,</hi> Zollstrafrecht S. 139, 144. Die Strafe selbst trifft die juristische<lb/>
Person niemals, weil hierzu auch bei der Finanzstrafe ein strafrechtliches Ver-<lb/>
schulden gehört, dessen sie unfähig ist (oben II n. 1). Wegen der Haftung des<lb/>
Fiskus vgl. oben § 11 Note 11.</note>.</p><lb/>
              <p>2. Die andere Folge dieser Auffassung der Finanzstrafe als einer<lb/>
Art Schadensersatzanspruches ist die eigentümliche <hi rendition="#g">Verfügungs-<lb/>
gewalt der Finanzbehörden über die verwirkte Strafe</hi>.</p><lb/>
              <p>Den Finanzbehörden steht thatsächlich eine solche Verfügung in<lb/>
bedeutendem Umfange zu. Sie können von der Verfolgung absehen,<lb/>
die Sache auf sich beruhen lassen, oder sich mit der Entrichtung<lb/>
einer geringeren Summe begnügen. Sie können auch die <hi rendition="#g">schon er-<lb/>
kannte</hi> Strafe erlassen oder mildern. Wir sehen geradezu <hi rendition="#g">Ver-<lb/>
gleiche</hi> über die Strafe für zulässig erklärt, wobei diese mit Ein-<lb/>
willigung des Betroffenen festgesetzt wird, regelmä&#x017F;sig natürlich auf<lb/>
eine geringere Summe als die gesetzlich verwirkte<note xml:id="seg2pn_100_1" next="#seg2pn_100_2" place="foot" n="37">In dieser Beziehung ist grundlegend geworden das preu&#x017F;sische Finanz-<lb/>
ministerialreskript v. 14. Nov. 1827, wonach die Hauptamtsdirigenten befugt sind,</note>.</p><lb/>
              <fw place="bottom" type="sig">30*</fw><lb/>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[467/0487] § 31. Die Finanzstrafe. setzung eines eigenen Verschuldens des Gewaltshabers gebunden sein oder schlechthin an das bestehende Abhängigkeitsverhältnis. Die Haftbarerklärung ist kein Strafausspruch. Es soll keine weitere Strafe damit verhängt werden; es giebt bloſs eine Strafe: die gegen den Thäter. Der Haftende wird nur hereingezogen, damit der Staat die ihm in dieser Form zukommende Zahlung sicher erhalte. Die maſsgebenden Verhältnisse sind die nämlichen, an welche auch das Civilrecht Haftungen für seine Schadensersatzansprüche zu knüpfen pflegt. Die Haftbarkeit umfaſst immer nur die verwirkte Geldstrafe und die Kosten, nicht auch die etwaigen Freiheitsstrafen. Sie ist teilweise ausdrücklich beschränkt auf den Fall, daſs der Thäter selbst zahlungsunfähig ist und die Finanzstrafe von ihm nicht beigetrieben werden kann 35. Immer wird der Haftende, ungleich dem Mitthäter, seinen Rückgriff nehmen können gegen den eigent- lichen Schuldigen. Soweit ein eignes Verschulden des Gewalthabers nicht voraus- gesetzt ist, kann diese Haftung auch handlungsunfähige Personen treffen. Es kommt bloſs darauf an, daſs der eigentlich Schuldige zu ihnen in dem bestimmten Abhängigkeitsverhältnis steht, das die Haf- tung begründet. Deshalb kann die Haftbarkeit für die Finanzstrafe auch ausgesprochen werden gegen Gesellschaften und juristische Per- sonen, namentlich auch gegen den Fiskus 36. 2. Die andere Folge dieser Auffassung der Finanzstrafe als einer Art Schadensersatzanspruches ist die eigentümliche Verfügungs- gewalt der Finanzbehörden über die verwirkte Strafe. Den Finanzbehörden steht thatsächlich eine solche Verfügung in bedeutendem Umfange zu. Sie können von der Verfolgung absehen, die Sache auf sich beruhen lassen, oder sich mit der Entrichtung einer geringeren Summe begnügen. Sie können auch die schon er- kannte Strafe erlassen oder mildern. Wir sehen geradezu Ver- gleiche über die Strafe für zulässig erklärt, wobei diese mit Ein- willigung des Betroffenen festgesetzt wird, regelmäſsig natürlich auf eine geringere Summe als die gesetzlich verwirkte 37. 35 Branntweinsteuerges. v. 1868 § 66; desgl. von 1887 § 32. 36 Loebe, Zollstrafrecht S. 139, 144. Die Strafe selbst trifft die juristische Person niemals, weil hierzu auch bei der Finanzstrafe ein strafrechtliches Ver- schulden gehört, dessen sie unfähig ist (oben II n. 1). Wegen der Haftung des Fiskus vgl. oben § 11 Note 11. 37 In dieser Beziehung ist grundlegend geworden das preuſsische Finanz- ministerialreskript v. 14. Nov. 1827, wonach die Hauptamtsdirigenten befugt sind, 30*

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/mayer_verwaltungsrecht01_1895
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/mayer_verwaltungsrecht01_1895/487
Zitationshilfe: Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 1. Leipzig, 1895, S. 467. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mayer_verwaltungsrecht01_1895/487>, abgerufen am 22.05.2024.