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Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 1. Leipzig, 1895.

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Die Finanzgewalt.
in dieser Beziehung ist doch das Finanzdelikt nach seiner Erscheinung
im einzelnen noch genauer zu prüfen.

Die Angriffsnatur wird sich von vornherein gar nicht leugnen
lassen, wo die Täuschung darauf gerichtet ist, eine Leistung von
seiten des Staates zu erhalten, sei es eine Geldzahlung, sei es eine
Anstaltsnutzung, die nur gegen Entgelt gewährt werden soll. Wenn
nur im übrigen die Voraussetzungen des Betrugs gegeben sind, ist
der Umstand, dass die Handlung zugleich als Defraudation mit Strafe
bedroht ist, für die Annahme eines damit begangenen Betrugs kein
Hindernis25.

Das Gebiet der Frage muss sich beschränken auf diejenigen Fälle
der Hinterziehung, wo es sich bloss darum handelt, dem Staate nicht
zu leisten, was er zu fordern hat, oder ihm die Sicherungsmittel
dieses Anspruches zu beeinträchtigen. Aber auch hier ist die Täuschung
nicht von selbst deshalb Abwehr, weil sie zum Ziele hat, nichts zu
geben. Der Anspruch des Staates, der vereitelt werden soll, ist als
solcher schon ein geeigneter Angriffsgegenstand. Es kann bloss darauf
ankommen, ob die Täuschung ihrerseits einen Angriff vorstellt. Das
thut sie nicht, wenn sie sich auf ein einfaches Verbergen beschränkt;
wohl aber wird sie Angriff, sobald sie dazu übergeht, dem anderen
die ihm zustehenden Mittel der Erkenntnis zu entziehen und zu be-
einträchtigen.

Senate (4. April 1881; Samml. III S. 193), dass diese Materie doch nicht voll-
ständig dem Steuergesetze gehöre. Es handelt sich eben um eine Frage, bei der
man von dieser theoretischen Grenzziehung nicht absehen kann, will man anders
eine feste grundsätzliche Stellung gewinnen.
25 Es wird bei der Verneinung der Anwendbarkeit des Betrugsrechts auf die
Hinterziehung wegen mangelnder Angriffsnatur der Täuschung (vgl. Note 23
immer noch besonders hervorgehoben, dass der Staat ja nichts dabei verliere,
sondern nur nicht bekomme, was ihm gebührt. So auch Merkel in Holtzendorff
Handb. III S. 762. Bei der Erschleichung einer Exportprämie trifft das aber
sicherlich nicht zu. Nach Zuckersteuerges. 26. Juni 1869 § 4 steht Defraudations-
strafe auf der unberechtigten Inanspruchnahme der Vergütung durch falsche An-
gaben. Man wird es regelmässig dabei bewenden lassen, ohne die Frage weiter
zu untersuchen, ob Irrtum, Fahrlässigkeit oder Arglist des Erklärenden vorliegt.
Wo die letztere vorliegt, ist ein Betrug gegeben. Ebenso würde auch der Fall
des "blinden Passagiers" zu behandeln sein: mit der Defraudationsstrafe nach
Postges. § 29 wird ein weiterer, leicht zu beurteilender Thatbestand getroffen, das
"wissentliche" Mitfahren ohne Zahlung ist nicht notwendig Betrug. Es kann es aber
sein. Die Frage ist ganz in derselben Weise zu lösen, wie bei dem blinden
Passagier auf der Eisenbahn (Schwaiger in Gerichtssaal 49 S. 443 Note 1).
Der Unterschied ist nur ein thatsächlicher: die Eisenbahn verfolgt leichter wegen
Betrugs als die Post, weil sie nur dieses Mittel hat, eine Ahndung zu erzielen.

Die Finanzgewalt.
in dieser Beziehung ist doch das Finanzdelikt nach seiner Erscheinung
im einzelnen noch genauer zu prüfen.

Die Angriffsnatur wird sich von vornherein gar nicht leugnen
lassen, wo die Täuschung darauf gerichtet ist, eine Leistung von
seiten des Staates zu erhalten, sei es eine Geldzahlung, sei es eine
Anstaltsnutzung, die nur gegen Entgelt gewährt werden soll. Wenn
nur im übrigen die Voraussetzungen des Betrugs gegeben sind, ist
der Umstand, daſs die Handlung zugleich als Defraudation mit Strafe
bedroht ist, für die Annahme eines damit begangenen Betrugs kein
Hindernis25.

Das Gebiet der Frage muſs sich beschränken auf diejenigen Fälle
der Hinterziehung, wo es sich bloſs darum handelt, dem Staate nicht
zu leisten, was er zu fordern hat, oder ihm die Sicherungsmittel
dieses Anspruches zu beeinträchtigen. Aber auch hier ist die Täuschung
nicht von selbst deshalb Abwehr, weil sie zum Ziele hat, nichts zu
geben. Der Anspruch des Staates, der vereitelt werden soll, ist als
solcher schon ein geeigneter Angriffsgegenstand. Es kann bloſs darauf
ankommen, ob die Täuschung ihrerseits einen Angriff vorstellt. Das
thut sie nicht, wenn sie sich auf ein einfaches Verbergen beschränkt;
wohl aber wird sie Angriff, sobald sie dazu übergeht, dem anderen
die ihm zustehenden Mittel der Erkenntnis zu entziehen und zu be-
einträchtigen.

Senate (4. April 1881; Samml. III S. 193), daſs diese Materie doch nicht voll-
ständig dem Steuergesetze gehöre. Es handelt sich eben um eine Frage, bei der
man von dieser theoretischen Grenzziehung nicht absehen kann, will man anders
eine feste grundsätzliche Stellung gewinnen.
25 Es wird bei der Verneinung der Anwendbarkeit des Betrugsrechts auf die
Hinterziehung wegen mangelnder Angriffsnatur der Täuschung (vgl. Note 23
immer noch besonders hervorgehoben, daſs der Staat ja nichts dabei verliere,
sondern nur nicht bekomme, was ihm gebührt. So auch Merkel in Holtzendorff
Handb. III S. 762. Bei der Erschleichung einer Exportprämie trifft das aber
sicherlich nicht zu. Nach Zuckersteuerges. 26. Juni 1869 § 4 steht Defraudations-
strafe auf der unberechtigten Inanspruchnahme der Vergütung durch falsche An-
gaben. Man wird es regelmäſsig dabei bewenden lassen, ohne die Frage weiter
zu untersuchen, ob Irrtum, Fahrlässigkeit oder Arglist des Erklärenden vorliegt.
Wo die letztere vorliegt, ist ein Betrug gegeben. Ebenso würde auch der Fall
des „blinden Passagiers“ zu behandeln sein: mit der Defraudationsstrafe nach
Postges. § 29 wird ein weiterer, leicht zu beurteilender Thatbestand getroffen, das
„wissentliche“ Mitfahren ohne Zahlung ist nicht notwendig Betrug. Es kann es aber
sein. Die Frage ist ganz in derselben Weise zu lösen, wie bei dem blinden
Passagier auf der Eisenbahn (Schwaiger in Gerichtssaal 49 S. 443 Note 1).
Der Unterschied ist nur ein thatsächlicher: die Eisenbahn verfolgt leichter wegen
Betrugs als die Post, weil sie nur dieses Mittel hat, eine Ahndung zu erzielen.
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[460/0480] Die Finanzgewalt. in dieser Beziehung ist doch das Finanzdelikt nach seiner Erscheinung im einzelnen noch genauer zu prüfen. Die Angriffsnatur wird sich von vornherein gar nicht leugnen lassen, wo die Täuschung darauf gerichtet ist, eine Leistung von seiten des Staates zu erhalten, sei es eine Geldzahlung, sei es eine Anstaltsnutzung, die nur gegen Entgelt gewährt werden soll. Wenn nur im übrigen die Voraussetzungen des Betrugs gegeben sind, ist der Umstand, daſs die Handlung zugleich als Defraudation mit Strafe bedroht ist, für die Annahme eines damit begangenen Betrugs kein Hindernis 25. Das Gebiet der Frage muſs sich beschränken auf diejenigen Fälle der Hinterziehung, wo es sich bloſs darum handelt, dem Staate nicht zu leisten, was er zu fordern hat, oder ihm die Sicherungsmittel dieses Anspruches zu beeinträchtigen. Aber auch hier ist die Täuschung nicht von selbst deshalb Abwehr, weil sie zum Ziele hat, nichts zu geben. Der Anspruch des Staates, der vereitelt werden soll, ist als solcher schon ein geeigneter Angriffsgegenstand. Es kann bloſs darauf ankommen, ob die Täuschung ihrerseits einen Angriff vorstellt. Das thut sie nicht, wenn sie sich auf ein einfaches Verbergen beschränkt; wohl aber wird sie Angriff, sobald sie dazu übergeht, dem anderen die ihm zustehenden Mittel der Erkenntnis zu entziehen und zu be- einträchtigen. 24 25 Es wird bei der Verneinung der Anwendbarkeit des Betrugsrechts auf die Hinterziehung wegen mangelnder Angriffsnatur der Täuschung (vgl. Note 23 immer noch besonders hervorgehoben, daſs der Staat ja nichts dabei verliere, sondern nur nicht bekomme, was ihm gebührt. So auch Merkel in Holtzendorff Handb. III S. 762. Bei der Erschleichung einer Exportprämie trifft das aber sicherlich nicht zu. Nach Zuckersteuerges. 26. Juni 1869 § 4 steht Defraudations- strafe auf der unberechtigten Inanspruchnahme der Vergütung durch falsche An- gaben. Man wird es regelmäſsig dabei bewenden lassen, ohne die Frage weiter zu untersuchen, ob Irrtum, Fahrlässigkeit oder Arglist des Erklärenden vorliegt. Wo die letztere vorliegt, ist ein Betrug gegeben. Ebenso würde auch der Fall des „blinden Passagiers“ zu behandeln sein: mit der Defraudationsstrafe nach Postges. § 29 wird ein weiterer, leicht zu beurteilender Thatbestand getroffen, das „wissentliche“ Mitfahren ohne Zahlung ist nicht notwendig Betrug. Es kann es aber sein. Die Frage ist ganz in derselben Weise zu lösen, wie bei dem blinden Passagier auf der Eisenbahn (Schwaiger in Gerichtssaal 49 S. 443 Note 1). Der Unterschied ist nur ein thatsächlicher: die Eisenbahn verfolgt leichter wegen Betrugs als die Post, weil sie nur dieses Mittel hat, eine Ahndung zu erzielen. 24 Senate (4. April 1881; Samml. III S. 193), daſs diese Materie doch nicht voll- ständig dem Steuergesetze gehöre. Es handelt sich eben um eine Frage, bei der man von dieser theoretischen Grenzziehung nicht absehen kann, will man anders eine feste grundsätzliche Stellung gewinnen.

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Zitationshilfe: Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 1. Leipzig, 1895, S. 460. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mayer_verwaltungsrecht01_1895/480>, abgerufen am 23.12.2024.