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Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 1. Leipzig, 1895.

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§ 30. Der Finanzbefehl.
nämlichen Ausdruck ihrer Ermächtigungen diese Lücke ausfüllen
sollen7.

Also müssen wir schliessen, dass die Regulative Rechtssätze
nicht sein können. Hiermit hängt aufs innigste zusammen ein anderer
Punkt, auf welchen schon öfters hingewiesen worden ist. Diese Re-
gulative werden, wie erwähnt, von jeher ausschliesslich im Central-
blatt des Deutschen Reiches veröffentlicht. Der Rechtssatz hat aber
seine formell bestimmte Art der Kundgabe, durch die er wirksam
wird; für die Reichsgesetze und die Reichsverordnungen ist die einzig
wirksame Form die Veröffentlichung im Reichsgesetzblatt8. Wollten
die Regulative Rechtssätze sein, so würden sie um dieser mangel-
haften Verkündigung willen als solche keine verbindliche Kraft er-
langen9. Also können sie Rechtssätze nicht sein wollen.

7 Vgl. z. B. Zollges. v. 1. Juli 1869 § 152; Branntweinsteuerges. v. 24. Juni
1887 § 26; Tabaksteuerges. v. 16. Juli 1879 § 40. Die Gesetze sprechen immer
am Schlusse von Strafbestimmungen für "Übertretung der Vorschriften dieses Ge-
setzes, sowie der infolge desselben öffentlich bekannt gemachten Verwaltungs-
vorschriften". Auf diese Übereinstimmung der Ausdrucksweise hat Arndt, Ver-
ordnungsrecht S. 36 ff., mit Recht hingewiesen; seine Folgerungen sind nur die
umgekehrten, insofern er überall Rechtssätze annimmt; vgl. oben § 10 Note 11.
Laband, der die Rechtssatznatur der Verwaltungsvorschriften in Reichsverf. Art. 7
Ziff. 2 entschieden verwirft, will die gleichbezeichneten Zoll- und Steuerregulative
nichtsdestoweniger als Rechtsvorschriften anerkennen. Allein das erzielt er doch
nur auf einem eigentümlichen Umwege, den wir nicht mitmachen werden. Er
sagt nämlich: der § 152 des Zollgesetzes sei "ein Blankostrafgesetz, dessen That-
bestände durch die Zollregulative festgestellt werden. Insoweit diesen Regulativen
also die Kraft einer Rechtsvorschrift innewohnt, verdanken sie diese nicht der
Autorität des Bundesratsbeschlusses, sondern der des Reichsgesetzes". Es kann
nicht verkannt werden, dass wir damit eine ganz neue Art der Entstehung von
Rechtssätzen bekämen. Der Bundesrat übt hier kein Verordnungsrecht, sonst würde
ja die Rechtssatzwirkung der Regulative allerdings auf der seinem Beschlusse ver-
liehenen Autorität beruhen; aber die sämtlichen Verweisungen der einzelnen Paragraphen
des Zollgesetzes bedeuten keine Delegation zur Schaffung von Rechtssätzen. Ganz
von ungefähr würden die Regulative zu solchen erhoben durch eine Rückwirkung der
Strafbestimmung des § 152, die an sie anknüpft. Aber wird denn alles selbst
Rechtssatz, was zu einem Blankettstrafrechtssatz den Thatbestand bestimmt? Dann
wären wohl auch Rechtssätze die dem einzelnen Brenner "besonders" gegebenen
Vorschriften nach Branntweinsteuerges. 94. Juni 1887 § 26, oder die "vorläufigen
Anordnungen" des Tierarztes, deren Nichtbefolgung das Reichsviehseuchenges. v.
23. Juni 1880 § 66 Ziff. 3 mit Strafe bedroht? Unseres Erachtens giebt es keine
Rechtsvorschriften, als solche, die es aus eigner Autorität sind, sei das eine ur-
sprüngliche oder eine durch Delegation erworbene.
8 Laband, St.R. I S. 611 und die dort angeführte Litteratur.
9 Laband, St.R. I S. 612 u. II S. 928 Anm. 8.

§ 30. Der Finanzbefehl.
nämlichen Ausdruck ihrer Ermächtigungen diese Lücke ausfüllen
sollen7.

Also müssen wir schlieſsen, daſs die Regulative Rechtssätze
nicht sein können. Hiermit hängt aufs innigste zusammen ein anderer
Punkt, auf welchen schon öfters hingewiesen worden ist. Diese Re-
gulative werden, wie erwähnt, von jeher ausschlieſslich im Central-
blatt des Deutschen Reiches veröffentlicht. Der Rechtssatz hat aber
seine formell bestimmte Art der Kundgabe, durch die er wirksam
wird; für die Reichsgesetze und die Reichsverordnungen ist die einzig
wirksame Form die Veröffentlichung im Reichsgesetzblatt8. Wollten
die Regulative Rechtssätze sein, so würden sie um dieser mangel-
haften Verkündigung willen als solche keine verbindliche Kraft er-
langen9. Also können sie Rechtssätze nicht sein wollen.

7 Vgl. z. B. Zollges. v. 1. Juli 1869 § 152; Branntweinsteuerges. v. 24. Juni
1887 § 26; Tabaksteuerges. v. 16. Juli 1879 § 40. Die Gesetze sprechen immer
am Schlusse von Strafbestimmungen für „Übertretung der Vorschriften dieses Ge-
setzes, sowie der infolge desselben öffentlich bekannt gemachten Verwaltungs-
vorschriften“. Auf diese Übereinstimmung der Ausdrucksweise hat Arndt, Ver-
ordnungsrecht S. 36 ff., mit Recht hingewiesen; seine Folgerungen sind nur die
umgekehrten, insofern er überall Rechtssätze annimmt; vgl. oben § 10 Note 11.
Laband, der die Rechtssatznatur der Verwaltungsvorschriften in Reichsverf. Art. 7
Ziff. 2 entschieden verwirft, will die gleichbezeichneten Zoll- und Steuerregulative
nichtsdestoweniger als Rechtsvorschriften anerkennen. Allein das erzielt er doch
nur auf einem eigentümlichen Umwege, den wir nicht mitmachen werden. Er
sagt nämlich: der § 152 des Zollgesetzes sei „ein Blankostrafgesetz, dessen That-
bestände durch die Zollregulative festgestellt werden. Insoweit diesen Regulativen
also die Kraft einer Rechtsvorschrift innewohnt, verdanken sie diese nicht der
Autorität des Bundesratsbeschlusses, sondern der des Reichsgesetzes“. Es kann
nicht verkannt werden, daſs wir damit eine ganz neue Art der Entstehung von
Rechtssätzen bekämen. Der Bundesrat übt hier kein Verordnungsrecht, sonst würde
ja die Rechtssatzwirkung der Regulative allerdings auf der seinem Beschlusse ver-
liehenen Autorität beruhen; aber die sämtlichen Verweisungen der einzelnen Paragraphen
des Zollgesetzes bedeuten keine Delegation zur Schaffung von Rechtssätzen. Ganz
von ungefähr würden die Regulative zu solchen erhoben durch eine Rückwirkung der
Strafbestimmung des § 152, die an sie anknüpft. Aber wird denn alles selbst
Rechtssatz, was zu einem Blankettstrafrechtssatz den Thatbestand bestimmt? Dann
wären wohl auch Rechtssätze die dem einzelnen Brenner „besonders“ gegebenen
Vorschriften nach Branntweinsteuerges. 94. Juni 1887 § 26, oder die „vorläufigen
Anordnungen“ des Tierarztes, deren Nichtbefolgung das Reichsviehseuchenges. v.
23. Juni 1880 § 66 Ziff. 3 mit Strafe bedroht? Unseres Erachtens giebt es keine
Rechtsvorschriften, als solche, die es aus eigner Autorität sind, sei das eine ur-
sprüngliche oder eine durch Delegation erworbene.
8 Laband, St.R. I S. 611 und die dort angeführte Litteratur.
9 Laband, St.R. I S. 612 u. II S. 928 Anm. 8.
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[437/0457] § 30. Der Finanzbefehl. nämlichen Ausdruck ihrer Ermächtigungen diese Lücke ausfüllen sollen 7. Also müssen wir schlieſsen, daſs die Regulative Rechtssätze nicht sein können. Hiermit hängt aufs innigste zusammen ein anderer Punkt, auf welchen schon öfters hingewiesen worden ist. Diese Re- gulative werden, wie erwähnt, von jeher ausschlieſslich im Central- blatt des Deutschen Reiches veröffentlicht. Der Rechtssatz hat aber seine formell bestimmte Art der Kundgabe, durch die er wirksam wird; für die Reichsgesetze und die Reichsverordnungen ist die einzig wirksame Form die Veröffentlichung im Reichsgesetzblatt 8. Wollten die Regulative Rechtssätze sein, so würden sie um dieser mangel- haften Verkündigung willen als solche keine verbindliche Kraft er- langen 9. Also können sie Rechtssätze nicht sein wollen. 7 Vgl. z. B. Zollges. v. 1. Juli 1869 § 152; Branntweinsteuerges. v. 24. Juni 1887 § 26; Tabaksteuerges. v. 16. Juli 1879 § 40. Die Gesetze sprechen immer am Schlusse von Strafbestimmungen für „Übertretung der Vorschriften dieses Ge- setzes, sowie der infolge desselben öffentlich bekannt gemachten Verwaltungs- vorschriften“. Auf diese Übereinstimmung der Ausdrucksweise hat Arndt, Ver- ordnungsrecht S. 36 ff., mit Recht hingewiesen; seine Folgerungen sind nur die umgekehrten, insofern er überall Rechtssätze annimmt; vgl. oben § 10 Note 11. Laband, der die Rechtssatznatur der Verwaltungsvorschriften in Reichsverf. Art. 7 Ziff. 2 entschieden verwirft, will die gleichbezeichneten Zoll- und Steuerregulative nichtsdestoweniger als Rechtsvorschriften anerkennen. Allein das erzielt er doch nur auf einem eigentümlichen Umwege, den wir nicht mitmachen werden. Er sagt nämlich: der § 152 des Zollgesetzes sei „ein Blankostrafgesetz, dessen That- bestände durch die Zollregulative festgestellt werden. Insoweit diesen Regulativen also die Kraft einer Rechtsvorschrift innewohnt, verdanken sie diese nicht der Autorität des Bundesratsbeschlusses, sondern der des Reichsgesetzes“. Es kann nicht verkannt werden, daſs wir damit eine ganz neue Art der Entstehung von Rechtssätzen bekämen. Der Bundesrat übt hier kein Verordnungsrecht, sonst würde ja die Rechtssatzwirkung der Regulative allerdings auf der seinem Beschlusse ver- liehenen Autorität beruhen; aber die sämtlichen Verweisungen der einzelnen Paragraphen des Zollgesetzes bedeuten keine Delegation zur Schaffung von Rechtssätzen. Ganz von ungefähr würden die Regulative zu solchen erhoben durch eine Rückwirkung der Strafbestimmung des § 152, die an sie anknüpft. Aber wird denn alles selbst Rechtssatz, was zu einem Blankettstrafrechtssatz den Thatbestand bestimmt? Dann wären wohl auch Rechtssätze die dem einzelnen Brenner „besonders“ gegebenen Vorschriften nach Branntweinsteuerges. 94. Juni 1887 § 26, oder die „vorläufigen Anordnungen“ des Tierarztes, deren Nichtbefolgung das Reichsviehseuchenges. v. 23. Juni 1880 § 66 Ziff. 3 mit Strafe bedroht? Unseres Erachtens giebt es keine Rechtsvorschriften, als solche, die es aus eigner Autorität sind, sei das eine ur- sprüngliche oder eine durch Delegation erworbene. 8 Laband, St.R. I S. 611 und die dort angeführte Litteratur. 9 Laband, St.R. I S. 612 u. II S. 928 Anm. 8.

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Zitationshilfe: Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 1. Leipzig, 1895, S. 437. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mayer_verwaltungsrecht01_1895/457>, abgerufen am 23.12.2024.