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Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 1. Leipzig, 1895.

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Die Finanzgewalt.

Auf freiem Ermessen dagegen beruht die Zulassung gewisser
besonderer Stundungs-Einrichtungen, welche der Person des Pflichtigen
bewilligt und nach freiem Ermessen wieder entzogen werden können.

Dahin gehört die Errichtung von Privatkreditlagern14.
Die Einlagerung bedeutet hier keine schwebende Steuerpflicht. Die
Pflicht entsteht vielmehr sofort mit der Anschreibung, wenn die Ware
etwa mit Begleitschein I, also mit schwebender Pflicht, dort eingetroffen
ist; sie kann auch schon vorher entstanden sein und wird dann nicht
etwa durch die Einlagerung wieder schwebend. Die Steuer ist nur
für eine gewisse Frist gestundet und unter der Bedingung, dass die
Ware im Lager bleibt. Zum Ausdruck kommt das Verhältnis durch
die Anlage eines Zollkontos für den Verpflichteten, in welchem er
belastet wird mit dem Betrage des Zolles für die eingehenden Waren,
entlastet für die unter Berichtigung des Zolles geschehenen Ausgänge.
Die Niederlage und ihre Überwachung hat nur den Zweck, das Pfand
des Staates zu sichern und das Konto selbst durch regelmässige Re-
visionen zu kontrollieren; von einem dabei festgestellten Manko, wo-
her es auch kommt, ist sofort der Zoll zu entrichten: die Be-
dingung der Stundung, der Verbleib der Ware, ist weggefallen15.

Eine besondere Form bildet daneben der sogenannte eiserne
Zollkredit,
welcher Weingrosshändlern gewährt werden kann16. Die

bei einem Wechsel des Zolltarifs während des Transportes gilt für die Bemessung
der Zollpflicht bei Begleitschein I der neue, bei Begleitschein II der alte Tarif.
Man könnte sie, statt der unschönen Numerierung, auch Begleitschein vorberech-
neter und Begleitschein nachberechneter Zollpflicht nennen.
14 Zollges. § 108; Privatlager-Regulativ § 2 u. § 11.
15 Dem entsprechend ist nach Zollges. § 9 für die Berechnung der Steuer
massgebend der Tarif, welcher gilt bei Abfertigung zur Anschreibung auf das Lager
-- im Gegensatz zur Abfertigung auf zollfreie Niederlage, wo der Augenblick der
Auslagerung entscheidet. Das Privatlager-Regulativ § 4 drückt diese sofortige
Entstehung der Zollpflicht damit aus, dass es sagt: der Lagerinhaber haftet bei
Kreditlagern unbedingt für den Zoll nach Massgabe des bei der Einlagerung fest-
gestellten Gewichts, während bei anderen Lagern, den die schwebende Steuer-
pflicht bedingenden, Einschränkungen an dieser Haftung anerkannt werden (oben
Note 6). -- In der sonst vortrefflichen Darstellung v. Mayrs in Wörterbuch II
S. 948 tritt der rechtliche Gegensatz der beiden Arten von Niederlagen nicht deut-
lich genug hervor. Ganz irreführend ist es, wenn für beide zusammenfassend die
Bezeichnung gebraucht wird: "gewissermassen ad hoc extraterritoriale Räume".
Die Privatkreditlager haben so wenig Extraterritoriales an sich wie etwa ein Pfand-
haus. -- Der gleiche Mangel an Unterscheidung findet sich auch bei G. Meyer,
V.R. II S. 335, 336. Die Privatkreditlager werden da ohne weiteres neben den
anderen Einrichtungen aufgezählt, welche "die Entscheidung darüber, ob ein Zoll
zu entrichten sei, einem späteren Zeitpunkt vorbehalten".
16 Weinlager-Regulativ v. 8. Juni 1888 § 11 ff. (Centr.Bl. 1888 S. 257).
Die Finanzgewalt.

Auf freiem Ermessen dagegen beruht die Zulassung gewisser
besonderer Stundungs-Einrichtungen, welche der Person des Pflichtigen
bewilligt und nach freiem Ermessen wieder entzogen werden können.

Dahin gehört die Errichtung von Privatkreditlagern14.
Die Einlagerung bedeutet hier keine schwebende Steuerpflicht. Die
Pflicht entsteht vielmehr sofort mit der Anschreibung, wenn die Ware
etwa mit Begleitschein I, also mit schwebender Pflicht, dort eingetroffen
ist; sie kann auch schon vorher entstanden sein und wird dann nicht
etwa durch die Einlagerung wieder schwebend. Die Steuer ist nur
für eine gewisse Frist gestundet und unter der Bedingung, daſs die
Ware im Lager bleibt. Zum Ausdruck kommt das Verhältnis durch
die Anlage eines Zollkontos für den Verpflichteten, in welchem er
belastet wird mit dem Betrage des Zolles für die eingehenden Waren,
entlastet für die unter Berichtigung des Zolles geschehenen Ausgänge.
Die Niederlage und ihre Überwachung hat nur den Zweck, das Pfand
des Staates zu sichern und das Konto selbst durch regelmäſsige Re-
visionen zu kontrollieren; von einem dabei festgestellten Manko, wo-
her es auch kommt, ist sofort der Zoll zu entrichten: die Be-
dingung der Stundung, der Verbleib der Ware, ist weggefallen15.

Eine besondere Form bildet daneben der sogenannte eiserne
Zollkredit,
welcher Weingroſshändlern gewährt werden kann16. Die

bei einem Wechsel des Zolltarifs während des Transportes gilt für die Bemessung
der Zollpflicht bei Begleitschein I der neue, bei Begleitschein II der alte Tarif.
Man könnte sie, statt der unschönen Numerierung, auch Begleitschein vorberech-
neter und Begleitschein nachberechneter Zollpflicht nennen.
14 Zollges. § 108; Privatlager-Regulativ § 2 u. § 11.
15 Dem entsprechend ist nach Zollges. § 9 für die Berechnung der Steuer
maſsgebend der Tarif, welcher gilt bei Abfertigung zur Anschreibung auf das Lager
— im Gegensatz zur Abfertigung auf zollfreie Niederlage, wo der Augenblick der
Auslagerung entscheidet. Das Privatlager-Regulativ § 4 drückt diese sofortige
Entstehung der Zollpflicht damit aus, daſs es sagt: der Lagerinhaber haftet bei
Kreditlagern unbedingt für den Zoll nach Maſsgabe des bei der Einlagerung fest-
gestellten Gewichts, während bei anderen Lagern, den die schwebende Steuer-
pflicht bedingenden, Einschränkungen an dieser Haftung anerkannt werden (oben
Note 6). — In der sonst vortrefflichen Darstellung v. Mayrs in Wörterbuch II
S. 948 tritt der rechtliche Gegensatz der beiden Arten von Niederlagen nicht deut-
lich genug hervor. Ganz irreführend ist es, wenn für beide zusammenfassend die
Bezeichnung gebraucht wird: „gewissermaſsen ad hoc extraterritoriale Räume“.
Die Privatkreditlager haben so wenig Extraterritoriales an sich wie etwa ein Pfand-
haus. — Der gleiche Mangel an Unterscheidung findet sich auch bei G. Meyer,
V.R. II S. 335, 336. Die Privatkreditlager werden da ohne weiteres neben den
anderen Einrichtungen aufgezählt, welche „die Entscheidung darüber, ob ein Zoll
zu entrichten sei, einem späteren Zeitpunkt vorbehalten“.
16 Weinlager-Regulativ v. 8. Juni 1888 § 11 ff. (Centr.Bl. 1888 S. 257).
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[412/0432] Die Finanzgewalt. Auf freiem Ermessen dagegen beruht die Zulassung gewisser besonderer Stundungs-Einrichtungen, welche der Person des Pflichtigen bewilligt und nach freiem Ermessen wieder entzogen werden können. Dahin gehört die Errichtung von Privatkreditlagern 14. Die Einlagerung bedeutet hier keine schwebende Steuerpflicht. Die Pflicht entsteht vielmehr sofort mit der Anschreibung, wenn die Ware etwa mit Begleitschein I, also mit schwebender Pflicht, dort eingetroffen ist; sie kann auch schon vorher entstanden sein und wird dann nicht etwa durch die Einlagerung wieder schwebend. Die Steuer ist nur für eine gewisse Frist gestundet und unter der Bedingung, daſs die Ware im Lager bleibt. Zum Ausdruck kommt das Verhältnis durch die Anlage eines Zollkontos für den Verpflichteten, in welchem er belastet wird mit dem Betrage des Zolles für die eingehenden Waren, entlastet für die unter Berichtigung des Zolles geschehenen Ausgänge. Die Niederlage und ihre Überwachung hat nur den Zweck, das Pfand des Staates zu sichern und das Konto selbst durch regelmäſsige Re- visionen zu kontrollieren; von einem dabei festgestellten Manko, wo- her es auch kommt, ist sofort der Zoll zu entrichten: die Be- dingung der Stundung, der Verbleib der Ware, ist weggefallen 15. Eine besondere Form bildet daneben der sogenannte eiserne Zollkredit, welcher Weingroſshändlern gewährt werden kann 16. Die 13 14 Zollges. § 108; Privatlager-Regulativ § 2 u. § 11. 15 Dem entsprechend ist nach Zollges. § 9 für die Berechnung der Steuer maſsgebend der Tarif, welcher gilt bei Abfertigung zur Anschreibung auf das Lager — im Gegensatz zur Abfertigung auf zollfreie Niederlage, wo der Augenblick der Auslagerung entscheidet. Das Privatlager-Regulativ § 4 drückt diese sofortige Entstehung der Zollpflicht damit aus, daſs es sagt: der Lagerinhaber haftet bei Kreditlagern unbedingt für den Zoll nach Maſsgabe des bei der Einlagerung fest- gestellten Gewichts, während bei anderen Lagern, den die schwebende Steuer- pflicht bedingenden, Einschränkungen an dieser Haftung anerkannt werden (oben Note 6). — In der sonst vortrefflichen Darstellung v. Mayrs in Wörterbuch II S. 948 tritt der rechtliche Gegensatz der beiden Arten von Niederlagen nicht deut- lich genug hervor. Ganz irreführend ist es, wenn für beide zusammenfassend die Bezeichnung gebraucht wird: „gewissermaſsen ad hoc extraterritoriale Räume“. Die Privatkreditlager haben so wenig Extraterritoriales an sich wie etwa ein Pfand- haus. — Der gleiche Mangel an Unterscheidung findet sich auch bei G. Meyer, V.R. II S. 335, 336. Die Privatkreditlager werden da ohne weiteres neben den anderen Einrichtungen aufgezählt, welche „die Entscheidung darüber, ob ein Zoll zu entrichten sei, einem späteren Zeitpunkt vorbehalten“. 16 Weinlager-Regulativ v. 8. Juni 1888 § 11 ff. (Centr.Bl. 1888 S. 257). 13 bei einem Wechsel des Zolltarifs während des Transportes gilt für die Bemessung der Zollpflicht bei Begleitschein I der neue, bei Begleitschein II der alte Tarif. Man könnte sie, statt der unschönen Numerierung, auch Begleitschein vorberech- neter und Begleitschein nachberechneter Zollpflicht nennen.

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Zitationshilfe: Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 1. Leipzig, 1895, S. 412. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mayer_verwaltungsrecht01_1895/432>, abgerufen am 21.05.2024.