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Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 1. Leipzig, 1895.

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Die Finanzgewalt.
vorgesehen ist, ganz so als wenn die Steuerbewilligung darauf hin
erfolgt wäre14. --

So ist denn die Bedeutung des Staatshaushaltsgesetzes überall
die gleiche und überall die alte. Von Nebenbestimmungen und Neben-
wirkungen, die sich aus besonderen Gründen daran knüpfen können,
sehen wir ab. Was ist es aber nun für eine Art von Akt, der die
ihm eigentümliche rechtliche Wirkung bezeichnet?

Das Staatshaushaltsgesetz ist seinem Inhalt nach nichts anderes
als eine Rechnung, ein Voranschlag, ein Wirtschaftsplan.
Die Regierung, welche der Volksvertretung als die verantwortliche
Verwalterin der Staatsgelder gegenübersteht, würde ihre Pflicht nicht
erfüllen, wenn sie ohne einen solchen Plan wirtschaften wollte. Den
könnte sie aber auch allein machen15.

Das Besondere ist hier, dass dieser Plan versehen sein muss mit
einer Erklärung der Volksvertretung, welche die Angemessenheit
seiner Ansätze bezeugt. In diesem Zeugnis liegt das rechtlich
Wesentliche an dem Akt. Seine Wirkung ist, dass die Regierung der
Volkvertretung gegenüber gedeckt ist wegen der Ausgaben, die sie
gemäss diesem Zeugnisse vornimmt, sie ist von ihrer Verantwortlich-
keit dafür im voraus entlastet. Aber auf ein blosses Beruhigungs-
mittel für verantwortungsscheue Minister ist es damit nicht abgesehen.
Sonst könnte eine mutigere Regierung ja auch wohl darauf verzichten
und ohne solche Sicherung die Staatsgelderverwaltung führen, um
hinterdrein anerkennen zu lassen, dass sie es ordentlich und gewissen-
haft gethan habe16.

14 Da also mit diesem Gesetz ohnehin nicht nach aussen gewirkt werden soll,
mag man wohl davon absehen, alle Einzelheiten zu veröffentlichen; zwischen Re-
gierung und Volksvertretung, die es gemacht haben, wirken sie doch; Laband,
St.R. II S. 1000. -- Haenel, Ges. im form. u. mat. Sinn S. 292, verwahrt sich
sehr kräftig dagegen, dass man das Budgetrecht von Sachsen und Bayern einer-
seits, Preussen und Reich andrerseits "über einen Leisten schlage". Es sollen
das "grundsätzlich verschiedene Typen" sein. Der Unterschied berührt aber den
Kern nicht und ist auch äusserlich nicht so gross; nicht einmal in dem Punkt, der
Haenel so wichtig ist, in der thatsächlichen Verwendung der Gesetzesform (oben
Note 10).
15 Laband, St.R. 1. Aufl. III S. 353 ff., hatte den Reichshaushaltsetat noch
für ein blosses "von den höchsten Organen der Reichsgewalt festgestelltes Pro-
gramm der Reichsverwaltung" erklärt. Gegen dieses ziemlich zahnlose Budgetrecht
mit Recht Haenel, Ges. im form. u. mat. Sinn S. 310 ff.
16 So Laband, St.R. 2. Aufl. II S. 1001. Wenn ein Etatsgesetz nicht zu
stande kommt, also die Entlastung im voraus nicht erteilt ist, so ist die Folge
"nicht, dass die Regierung die Verwaltungsthätigkeit einstellen müsse, sondern dass
sie dieselbe auf eigene Verantwortlichkeit fortführt" (S. 1013); wenn sie dabei ver-

Die Finanzgewalt.
vorgesehen ist, ganz so als wenn die Steuerbewilligung darauf hin
erfolgt wäre14. —

So ist denn die Bedeutung des Staatshaushaltsgesetzes überall
die gleiche und überall die alte. Von Nebenbestimmungen und Neben-
wirkungen, die sich aus besonderen Gründen daran knüpfen können,
sehen wir ab. Was ist es aber nun für eine Art von Akt, der die
ihm eigentümliche rechtliche Wirkung bezeichnet?

Das Staatshaushaltsgesetz ist seinem Inhalt nach nichts anderes
als eine Rechnung, ein Voranschlag, ein Wirtschaftsplan.
Die Regierung, welche der Volksvertretung als die verantwortliche
Verwalterin der Staatsgelder gegenübersteht, würde ihre Pflicht nicht
erfüllen, wenn sie ohne einen solchen Plan wirtschaften wollte. Den
könnte sie aber auch allein machen15.

Das Besondere ist hier, daſs dieser Plan versehen sein muſs mit
einer Erklärung der Volksvertretung, welche die Angemessenheit
seiner Ansätze bezeugt. In diesem Zeugnis liegt das rechtlich
Wesentliche an dem Akt. Seine Wirkung ist, daſs die Regierung der
Volkvertretung gegenüber gedeckt ist wegen der Ausgaben, die sie
gemäſs diesem Zeugnisse vornimmt, sie ist von ihrer Verantwortlich-
keit dafür im voraus entlastet. Aber auf ein bloſses Beruhigungs-
mittel für verantwortungsscheue Minister ist es damit nicht abgesehen.
Sonst könnte eine mutigere Regierung ja auch wohl darauf verzichten
und ohne solche Sicherung die Staatsgelderverwaltung führen, um
hinterdrein anerkennen zu lassen, daſs sie es ordentlich und gewissen-
haft gethan habe16.

14 Da also mit diesem Gesetz ohnehin nicht nach auſsen gewirkt werden soll,
mag man wohl davon absehen, alle Einzelheiten zu veröffentlichen; zwischen Re-
gierung und Volksvertretung, die es gemacht haben, wirken sie doch; Laband,
St.R. II S. 1000. — Haenel, Ges. im form. u. mat. Sinn S. 292, verwahrt sich
sehr kräftig dagegen, daſs man das Budgetrecht von Sachsen und Bayern einer-
seits, Preuſsen und Reich andrerseits „über einen Leisten schlage“. Es sollen
das „grundsätzlich verschiedene Typen“ sein. Der Unterschied berührt aber den
Kern nicht und ist auch äuſserlich nicht so groſs; nicht einmal in dem Punkt, der
Haenel so wichtig ist, in der thatsächlichen Verwendung der Gesetzesform (oben
Note 10).
15 Laband, St.R. 1. Aufl. III S. 353 ff., hatte den Reichshaushaltsetat noch
für ein bloſses „von den höchsten Organen der Reichsgewalt festgestelltes Pro-
gramm der Reichsverwaltung“ erklärt. Gegen dieses ziemlich zahnlose Budgetrecht
mit Recht Haenel, Ges. im form. u. mat. Sinn S. 310 ff.
16 So Laband, St.R. 2. Aufl. II S. 1001. Wenn ein Etatsgesetz nicht zu
stande kommt, also die Entlastung im voraus nicht erteilt ist, so ist die Folge
„nicht, daſs die Regierung die Verwaltungsthätigkeit einstellen müsse, sondern daſs
sie dieselbe auf eigene Verantwortlichkeit fortführt“ (S. 1013); wenn sie dabei ver-
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[384/0404] Die Finanzgewalt. vorgesehen ist, ganz so als wenn die Steuerbewilligung darauf hin erfolgt wäre 14. — So ist denn die Bedeutung des Staatshaushaltsgesetzes überall die gleiche und überall die alte. Von Nebenbestimmungen und Neben- wirkungen, die sich aus besonderen Gründen daran knüpfen können, sehen wir ab. Was ist es aber nun für eine Art von Akt, der die ihm eigentümliche rechtliche Wirkung bezeichnet? Das Staatshaushaltsgesetz ist seinem Inhalt nach nichts anderes als eine Rechnung, ein Voranschlag, ein Wirtschaftsplan. Die Regierung, welche der Volksvertretung als die verantwortliche Verwalterin der Staatsgelder gegenübersteht, würde ihre Pflicht nicht erfüllen, wenn sie ohne einen solchen Plan wirtschaften wollte. Den könnte sie aber auch allein machen 15. Das Besondere ist hier, daſs dieser Plan versehen sein muſs mit einer Erklärung der Volksvertretung, welche die Angemessenheit seiner Ansätze bezeugt. In diesem Zeugnis liegt das rechtlich Wesentliche an dem Akt. Seine Wirkung ist, daſs die Regierung der Volkvertretung gegenüber gedeckt ist wegen der Ausgaben, die sie gemäſs diesem Zeugnisse vornimmt, sie ist von ihrer Verantwortlich- keit dafür im voraus entlastet. Aber auf ein bloſses Beruhigungs- mittel für verantwortungsscheue Minister ist es damit nicht abgesehen. Sonst könnte eine mutigere Regierung ja auch wohl darauf verzichten und ohne solche Sicherung die Staatsgelderverwaltung führen, um hinterdrein anerkennen zu lassen, daſs sie es ordentlich und gewissen- haft gethan habe 16. 14 Da also mit diesem Gesetz ohnehin nicht nach auſsen gewirkt werden soll, mag man wohl davon absehen, alle Einzelheiten zu veröffentlichen; zwischen Re- gierung und Volksvertretung, die es gemacht haben, wirken sie doch; Laband, St.R. II S. 1000. — Haenel, Ges. im form. u. mat. Sinn S. 292, verwahrt sich sehr kräftig dagegen, daſs man das Budgetrecht von Sachsen und Bayern einer- seits, Preuſsen und Reich andrerseits „über einen Leisten schlage“. Es sollen das „grundsätzlich verschiedene Typen“ sein. Der Unterschied berührt aber den Kern nicht und ist auch äuſserlich nicht so groſs; nicht einmal in dem Punkt, der Haenel so wichtig ist, in der thatsächlichen Verwendung der Gesetzesform (oben Note 10). 15 Laband, St.R. 1. Aufl. III S. 353 ff., hatte den Reichshaushaltsetat noch für ein bloſses „von den höchsten Organen der Reichsgewalt festgestelltes Pro- gramm der Reichsverwaltung“ erklärt. Gegen dieses ziemlich zahnlose Budgetrecht mit Recht Haenel, Ges. im form. u. mat. Sinn S. 310 ff. 16 So Laband, St.R. 2. Aufl. II S. 1001. Wenn ein Etatsgesetz nicht zu stande kommt, also die Entlastung im voraus nicht erteilt ist, so ist die Folge „nicht, daſs die Regierung die Verwaltungsthätigkeit einstellen müsse, sondern daſs sie dieselbe auf eigene Verantwortlichkeit fortführt“ (S. 1013); wenn sie dabei ver-

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Zitationshilfe: Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 1. Leipzig, 1895, S. 384. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mayer_verwaltungsrecht01_1895/404>, abgerufen am 21.05.2024.