Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 1. Leipzig, 1895.Die Finanzgewalt. nun sehr bald der Gebrauch gebildet, diese Willensübereinstimmungin die Form eines Gesetzes zu fassen und als solches zu veröffent- lichen10. Spätere Verfassungstexte haben diese Form ausdrücklich vorgeschrieben11. Die rechtliche Bedeutung des Vorgangs wird da- durch keine andere. Das Finanzgesetz soll nichts anderes zum Aus- druck bringen als das Budgetrecht der Volksvertretung, wie es nun einmal im konstitutionellen System liegt. Daher man auch bei der weiteren Behandlung des Staatshaushalts zwischen Regierung und Volksvertretung die Gesetzesform, ob vorgeschrieben oder freiwillig gewählt, ganz unbefangen wieder zu verlassen pflegt: in scheinbarer Folgewidrigkeit wird die Abnahme der Rechnungen über den ge- führten Haushalt, die Entlastung der Regierung und sogar die Ge- nehmigung der Ausgabeüberschreitungen durch blossen Beschluss der Volksvertretung vorgenommen12. Hier tritt die Natur der Sache wieder einfach zu Tage, wonach die Volksvertretung in Sachen des Staatshaushaltsplanes gegenüber der Regierung handelt, nicht wie im Gesetz, das mit Rechtssätzen, Verwaltungsakten und dergleichen nach aussen wirkt, mit ihr. 2. Die bindende Kraft des festgestellten Staatshaushaltsplans be- corps legislatif, das zugleich zur Feststellung des Budgets berufen ist, den Namen Gesetz führen. -- Die Verfassung von Reuss ä.L. kennt nur periodische Steuerbewilli- gung, aber kein Haushaltsgesetz. Es wird alljährlich ein Gesetz veröffentlicht als "Patent, die im Jahre ... zu entrichtenden Landesabgaben betr." Darin sind nur die bewilligten Steuersätze angegeben. Gleichzeitig erscheint dann auch der Text "des in Einnahme und Ausgabe festgestellten Haushaltsplans"; aber dieser als blosse "Bekanntmachung". Die Regierung ist aber zweifellos an diesen Plan ge- radeso gebunden, wie anderwärts an das Staatshaushaltsgesetz. 10 Die bayr. Verf. kennt kein Budgetgesetz, gleichwohl pflegt das Budget als "Bestandteil eines Finanzgesetzes" vorgelegt zu werden; Seydel, Bayr. St.R. IV S. 389. -- In Sachsen, wo das Gleiche der Fall ist, veröffentlicht man ein so- genanntes Finanzgesetz, welches die Gesamtsumme der festgestellten Einnahmen und Ausgaben und dazu die Steuerbewilligung enthält; Loebe, Staatshaushalt des Kgr. Sachsen S. 45 ff. 11 Das thun namentlich Verfassungen, die keine periodische Steuerbewilligung voraussetzen (Preuss. Verf., Reichs-Verf.); da hat es auch seinen besonderen Zweck, wovon sogleich. -- Wo beides vorgeschrieben ist, periodische Steuerbewilligung und Staatshaushaltsgesetz, wird manchmal das letztere nur im Auszug und als Notiz veröffentlicht; offenbar weil schon das erstere für den Erfolg genügt. So in Schwarzburg-Rudolstadt. 12 Genehmigung ausseretatsmässiger Ausgaben durch blosse Resolutionen:
Laband, St.R. II S. 1006; ebenso die Indemnitätserteilung nach Seydel, Bayr. St.R. IV S. 437. Die Finanzgewalt. nun sehr bald der Gebrauch gebildet, diese Willensübereinstimmungin die Form eines Gesetzes zu fassen und als solches zu veröffent- lichen10. Spätere Verfassungstexte haben diese Form ausdrücklich vorgeschrieben11. Die rechtliche Bedeutung des Vorgangs wird da- durch keine andere. Das Finanzgesetz soll nichts anderes zum Aus- druck bringen als das Budgetrecht der Volksvertretung, wie es nun einmal im konstitutionellen System liegt. Daher man auch bei der weiteren Behandlung des Staatshaushalts zwischen Regierung und Volksvertretung die Gesetzesform, ob vorgeschrieben oder freiwillig gewählt, ganz unbefangen wieder zu verlassen pflegt: in scheinbarer Folgewidrigkeit wird die Abnahme der Rechnungen über den ge- führten Haushalt, die Entlastung der Regierung und sogar die Ge- nehmigung der Ausgabeüberschreitungen durch bloſsen Beschluſs der Volksvertretung vorgenommen12. Hier tritt die Natur der Sache wieder einfach zu Tage, wonach die Volksvertretung in Sachen des Staatshaushaltsplanes gegenüber der Regierung handelt, nicht wie im Gesetz, das mit Rechtssätzen, Verwaltungsakten und dergleichen nach auſsen wirkt, mit ihr. 2. Die bindende Kraft des festgestellten Staatshaushaltsplans be- corps législatif, das zugleich zur Feststellung des Budgets berufen ist, den Namen Gesetz führen. — Die Verfassung von Reuſs ä.L. kennt nur periodische Steuerbewilli- gung, aber kein Haushaltsgesetz. Es wird alljährlich ein Gesetz veröffentlicht als „Patent, die im Jahre … zu entrichtenden Landesabgaben betr.“ Darin sind nur die bewilligten Steuersätze angegeben. Gleichzeitig erscheint dann auch der Text „des in Einnahme und Ausgabe festgestellten Haushaltsplans“; aber dieser als bloſse „Bekanntmachung“. Die Regierung ist aber zweifellos an diesen Plan ge- radeso gebunden, wie anderwärts an das Staatshaushaltsgesetz. 10 Die bayr. Verf. kennt kein Budgetgesetz, gleichwohl pflegt das Budget als „Bestandteil eines Finanzgesetzes“ vorgelegt zu werden; Seydel, Bayr. St.R. IV S. 389. — In Sachsen, wo das Gleiche der Fall ist, veröffentlicht man ein so- genanntes Finanzgesetz, welches die Gesamtsumme der festgestellten Einnahmen und Ausgaben und dazu die Steuerbewilligung enthält; Loebe, Staatshaushalt des Kgr. Sachsen S. 45 ff. 11 Das thun namentlich Verfassungen, die keine periodische Steuerbewilligung voraussetzen (Preuſs. Verf., Reichs-Verf.); da hat es auch seinen besonderen Zweck, wovon sogleich. — Wo beides vorgeschrieben ist, periodische Steuerbewilligung und Staatshaushaltsgesetz, wird manchmal das letztere nur im Auszug und als Notiz veröffentlicht; offenbar weil schon das erstere für den Erfolg genügt. So in Schwarzburg-Rudolstadt. 12 Genehmigung auſseretatsmäſsiger Ausgaben durch bloſse Resolutionen:
Laband, St.R. II S. 1006; ebenso die Indemnitätserteilung nach Seydel, Bayr. St.R. IV S. 437. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <p><pb facs="#f0402" n="382"/><fw place="top" type="header">Die Finanzgewalt.</fw><lb/> nun sehr bald der Gebrauch gebildet, diese Willensübereinstimmung<lb/> in die Form eines <hi rendition="#g">Gesetzes</hi> zu fassen und als solches zu veröffent-<lb/> lichen<note place="foot" n="10">Die bayr. Verf. kennt kein Budgetgesetz, gleichwohl pflegt das Budget als<lb/> „Bestandteil eines Finanzgesetzes“ vorgelegt zu werden; <hi rendition="#g">Seydel,</hi> Bayr. St.R. IV<lb/> S. 389. — In Sachsen, wo das Gleiche der Fall ist, veröffentlicht man ein so-<lb/> genanntes Finanzgesetz, welches die Gesamtsumme der festgestellten Einnahmen<lb/> und Ausgaben und dazu die Steuerbewilligung enthält; <hi rendition="#g">Loebe,</hi> Staatshaushalt des<lb/> Kgr. Sachsen S. 45 ff.</note>. Spätere Verfassungstexte haben diese Form ausdrücklich<lb/> vorgeschrieben<note place="foot" n="11">Das thun namentlich Verfassungen, die keine periodische Steuerbewilligung<lb/> voraussetzen (Preuſs. Verf., Reichs-Verf.); da hat es auch seinen besonderen Zweck,<lb/> wovon sogleich. — Wo beides vorgeschrieben ist, periodische Steuerbewilligung<lb/> und Staatshaushaltsgesetz, wird manchmal das letztere nur im Auszug und als<lb/> Notiz veröffentlicht; offenbar weil schon das erstere für den Erfolg genügt. So in<lb/> Schwarzburg-Rudolstadt.</note>. Die rechtliche Bedeutung des Vorgangs wird da-<lb/> durch keine andere. Das Finanzgesetz soll nichts anderes zum Aus-<lb/> druck bringen als das Budgetrecht der Volksvertretung, wie es nun<lb/> einmal im konstitutionellen System liegt. Daher man auch bei der<lb/> weiteren Behandlung des Staatshaushalts zwischen Regierung und<lb/> Volksvertretung die Gesetzesform, ob vorgeschrieben oder freiwillig<lb/> gewählt, ganz unbefangen wieder zu verlassen pflegt: in scheinbarer<lb/> Folgewidrigkeit wird die Abnahme der Rechnungen über den ge-<lb/> führten Haushalt, die Entlastung der Regierung und sogar die Ge-<lb/> nehmigung der Ausgabeüberschreitungen durch bloſsen Beschluſs der<lb/> Volksvertretung vorgenommen<note place="foot" n="12">Genehmigung auſseretatsmäſsiger Ausgaben durch bloſse Resolutionen:<lb/><hi rendition="#g">Laband,</hi> St.R. II S. 1006; ebenso die Indemnitätserteilung nach <hi rendition="#g">Seydel,</hi> Bayr.<lb/> St.R. IV S. 437.</note>. Hier tritt die Natur der Sache<lb/> wieder einfach zu Tage, wonach die Volksvertretung in Sachen des<lb/> Staatshaushaltsplanes <hi rendition="#g">gegenüber</hi> der Regierung handelt, nicht wie<lb/> im Gesetz, das mit Rechtssätzen, Verwaltungsakten und dergleichen<lb/> nach auſsen wirkt, <hi rendition="#g">mit</hi> ihr.</p><lb/> <p>2. Die bindende Kraft des festgestellten Staatshaushaltsplans be-<lb/> ruht ursprünglich auf der daran gehängten Steuerbewilligung. Dem<lb/> entspricht es, daſs auch die Steuerbewilligung nur für den gleichen<lb/><note xml:id="seg2pn_83_2" prev="#seg2pn_83_1" place="foot" n="9">corps législatif, das zugleich zur Feststellung des Budgets berufen ist, den Namen<lb/> Gesetz führen. — Die Verfassung von Reuſs ä.L. kennt nur periodische Steuerbewilli-<lb/> gung, aber kein Haushaltsgesetz. Es wird alljährlich ein Gesetz veröffentlicht als<lb/> „Patent, die im Jahre … zu entrichtenden Landesabgaben betr.“ Darin sind nur<lb/> die bewilligten Steuersätze angegeben. Gleichzeitig erscheint dann auch der Text<lb/> „des in Einnahme und Ausgabe festgestellten Haushaltsplans“; aber dieser als<lb/> bloſse „Bekanntmachung“. Die Regierung ist aber zweifellos an diesen Plan ge-<lb/> radeso gebunden, wie anderwärts an das Staatshaushaltsgesetz.</note><lb/></p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [382/0402]
Die Finanzgewalt.
nun sehr bald der Gebrauch gebildet, diese Willensübereinstimmung
in die Form eines Gesetzes zu fassen und als solches zu veröffent-
lichen 10. Spätere Verfassungstexte haben diese Form ausdrücklich
vorgeschrieben 11. Die rechtliche Bedeutung des Vorgangs wird da-
durch keine andere. Das Finanzgesetz soll nichts anderes zum Aus-
druck bringen als das Budgetrecht der Volksvertretung, wie es nun
einmal im konstitutionellen System liegt. Daher man auch bei der
weiteren Behandlung des Staatshaushalts zwischen Regierung und
Volksvertretung die Gesetzesform, ob vorgeschrieben oder freiwillig
gewählt, ganz unbefangen wieder zu verlassen pflegt: in scheinbarer
Folgewidrigkeit wird die Abnahme der Rechnungen über den ge-
führten Haushalt, die Entlastung der Regierung und sogar die Ge-
nehmigung der Ausgabeüberschreitungen durch bloſsen Beschluſs der
Volksvertretung vorgenommen 12. Hier tritt die Natur der Sache
wieder einfach zu Tage, wonach die Volksvertretung in Sachen des
Staatshaushaltsplanes gegenüber der Regierung handelt, nicht wie
im Gesetz, das mit Rechtssätzen, Verwaltungsakten und dergleichen
nach auſsen wirkt, mit ihr.
2. Die bindende Kraft des festgestellten Staatshaushaltsplans be-
ruht ursprünglich auf der daran gehängten Steuerbewilligung. Dem
entspricht es, daſs auch die Steuerbewilligung nur für den gleichen
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10 Die bayr. Verf. kennt kein Budgetgesetz, gleichwohl pflegt das Budget als
„Bestandteil eines Finanzgesetzes“ vorgelegt zu werden; Seydel, Bayr. St.R. IV
S. 389. — In Sachsen, wo das Gleiche der Fall ist, veröffentlicht man ein so-
genanntes Finanzgesetz, welches die Gesamtsumme der festgestellten Einnahmen
und Ausgaben und dazu die Steuerbewilligung enthält; Loebe, Staatshaushalt des
Kgr. Sachsen S. 45 ff.
11 Das thun namentlich Verfassungen, die keine periodische Steuerbewilligung
voraussetzen (Preuſs. Verf., Reichs-Verf.); da hat es auch seinen besonderen Zweck,
wovon sogleich. — Wo beides vorgeschrieben ist, periodische Steuerbewilligung
und Staatshaushaltsgesetz, wird manchmal das letztere nur im Auszug und als
Notiz veröffentlicht; offenbar weil schon das erstere für den Erfolg genügt. So in
Schwarzburg-Rudolstadt.
12 Genehmigung auſseretatsmäſsiger Ausgaben durch bloſse Resolutionen:
Laband, St.R. II S. 1006; ebenso die Indemnitätserteilung nach Seydel, Bayr.
St.R. IV S. 437.
9 corps législatif, das zugleich zur Feststellung des Budgets berufen ist, den Namen
Gesetz führen. — Die Verfassung von Reuſs ä.L. kennt nur periodische Steuerbewilli-
gung, aber kein Haushaltsgesetz. Es wird alljährlich ein Gesetz veröffentlicht als
„Patent, die im Jahre … zu entrichtenden Landesabgaben betr.“ Darin sind nur
die bewilligten Steuersätze angegeben. Gleichzeitig erscheint dann auch der Text
„des in Einnahme und Ausgabe festgestellten Haushaltsplans“; aber dieser als
bloſse „Bekanntmachung“. Die Regierung ist aber zweifellos an diesen Plan ge-
radeso gebunden, wie anderwärts an das Staatshaushaltsgesetz.
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