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Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 1. Leipzig, 1895.

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Die Polizeigewalt.
berechtigten Beamtenart, welche das Gesetz selbst gegeben hat. Ge-
meint sind in erster Linie die Gendarmen. Auch wo das Gesetz nur
diese nennt, ist eine ausdehnende Auslegung zu Gunsten von Be-
amtenarten, welche einen anderen Namen führen, nicht ausgeschlossen.
Es kommt nur darauf an, ob diese trotz des anderen Namens wesent-
lich das Gleiche vorstellen, was die Gendarmerie. Diese wesentliche
Gleichheit hat aber zum Merkmal nicht den Besitz einer Dienstwaffe,
sondern die Voraussetzung, an der das besondere Recht des Gendarmen
hängt und mit welcher es sich auch auf andere Beamten erstreckt,
ist die militärische Organisation. Das Vorrecht des polizei-
lichen Waffengebrauches, welches der Gendarmerie gegeben ist, be-
steht ja von Haus aus -- zum Teil in noch schärferen Formen --
für die militärischen Wachen, Posten und Patrouillen (unten III).
Indem die Gendarmerie als besondere Truppe für den Polizeidienst
ausgeschieden wurde, war es, wenn nicht ausdrücklich gesagt, so doch
stillschweigend verstanden, dass die Eigentümlichkeiten der militäri-
schen Gewaltübung auch für den inneren Sicherheitsdienst beibehalten
seien24. Wenn das Gesetz dieses Vorrecht nun ausdrücklich regelt,
so hat es damit gerade die Besonderheit der militärisch geordneten
Polizeimannschaft im Auge. Es ist daher unbedenklich, diese Regeln
gelten zu lassen für alle Polizeimannschaften, bei welchen dieses ent-
scheidende Merkmal in gleicher Weise zutrifft. Das wird vor allem
der Fall sein bei der militärisch organisierten Schutzmannschaft der
grossen Städte.

Wo dieses Merkmal nicht zutrifft, ist die ausdehnende Auslegung
unstatthaft. Nur eine besondere gesetzliche Bestimmung könnte das
Vorrecht im Waffengebrauch für einen weiteren Beamtenkreis be-
gründen.

III. Das stehende Heer, der miles perpetuus, hat den idealen
Gebilden unserer werdenden Staatsgewalt den Boden in der harten

d. I. 1854 S. 69) wollen noch das besondere Waffengebrauchsrecht der Gendarmen
gelten lassen für alle "exekutiven Polizeibeamten". Dazu gehört aber z. B. auch
der Nachtwächter (O.Tr. 22. Dez. 1858): soll er mit dem etwaigen Dienstspiess ge-
mäss jenem Vorrechte hantieren dürfen? Das wird man jedenfalls heutzutage nicht
als geltendes Recht behaupten wollen.
24 So begnügte sich das preuss. Gendarmerieedikt v. 20. Juli 1812, zu sagen,
dass die Gendarmerie militärisch gekleidet und bewaffnet sei (§ 64); das Vorrecht
des Waffengebrauchs verstand sich daraus von selbst. Erst 1820 wird es ausdrück-
lich geregelt. -- Els.Lothr. Ges. v. 20. Juni 1872 § 2 erklärt einfach die Regeln
des militärischen Waffengebrauchs im Friedensdienste auf die Gendarmerie an-
wendbar.

Die Polizeigewalt.
berechtigten Beamtenart, welche das Gesetz selbst gegeben hat. Ge-
meint sind in erster Linie die Gendarmen. Auch wo das Gesetz nur
diese nennt, ist eine ausdehnende Auslegung zu Gunsten von Be-
amtenarten, welche einen anderen Namen führen, nicht ausgeschlossen.
Es kommt nur darauf an, ob diese trotz des anderen Namens wesent-
lich das Gleiche vorstellen, was die Gendarmerie. Diese wesentliche
Gleichheit hat aber zum Merkmal nicht den Besitz einer Dienstwaffe,
sondern die Voraussetzung, an der das besondere Recht des Gendarmen
hängt und mit welcher es sich auch auf andere Beamten erstreckt,
ist die militärische Organisation. Das Vorrecht des polizei-
lichen Waffengebrauches, welches der Gendarmerie gegeben ist, be-
steht ja von Haus aus — zum Teil in noch schärferen Formen —
für die militärischen Wachen, Posten und Patrouillen (unten III).
Indem die Gendarmerie als besondere Truppe für den Polizeidienst
ausgeschieden wurde, war es, wenn nicht ausdrücklich gesagt, so doch
stillschweigend verstanden, daſs die Eigentümlichkeiten der militäri-
schen Gewaltübung auch für den inneren Sicherheitsdienst beibehalten
seien24. Wenn das Gesetz dieses Vorrecht nun ausdrücklich regelt,
so hat es damit gerade die Besonderheit der militärisch geordneten
Polizeimannschaft im Auge. Es ist daher unbedenklich, diese Regeln
gelten zu lassen für alle Polizeimannschaften, bei welchen dieses ent-
scheidende Merkmal in gleicher Weise zutrifft. Das wird vor allem
der Fall sein bei der militärisch organisierten Schutzmannschaft der
groſsen Städte.

Wo dieses Merkmal nicht zutrifft, ist die ausdehnende Auslegung
unstatthaft. Nur eine besondere gesetzliche Bestimmung könnte das
Vorrecht im Waffengebrauch für einen weiteren Beamtenkreis be-
gründen.

III. Das stehende Heer, der miles perpetuus, hat den idealen
Gebilden unserer werdenden Staatsgewalt den Boden in der harten

d. I. 1854 S. 69) wollen noch das besondere Waffengebrauchsrecht der Gendarmen
gelten lassen für alle „exekutiven Polizeibeamten“. Dazu gehört aber z. B. auch
der Nachtwächter (O.Tr. 22. Dez. 1858): soll er mit dem etwaigen Dienstspieſs ge-
mäſs jenem Vorrechte hantieren dürfen? Das wird man jedenfalls heutzutage nicht
als geltendes Recht behaupten wollen.
24 So begnügte sich das preuſs. Gendarmerieedikt v. 20. Juli 1812, zu sagen,
daſs die Gendarmerie militärisch gekleidet und bewaffnet sei (§ 64); das Vorrecht
des Waffengebrauchs verstand sich daraus von selbst. Erst 1820 wird es ausdrück-
lich geregelt. — Els.Lothr. Ges. v. 20. Juni 1872 § 2 erklärt einfach die Regeln
des militärischen Waffengebrauchs im Friedensdienste auf die Gendarmerie an-
wendbar.
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[372/0392] Die Polizeigewalt. berechtigten Beamtenart, welche das Gesetz selbst gegeben hat. Ge- meint sind in erster Linie die Gendarmen. Auch wo das Gesetz nur diese nennt, ist eine ausdehnende Auslegung zu Gunsten von Be- amtenarten, welche einen anderen Namen führen, nicht ausgeschlossen. Es kommt nur darauf an, ob diese trotz des anderen Namens wesent- lich das Gleiche vorstellen, was die Gendarmerie. Diese wesentliche Gleichheit hat aber zum Merkmal nicht den Besitz einer Dienstwaffe, sondern die Voraussetzung, an der das besondere Recht des Gendarmen hängt und mit welcher es sich auch auf andere Beamten erstreckt, ist die militärische Organisation. Das Vorrecht des polizei- lichen Waffengebrauches, welches der Gendarmerie gegeben ist, be- steht ja von Haus aus — zum Teil in noch schärferen Formen — für die militärischen Wachen, Posten und Patrouillen (unten III). Indem die Gendarmerie als besondere Truppe für den Polizeidienst ausgeschieden wurde, war es, wenn nicht ausdrücklich gesagt, so doch stillschweigend verstanden, daſs die Eigentümlichkeiten der militäri- schen Gewaltübung auch für den inneren Sicherheitsdienst beibehalten seien 24. Wenn das Gesetz dieses Vorrecht nun ausdrücklich regelt, so hat es damit gerade die Besonderheit der militärisch geordneten Polizeimannschaft im Auge. Es ist daher unbedenklich, diese Regeln gelten zu lassen für alle Polizeimannschaften, bei welchen dieses ent- scheidende Merkmal in gleicher Weise zutrifft. Das wird vor allem der Fall sein bei der militärisch organisierten Schutzmannschaft der groſsen Städte. Wo dieses Merkmal nicht zutrifft, ist die ausdehnende Auslegung unstatthaft. Nur eine besondere gesetzliche Bestimmung könnte das Vorrecht im Waffengebrauch für einen weiteren Beamtenkreis be- gründen. III. Das stehende Heer, der miles perpetuus, hat den idealen Gebilden unserer werdenden Staatsgewalt den Boden in der harten 23 24 So begnügte sich das preuſs. Gendarmerieedikt v. 20. Juli 1812, zu sagen, daſs die Gendarmerie militärisch gekleidet und bewaffnet sei (§ 64); das Vorrecht des Waffengebrauchs verstand sich daraus von selbst. Erst 1820 wird es ausdrück- lich geregelt. — Els.Lothr. Ges. v. 20. Juni 1872 § 2 erklärt einfach die Regeln des militärischen Waffengebrauchs im Friedensdienste auf die Gendarmerie an- wendbar. 23 d. I. 1854 S. 69) wollen noch das besondere Waffengebrauchsrecht der Gendarmen gelten lassen für alle „exekutiven Polizeibeamten“. Dazu gehört aber z. B. auch der Nachtwächter (O.Tr. 22. Dez. 1858): soll er mit dem etwaigen Dienstspieſs ge- mäſs jenem Vorrechte hantieren dürfen? Das wird man jedenfalls heutzutage nicht als geltendes Recht behaupten wollen.

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Zitationshilfe: Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 1. Leipzig, 1895, S. 372. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mayer_verwaltungsrecht01_1895/392>, abgerufen am 17.05.2024.