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Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 1. Leipzig, 1895.

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§ 25. Zwang durch Gewaltanwendung.
enger gesteckt sind, als die allgemeinen Grundsätze von selbst er-
geben würden.

Diese Grenzbestimmung bezweckt vor allem einen strengeren
Schutz der Wohnung gegen polizeiliches Eindringen zur Nachtzeit.

Das Eindringen bei Tage steht den Beamten der Polizei dann
frei, wenn sie dazu berufen sind durch ihrer Natur nach dort zu
erledigende Amtshandlungen
. Die Abgrenzung dieser Befug-
nisse bestimmt sich genauer durch den Gegensatz: das blosse Nach-
sehen und Beobachten,
ob eine Amtshandlung dort vorzunehmen
ist oder nicht. Solche Nachforschungen, die ja an Zahl und Umfang
willkürlich vermehrt werden könnten, sind das Gefährliche, wogegen
der Hausfrieden geschützt sein soll. Sie sind nur zulässig kraft be-
sonderer gesetzlicher Ermächtigung. Für die Zwecke der Strafrechts-
pflege besteht das Institut der Durchsuchung mit seinen Formen.
Zu polizeilicher Überwachung und Kenntnisnahme geben mancherlei
besondere Gesetze das Recht des Eindringens. Ein allgemeines selbst-
verständliches Recht dazu besteht nicht15. Dagegen kann auch ohne
den Willen des Herrn der Räumlichkeit eingedrungen und so lange
nötig verweilt werden zum Zwecke der Zustellung polizeilicher Willens-
erklärungen, zur Vornahme polizeilicher Gestellungen und sonstiger
berechtigter Gewaltübung an Personen, die in der Wohnung sich be-
finden, zur Beseitigung und Veränderung polizeiwidriger Vorrichtungen
daselbst, wie auch weiterhin zur Steuererhebung, Zwangsbeitreibung,
Volkszählung u. s. w.

Selbstverständlich kann das Gesetz durch besondere Ermächti-
gungen über diese allgemeinen Grundsätze hinausgehen und dem
Polizeibeamten die Befugnis erteilen, auch zum blossen Nachsehen
und Überwachen einzudringen. Dabei wird die bestimmte Richtung
bezeichnet, in welcher diese Nachforschung zu üben ist, und niemals
darf das Recht auf ähnliche Fälle, in welchen vielleicht für das Gesetz
der gleiche Grund vorgelegen hätte, von den Behörden selbständig

15 Preuss. Ges. v. 12. Febr. 1850 § 7 lässt das Eindringen in die Wohnung
nur zu "auf Grund einer aus amtlicher Eigenschaft folgenden Befugnis oder eines
von einer gesetzlich dazu ermächtigten Behörde erteilten Auftrages". Wenn man
mit Foerstemann, Pol.R. S. 439, die umfassende Ermächtigung in A.L.R. II,
17 § 10 als solche Grundlage gelten lässt, dann hat, trotz des streng klingenden
Gesetzestextes, auch diese Form der Gewaltübung keine Grenzen. Die Gerichte
führen aber die Einschränkung im obigen Sinne durch, wonach jene allgemeinen
Ermächtigungen zu einem Nachforschen in der fremden Wohnung nicht genügen.
R.G. 24. Sept. 1880 (Samml. Stf.S. II S. 249); O.V.G. 8. Nov. 1876 (Samml. I
S. 375).

§ 25. Zwang durch Gewaltanwendung.
enger gesteckt sind, als die allgemeinen Grundsätze von selbst er-
geben würden.

Diese Grenzbestimmung bezweckt vor allem einen strengeren
Schutz der Wohnung gegen polizeiliches Eindringen zur Nachtzeit.

Das Eindringen bei Tage steht den Beamten der Polizei dann
frei, wenn sie dazu berufen sind durch ihrer Natur nach dort zu
erledigende Amtshandlungen
. Die Abgrenzung dieser Befug-
nisse bestimmt sich genauer durch den Gegensatz: das bloſse Nach-
sehen und Beobachten,
ob eine Amtshandlung dort vorzunehmen
ist oder nicht. Solche Nachforschungen, die ja an Zahl und Umfang
willkürlich vermehrt werden könnten, sind das Gefährliche, wogegen
der Hausfrieden geschützt sein soll. Sie sind nur zulässig kraft be-
sonderer gesetzlicher Ermächtigung. Für die Zwecke der Strafrechts-
pflege besteht das Institut der Durchsuchung mit seinen Formen.
Zu polizeilicher Überwachung und Kenntnisnahme geben mancherlei
besondere Gesetze das Recht des Eindringens. Ein allgemeines selbst-
verständliches Recht dazu besteht nicht15. Dagegen kann auch ohne
den Willen des Herrn der Räumlichkeit eingedrungen und so lange
nötig verweilt werden zum Zwecke der Zustellung polizeilicher Willens-
erklärungen, zur Vornahme polizeilicher Gestellungen und sonstiger
berechtigter Gewaltübung an Personen, die in der Wohnung sich be-
finden, zur Beseitigung und Veränderung polizeiwidriger Vorrichtungen
daselbst, wie auch weiterhin zur Steuererhebung, Zwangsbeitreibung,
Volkszählung u. s. w.

Selbstverständlich kann das Gesetz durch besondere Ermächti-
gungen über diese allgemeinen Grundsätze hinausgehen und dem
Polizeibeamten die Befugnis erteilen, auch zum bloſsen Nachsehen
und Überwachen einzudringen. Dabei wird die bestimmte Richtung
bezeichnet, in welcher diese Nachforschung zu üben ist, und niemals
darf das Recht auf ähnliche Fälle, in welchen vielleicht für das Gesetz
der gleiche Grund vorgelegen hätte, von den Behörden selbständig

15 Preuſs. Ges. v. 12. Febr. 1850 § 7 läſst das Eindringen in die Wohnung
nur zu „auf Grund einer aus amtlicher Eigenschaft folgenden Befugnis oder eines
von einer gesetzlich dazu ermächtigten Behörde erteilten Auftrages“. Wenn man
mit Foerstemann, Pol.R. S. 439, die umfassende Ermächtigung in A.L.R. II,
17 § 10 als solche Grundlage gelten läſst, dann hat, trotz des streng klingenden
Gesetzestextes, auch diese Form der Gewaltübung keine Grenzen. Die Gerichte
führen aber die Einschränkung im obigen Sinne durch, wonach jene allgemeinen
Ermächtigungen zu einem Nachforschen in der fremden Wohnung nicht genügen.
R.G. 24. Sept. 1880 (Samml. Stf.S. II S. 249); O.V.G. 8. Nov. 1876 (Samml. I
S. 375).
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[367/0387] § 25. Zwang durch Gewaltanwendung. enger gesteckt sind, als die allgemeinen Grundsätze von selbst er- geben würden. Diese Grenzbestimmung bezweckt vor allem einen strengeren Schutz der Wohnung gegen polizeiliches Eindringen zur Nachtzeit. Das Eindringen bei Tage steht den Beamten der Polizei dann frei, wenn sie dazu berufen sind durch ihrer Natur nach dort zu erledigende Amtshandlungen. Die Abgrenzung dieser Befug- nisse bestimmt sich genauer durch den Gegensatz: das bloſse Nach- sehen und Beobachten, ob eine Amtshandlung dort vorzunehmen ist oder nicht. Solche Nachforschungen, die ja an Zahl und Umfang willkürlich vermehrt werden könnten, sind das Gefährliche, wogegen der Hausfrieden geschützt sein soll. Sie sind nur zulässig kraft be- sonderer gesetzlicher Ermächtigung. Für die Zwecke der Strafrechts- pflege besteht das Institut der Durchsuchung mit seinen Formen. Zu polizeilicher Überwachung und Kenntnisnahme geben mancherlei besondere Gesetze das Recht des Eindringens. Ein allgemeines selbst- verständliches Recht dazu besteht nicht 15. Dagegen kann auch ohne den Willen des Herrn der Räumlichkeit eingedrungen und so lange nötig verweilt werden zum Zwecke der Zustellung polizeilicher Willens- erklärungen, zur Vornahme polizeilicher Gestellungen und sonstiger berechtigter Gewaltübung an Personen, die in der Wohnung sich be- finden, zur Beseitigung und Veränderung polizeiwidriger Vorrichtungen daselbst, wie auch weiterhin zur Steuererhebung, Zwangsbeitreibung, Volkszählung u. s. w. Selbstverständlich kann das Gesetz durch besondere Ermächti- gungen über diese allgemeinen Grundsätze hinausgehen und dem Polizeibeamten die Befugnis erteilen, auch zum bloſsen Nachsehen und Überwachen einzudringen. Dabei wird die bestimmte Richtung bezeichnet, in welcher diese Nachforschung zu üben ist, und niemals darf das Recht auf ähnliche Fälle, in welchen vielleicht für das Gesetz der gleiche Grund vorgelegen hätte, von den Behörden selbständig 15 Preuſs. Ges. v. 12. Febr. 1850 § 7 läſst das Eindringen in die Wohnung nur zu „auf Grund einer aus amtlicher Eigenschaft folgenden Befugnis oder eines von einer gesetzlich dazu ermächtigten Behörde erteilten Auftrages“. Wenn man mit Foerstemann, Pol.R. S. 439, die umfassende Ermächtigung in A.L.R. II, 17 § 10 als solche Grundlage gelten läſst, dann hat, trotz des streng klingenden Gesetzestextes, auch diese Form der Gewaltübung keine Grenzen. Die Gerichte führen aber die Einschränkung im obigen Sinne durch, wonach jene allgemeinen Ermächtigungen zu einem Nachforschen in der fremden Wohnung nicht genügen. R.G. 24. Sept. 1880 (Samml. Stf.S. II S. 249); O.V.G. 8. Nov. 1876 (Samml. I S. 375).

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Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




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Zitationshilfe: Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 1. Leipzig, 1895, S. 367. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mayer_verwaltungsrecht01_1895/387>, abgerufen am 21.05.2024.