Benutzbarkeit verteidigt durch die Gewaltanwendung des unmittel- baren Polizeizwangs Auch Plätze, Gebäude und Räumlichkeiten, die nicht die besondere rechtliche Natur öffentlicher Sachen haben, werden so behandelt, soweit sie im Zusammenhange mit dem öffentlichen Dienste selbst stehen. Es kann in einem und demselben Gebäude eine juristisch verschiedene Wehrhaftigkeit der einzelnen Teile ge- geben sein: die Versperrung des Zuganges zu den Amtsräumlichkeiten, Büreaus, Sitzungssälen wird ohne weiteres polizeilich mit Gewalt- anwendung beseitigt werden; wenn aber etwa der Mieter eines Ge- wölbes im Dienstgebäude nur den Zugang zur Dienstwohnung durch Warenaufstapelung und dergleichen erschwert, so gilt Civilrecht.
In gleicher Weise wird bei beweglichen Sachen: Geräten, Waffen, Vorräten, unterschieden werden müssen. Der polizeiliche Schutz erstreckt sich auch auf Sachen, welche zwar nicht dem Staate selbst, sondern etwa den Beamten persönlich gehören, jedoch zum Dienste bestimmt sind.
Die Person des Beamten geniesst diesen Schutz in der gleichen Beschränkung: nur soweit er im Dienste ist, der Dienst in ihm ge- stört wird. Alsdann bekommt einerseits seine persönliche Selbst- verteidigung die schärfere polizeiliche Natur, weil er das Gemeinwesen mit verteidigt; in ihm aber wird dieses Verwaltungsinteresse zugleich kraft selbständigen Rechtes von jedem anderen Beamten verteidigt, der zur Durchführung dieses bestimmten Unternehmens oder zum Schutze der öffentlichen Ordnung überhaupt berufen ist6.
Endlich tritt der wahre Gegenstand der polizeilichen Selbst- verteidigung möglicher Weise auch ganz unverhüllt hervor: gewalt- same Abwehr findet sogar statt, wo der obrigkeitliche Akt, die ruhige Abwicklung des Verwaltungsgeschäftes eine Störung erleidet, ohne dass Sachen oder Personen angegriffen werden. Es stört z. B. jemand durch lautes Sprechen die im Freien stattfindende Verhand- lung, oder beeinträchtigt durch sein Benehmen die Würde und Feier- lichkeit des Aktes. Aus dem Gesichtspunkte der Verteidigung des Beamten oder des staatlichen Besitzes würde sich keine Gewalt- anwendung zur Entfernung jenes Mannes rechtfertigen; aber die Ver- waltung selbst in ihrem äusserlichen Gang und Erscheinen ist eben das Geschützte7.
6 Die Einwilligung des unmittelbar Angegriffenen, welche die Notwehrhülfe ausschliessen kann (Binding, Stf.R. I S. 737), wirkt deshalb hier nicht.
7 Die Empfindlichkeit für Störung durch unangemessenes Benehmen ist nicht bei allen Amtshandlungen gleich. Gerichtliche Akte, kirchliche Feierlichkeiten sind am empfindlichsten für ihre Würde. Dann kommen gleich die militärischen Schau- stellungen und Aufzüge; unten § 25. III.
§ 24. Unmittelbarer Zwang.
Benutzbarkeit verteidigt durch die Gewaltanwendung des unmittel- baren Polizeizwangs Auch Plätze, Gebäude und Räumlichkeiten, die nicht die besondere rechtliche Natur öffentlicher Sachen haben, werden so behandelt, soweit sie im Zusammenhange mit dem öffentlichen Dienste selbst stehen. Es kann in einem und demselben Gebäude eine juristisch verschiedene Wehrhaftigkeit der einzelnen Teile ge- geben sein: die Versperrung des Zuganges zu den Amtsräumlichkeiten, Büreaus, Sitzungssälen wird ohne weiteres polizeilich mit Gewalt- anwendung beseitigt werden; wenn aber etwa der Mieter eines Ge- wölbes im Dienstgebäude nur den Zugang zur Dienstwohnung durch Warenaufstapelung und dergleichen erschwert, so gilt Civilrecht.
In gleicher Weise wird bei beweglichen Sachen: Geräten, Waffen, Vorräten, unterschieden werden müssen. Der polizeiliche Schutz erstreckt sich auch auf Sachen, welche zwar nicht dem Staate selbst, sondern etwa den Beamten persönlich gehören, jedoch zum Dienste bestimmt sind.
Die Person des Beamten genieſst diesen Schutz in der gleichen Beschränkung: nur soweit er im Dienste ist, der Dienst in ihm ge- stört wird. Alsdann bekommt einerseits seine persönliche Selbst- verteidigung die schärfere polizeiliche Natur, weil er das Gemeinwesen mit verteidigt; in ihm aber wird dieses Verwaltungsinteresse zugleich kraft selbständigen Rechtes von jedem anderen Beamten verteidigt, der zur Durchführung dieses bestimmten Unternehmens oder zum Schutze der öffentlichen Ordnung überhaupt berufen ist6.
Endlich tritt der wahre Gegenstand der polizeilichen Selbst- verteidigung möglicher Weise auch ganz unverhüllt hervor: gewalt- same Abwehr findet sogar statt, wo der obrigkeitliche Akt, die ruhige Abwicklung des Verwaltungsgeschäftes eine Störung erleidet, ohne daſs Sachen oder Personen angegriffen werden. Es stört z. B. jemand durch lautes Sprechen die im Freien stattfindende Verhand- lung, oder beeinträchtigt durch sein Benehmen die Würde und Feier- lichkeit des Aktes. Aus dem Gesichtspunkte der Verteidigung des Beamten oder des staatlichen Besitzes würde sich keine Gewalt- anwendung zur Entfernung jenes Mannes rechtfertigen; aber die Ver- waltung selbst in ihrem äuſserlichen Gang und Erscheinen ist eben das Geschützte7.
6 Die Einwilligung des unmittelbar Angegriffenen, welche die Notwehrhülfe ausschlieſsen kann (Binding, Stf.R. I S. 737), wirkt deshalb hier nicht.
7 Die Empfindlichkeit für Störung durch unangemessenes Benehmen ist nicht bei allen Amtshandlungen gleich. Gerichtliche Akte, kirchliche Feierlichkeiten sind am empfindlichsten für ihre Würde. Dann kommen gleich die militärischen Schau- stellungen und Aufzüge; unten § 25. III.
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§ 24. Unmittelbarer Zwang.
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baren Polizeizwangs Auch Plätze, Gebäude und Räumlichkeiten, die
nicht die besondere rechtliche Natur öffentlicher Sachen haben, werden
so behandelt, soweit sie im Zusammenhange mit dem öffentlichen
Dienste selbst stehen. Es kann in einem und demselben Gebäude
eine juristisch verschiedene Wehrhaftigkeit der einzelnen Teile ge-
geben sein: die Versperrung des Zuganges zu den Amtsräumlichkeiten,
Büreaus, Sitzungssälen wird ohne weiteres polizeilich mit Gewalt-
anwendung beseitigt werden; wenn aber etwa der Mieter eines Ge-
wölbes im Dienstgebäude nur den Zugang zur Dienstwohnung durch
Warenaufstapelung und dergleichen erschwert, so gilt Civilrecht.
In gleicher Weise wird bei beweglichen Sachen: Geräten,
Waffen, Vorräten, unterschieden werden müssen. Der polizeiliche
Schutz erstreckt sich auch auf Sachen, welche zwar nicht dem Staate
selbst, sondern etwa den Beamten persönlich gehören, jedoch zum
Dienste bestimmt sind.
Die Person des Beamten genieſst diesen Schutz in der gleichen
Beschränkung: nur soweit er im Dienste ist, der Dienst in ihm ge-
stört wird. Alsdann bekommt einerseits seine persönliche Selbst-
verteidigung die schärfere polizeiliche Natur, weil er das Gemeinwesen
mit verteidigt; in ihm aber wird dieses Verwaltungsinteresse zugleich
kraft selbständigen Rechtes von jedem anderen Beamten verteidigt,
der zur Durchführung dieses bestimmten Unternehmens oder zum
Schutze der öffentlichen Ordnung überhaupt berufen ist 6.
Endlich tritt der wahre Gegenstand der polizeilichen Selbst-
verteidigung möglicher Weise auch ganz unverhüllt hervor: gewalt-
same Abwehr findet sogar statt, wo der obrigkeitliche Akt, die ruhige
Abwicklung des Verwaltungsgeschäftes eine Störung erleidet,
ohne daſs Sachen oder Personen angegriffen werden. Es stört z. B.
jemand durch lautes Sprechen die im Freien stattfindende Verhand-
lung, oder beeinträchtigt durch sein Benehmen die Würde und Feier-
lichkeit des Aktes. Aus dem Gesichtspunkte der Verteidigung des
Beamten oder des staatlichen Besitzes würde sich keine Gewalt-
anwendung zur Entfernung jenes Mannes rechtfertigen; aber die Ver-
waltung selbst in ihrem äuſserlichen Gang und Erscheinen ist eben
das Geschützte 7.
6 Die Einwilligung des unmittelbar Angegriffenen, welche die Notwehrhülfe
ausschlieſsen kann (Binding, Stf.R. I S. 737), wirkt deshalb hier nicht.
7 Die Empfindlichkeit für Störung durch unangemessenes Benehmen ist nicht
bei allen Amtshandlungen gleich. Gerichtliche Akte, kirchliche Feierlichkeiten sind
am empfindlichsten für ihre Würde. Dann kommen gleich die militärischen Schau-
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Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 1. Leipzig, 1895, S. 349. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mayer_verwaltungsrecht01_1895/369>, abgerufen am 09.01.2025.
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