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Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 1. Leipzig, 1895.

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Die Polizeigewalt.
müssen zur Durchführung des Befohlenen, weil der Handlungspflichtige
dem Befehle nicht nachgekommen ist; nur das hat er "veranlasst"24.

Der Betrag der Kosten wird durch einen Beschluss der die Voll-
streckung leitenden Behörde gegen den Schuldner festgesetzt. Der
Kostenfestsetzungsbeschluss spricht nur aus, was rechtlich
geschuldet ist; er hat die Natur einer Entscheidung. Er dient als
vollstreckbarer Titel für die Beitreibung im finanzrechtlichen Zwangs-
verfahren, in dessen Formen die Sache damit übergeht (unten § 32)25.

III. Das schärfste Zwangsmittel ist die Gewaltanwendung,
d. h. das überwältigende Anfassen des Körpers oder der Sachen des
zu Zwingenden. Sie steht der thatsächlichen Macht nach der Obrig-
keit immer sofort und ausreichend zur Verfügung. Thatsächlich wäre
sie auch am Ende geeignet, jeden Erfolg herbeizuführen, der an dem
Verhalten des Unterthanen und an dem Zustande seines Eigentums
herbeigeführt werden soll.

Der Polizeistaat hat denn auch ziemlich frei damit gewirtschaftet.
In unserem Verfassungs- und Rechtsstaat soll das alles nun in feste
Form und Ordnung gebracht werden.

Unsere Gesetzgebungen sind dieser Forderung insoweit gerecht
geworden, als sie wenigstens für die der obrigkeitlichen Gewalt-

24 Ausgeschlossen sind Kostenansätze für Feststellung der Polizeiwidrigkeit,
Aufklärung der Behörde über die zu treffenden Massregeln und Vorbereitung der-
selben; Wielandt, Rechtspr. d. Bad. V.G.H. S. 130, 131. Überflüssiger Aufwand
ist nicht zu ersetzen; Bad. V.G.H. 12. Sept. 1871 bei Wielandt, S. 126. Anderer-
seits ist der Staat nicht wie ein negotiorum gestor auf den Ersatz marktgängiger
Preise beschränkt; C.C.H. 11. April 1868 (J.M.Bl. 1869 S. 255). Der entscheidende
Gesichtspunkt wird wohl wieder sein, dass zu ersetzen ist, was die Behörde nach
pflichtmässigem Ermessen verauslagt hat, auch wenn sie dabei fehlgegangen sein
mag und zu viel aufwendete.
25 Wenn das Unternehmen, der Besitz, wogegen die Ersatzvornahme sich
richtete, inzwischen auf einen anderen übergegangen ist, so haftet dieser nicht für
die Kosten. Sehr streitig ist es dagegen, inwiefern das noch nicht vollendete Ver-
fahren der Ersatzvornahme selbst gegen einen Nachfolger einfach fortgesetzt werden
kann: Bl. f. adm. Pr. 1872 S. 127 (namentlich die Bemerkungen von Luthardt),
Foerstemann,
Pol.R. S. 402 (der vorschlägt, die Fortsetzung durch Einträge auf
dem Hypothekenfolium sicher zu stellen). Unseres Erachtens wird die eingeleitete
Ersatzvornahme dann ohne weiteres übergehen, wenn der Befehl selbst, den sie
vollstrecken soll, auf den Nachfolger wirkt (oben § 21 Note 20); ferner werden die
einmal begonnenen Arbeiten durch den Besitzwechsel nicht mehr unterbrochen
werden: die Verwaltung hat sich der Sache bemächtigt; die Kosten würden aber
dann wohl nur den ursprünglichen Besitzer treffen. -- Eine dazwischentretende
Vermietung hindert jedenfalls die Fortsetzung gegen den Eigentümer nicht: O.V.G.
21. Okt. 1876 (Samml. I S. 361).

Die Polizeigewalt.
müssen zur Durchführung des Befohlenen, weil der Handlungspflichtige
dem Befehle nicht nachgekommen ist; nur das hat er „veranlaſst“24.

Der Betrag der Kosten wird durch einen Beschluſs der die Voll-
streckung leitenden Behörde gegen den Schuldner festgesetzt. Der
Kostenfestsetzungsbeschluſs spricht nur aus, was rechtlich
geschuldet ist; er hat die Natur einer Entscheidung. Er dient als
vollstreckbarer Titel für die Beitreibung im finanzrechtlichen Zwangs-
verfahren, in dessen Formen die Sache damit übergeht (unten § 32)25.

III. Das schärfste Zwangsmittel ist die Gewaltanwendung,
d. h. das überwältigende Anfassen des Körpers oder der Sachen des
zu Zwingenden. Sie steht der thatsächlichen Macht nach der Obrig-
keit immer sofort und ausreichend zur Verfügung. Thatsächlich wäre
sie auch am Ende geeignet, jeden Erfolg herbeizuführen, der an dem
Verhalten des Unterthanen und an dem Zustande seines Eigentums
herbeigeführt werden soll.

Der Polizeistaat hat denn auch ziemlich frei damit gewirtschaftet.
In unserem Verfassungs- und Rechtsstaat soll das alles nun in feste
Form und Ordnung gebracht werden.

Unsere Gesetzgebungen sind dieser Forderung insoweit gerecht
geworden, als sie wenigstens für die der obrigkeitlichen Gewalt-

24 Ausgeschlossen sind Kostenansätze für Feststellung der Polizeiwidrigkeit,
Aufklärung der Behörde über die zu treffenden Maſsregeln und Vorbereitung der-
selben; Wielandt, Rechtspr. d. Bad. V.G.H. S. 130, 131. Überflüssiger Aufwand
ist nicht zu ersetzen; Bad. V.G.H. 12. Sept. 1871 bei Wielandt, S. 126. Anderer-
seits ist der Staat nicht wie ein negotiorum gestor auf den Ersatz marktgängiger
Preise beschränkt; C.C.H. 11. April 1868 (J.M.Bl. 1869 S. 255). Der entscheidende
Gesichtspunkt wird wohl wieder sein, daſs zu ersetzen ist, was die Behörde nach
pflichtmäſsigem Ermessen verauslagt hat, auch wenn sie dabei fehlgegangen sein
mag und zu viel aufwendete.
25 Wenn das Unternehmen, der Besitz, wogegen die Ersatzvornahme sich
richtete, inzwischen auf einen anderen übergegangen ist, so haftet dieser nicht für
die Kosten. Sehr streitig ist es dagegen, inwiefern das noch nicht vollendete Ver-
fahren der Ersatzvornahme selbst gegen einen Nachfolger einfach fortgesetzt werden
kann: Bl. f. adm. Pr. 1872 S. 127 (namentlich die Bemerkungen von Luthardt),
Foerstemann,
Pol.R. S. 402 (der vorschlägt, die Fortsetzung durch Einträge auf
dem Hypothekenfolium sicher zu stellen). Unseres Erachtens wird die eingeleitete
Ersatzvornahme dann ohne weiteres übergehen, wenn der Befehl selbst, den sie
vollstrecken soll, auf den Nachfolger wirkt (oben § 21 Note 20); ferner werden die
einmal begonnenen Arbeiten durch den Besitzwechsel nicht mehr unterbrochen
werden: die Verwaltung hat sich der Sache bemächtigt; die Kosten würden aber
dann wohl nur den ursprünglichen Besitzer treffen. — Eine dazwischentretende
Vermietung hindert jedenfalls die Fortsetzung gegen den Eigentümer nicht: O.V.G.
21. Okt. 1876 (Samml. I S. 361).
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[340/0360] Die Polizeigewalt. müssen zur Durchführung des Befohlenen, weil der Handlungspflichtige dem Befehle nicht nachgekommen ist; nur das hat er „veranlaſst“ 24. Der Betrag der Kosten wird durch einen Beschluſs der die Voll- streckung leitenden Behörde gegen den Schuldner festgesetzt. Der Kostenfestsetzungsbeschluſs spricht nur aus, was rechtlich geschuldet ist; er hat die Natur einer Entscheidung. Er dient als vollstreckbarer Titel für die Beitreibung im finanzrechtlichen Zwangs- verfahren, in dessen Formen die Sache damit übergeht (unten § 32) 25. III. Das schärfste Zwangsmittel ist die Gewaltanwendung, d. h. das überwältigende Anfassen des Körpers oder der Sachen des zu Zwingenden. Sie steht der thatsächlichen Macht nach der Obrig- keit immer sofort und ausreichend zur Verfügung. Thatsächlich wäre sie auch am Ende geeignet, jeden Erfolg herbeizuführen, der an dem Verhalten des Unterthanen und an dem Zustande seines Eigentums herbeigeführt werden soll. Der Polizeistaat hat denn auch ziemlich frei damit gewirtschaftet. In unserem Verfassungs- und Rechtsstaat soll das alles nun in feste Form und Ordnung gebracht werden. Unsere Gesetzgebungen sind dieser Forderung insoweit gerecht geworden, als sie wenigstens für die der obrigkeitlichen Gewalt- 24 Ausgeschlossen sind Kostenansätze für Feststellung der Polizeiwidrigkeit, Aufklärung der Behörde über die zu treffenden Maſsregeln und Vorbereitung der- selben; Wielandt, Rechtspr. d. Bad. V.G.H. S. 130, 131. Überflüssiger Aufwand ist nicht zu ersetzen; Bad. V.G.H. 12. Sept. 1871 bei Wielandt, S. 126. Anderer- seits ist der Staat nicht wie ein negotiorum gestor auf den Ersatz marktgängiger Preise beschränkt; C.C.H. 11. April 1868 (J.M.Bl. 1869 S. 255). Der entscheidende Gesichtspunkt wird wohl wieder sein, daſs zu ersetzen ist, was die Behörde nach pflichtmäſsigem Ermessen verauslagt hat, auch wenn sie dabei fehlgegangen sein mag und zu viel aufwendete. 25 Wenn das Unternehmen, der Besitz, wogegen die Ersatzvornahme sich richtete, inzwischen auf einen anderen übergegangen ist, so haftet dieser nicht für die Kosten. Sehr streitig ist es dagegen, inwiefern das noch nicht vollendete Ver- fahren der Ersatzvornahme selbst gegen einen Nachfolger einfach fortgesetzt werden kann: Bl. f. adm. Pr. 1872 S. 127 (namentlich die Bemerkungen von Luthardt), Foerstemann, Pol.R. S. 402 (der vorschlägt, die Fortsetzung durch Einträge auf dem Hypothekenfolium sicher zu stellen). Unseres Erachtens wird die eingeleitete Ersatzvornahme dann ohne weiteres übergehen, wenn der Befehl selbst, den sie vollstrecken soll, auf den Nachfolger wirkt (oben § 21 Note 20); ferner werden die einmal begonnenen Arbeiten durch den Besitzwechsel nicht mehr unterbrochen werden: die Verwaltung hat sich der Sache bemächtigt; die Kosten würden aber dann wohl nur den ursprünglichen Besitzer treffen. — Eine dazwischentretende Vermietung hindert jedenfalls die Fortsetzung gegen den Eigentümer nicht: O.V.G. 21. Okt. 1876 (Samml. I S. 361).

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Zitationshilfe: Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 1. Leipzig, 1895, S. 340. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mayer_verwaltungsrecht01_1895/360>, abgerufen am 23.12.2024.